Interview

»Deutschland hat Juden viel zu verdanken«

Jürgen Rüttgers, Kuratoriumsvorsitzender des Vereins »321 - 2021: 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« (Archivfoto) Foto: imago stock&people

Seit einigen Monaten hat der ehemalige Bundesbildungsminister und frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers (CDU), ein neues Amt inne: Er sitzt dem Kuratorium desjenigen Vereins in Köln vor, der für 2021 das bundesweite Festjahr »1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« initiiert hat. Ein Interview über die Hintergründe des Jubiläums, sein persönliches Programm-Highlight und den immer offener zutage tretenden Antisemitismus in Deutschland.

Herr Rüttgers, 2021 finden bundesweit Feierlichkeiten zu »1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« statt. Was sollen die Menschen aus dem Festjahr mitnehmen?
Im kommenden Jahr werden überall in Deutschland mehr als 1000 Veranstaltungen stattfinden. Sie sollen daran erinnern, dass es seit 1.700 Jahren jüdisches Leben in Deutschland gibt. Damals hat der römische Kaiser Konstantin entschieden, dass Juden Mitglied des Stadtrates in Köln werden dürfen. Dies ist der Anlass für ein Festjahr, weil wir in Deutschland unseren jüdischen Bürgerinnen und Bürgern viel zu verdanken haben. Zudem wollen wir das Wissen über jüdisches Leben in Deutschland vertiefen.

Antisemitismus ist in Deutschland immer noch ein Thema. Kann das Festjahr einen Beitrag gegen Judenfeindlichkeit leisten?
Es gibt einen Bodensatz von Antisemiten in jedem Land Europas. In den letzten Jahren hat diese Judenfeindlichkeit spürbar zugenommen. Ausgrenzung, Abwertung und Diskriminierung von Juden - solche Verirrungen und Straftaten gibt es auch in Deutschland. Das ist völlig unverständlich. In deutschem Namen wurden sechs Millionen Juden im Holocaust ermordet. Wir haben in Deutschland lange gebraucht, um eine Erinnerungskultur aufzubauen, die verhindern soll, dass ein solches Menschheitsverbrechen, ein solcher Völkermord noch einmal geschieht. »Nie wieder« war das Ziel der Erinnerungskultur. Und jetzt hat man den Eindruck, als ob alles wieder neu beginnt. Wir haben seit Jahren den Rechtsextremismus unterschätzt und vor dem Linksextremismus die Augen zugemacht. Der Staat muss durchgreifen, die Zivilgesellschaft muss sich schützend vor unsere jüdischen Nachbarn stellen. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften müssen schützend vor den jüdischen Gemeinden stehen.

Auf welche Veranstaltung im Festjahr 2021 freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Schirmherrschaft über das Festjahr übernommen hat und auf einem Festakt sprechen wird.

Welche Aufgaben hat der Jubiläumsverein »321 - 2021: 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«?
Unser Verein hat die Initiative ergriffen, ein Festjahr zu organisieren. Zusammen mit der Bundesregierung, den Bundesländern, den Kommunen, den Kirchen und Religionsgemeinschaften, den Schulen und Hochschulen, aber auch vielen Initiativen aus Kunst, Kultur sowie den deutsch-israelischen Partnerschaften wollen wir ein Zeichen der Solidarität geben, aber auch die Entwicklung einer europäischen Erinnerungskultur voranbringen.

Das Gespräch führte Anita Hirschbeck.

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Digitales Gedenken

App soll alle Stolpersteine Deutschlands erfassen

Nach dem Start in Schleswig-Holstein soll eine App in Zukunft alle Stolpersteine in Deutschland erfassen. In der App können Biografien der Opfer abgerufen werden

 24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025