Versuch

Der Kreis des Lebens

Gute Erfahrungen gemacht: Sholom Kass (l.) und Chaim Itzkin haben schließlich auch eine Druckerei für das Buch »Tanya« gefunden. Foto: Mike Minehan

Wenn Chaim Itzkin und Sholom Kass an ihre Erlebnisse in der Gedenk- und Bildungsstätte »Haus der Wannsee-Konferenz« zurückdenken, bekommen sie immer noch eine Gänsehaut. Eigentlich waren die beiden jungen Rabbiner aus dem amerikanischen Pennsylvania und dem kanadischen Ontario im Rahmen des von Chabad Lubawitsch organisierten »Rabbinical Student Visitation Programs« mit einer Idee nach Deutschland gekommen. Sie wollten das Buch »Tanya« in allen Städten drucken lassen, die sie bereisten und es Juden zur Verfügung stellen. Das von Rabbiner Schneor Salman verfasste und 1796 erschienene Werk gilt als das philosophische Hauptwerk der Chabad-Bewegung. Doch dann erlebten Chaim und Sholom diesen einen Augenblick, wie man ihn nur aus Filmen zu kennen glaubt.

Momente Als sie an ihrem freien Tag die Villa am Wannsee betreten, in dem die Nazis fast sieben Jahrzehnte zuvor die »Endlösung der Judenfrage« beschlossen hatten, treffen sie eine etwa 30-köpfige Reisegruppe aus Israel. Nur kurz begegnen sich ihre Blicke und sofort beginnen die Rabbiner und die israelischen Touristen unisono das »Schma Jisrael« zu sprechen. »Hätten Chaim und ich jemals Zweifel an dem Sinn unserer Deutschlandreise gehabt, hätten sich diese spätestens in diesem Moment verflüchtigt«, sagt Sholom. Und Chaim, dessen Vorfahren während der Schoa zu großen Teilen ermordet worden war, ergänzt: »Allein für diesen einen Moment hätte sich unsere Reise gelohnt.«

Leipzig, Chemnitz, Magdeburg, Halle, Schwerin, Rostock, Berlin, Wismar und Dessau heißen ihre Stationen während ihres sechswöchigen Deutschlandaufenthalts. Seit 1984 gibt es das Programm der »Roving Rabbis«. Der damalige Lubawitscher Rebbe Menachem M. Schneerson hatte es initiiert, um das Buch »Tanya« jedem Juden auf der Welt zugänglich zu machen. Dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, sei ihnen sehr wichtig, sagt Sholom. »Insbesondere in Deutschland, wo Nazis Millionen jüdische Bücher vernichteten«, ergänzt Chaim.

Wiederbelebung Ihr Antrieb ist der Gedanke, dass durch Gott alles in der Welt mit gutem Grund geschieht. »Alles, was wir tun, hinterlässt Spuren in der Welt. Dazu gehöre auch«, so Chaim, »anderen Juden bei ihrem Wunsch, ein bewusstes jüdisches Leben zu führen, behilflich zu sein.« Dafür besuchen sie vor allem Dörfer und kleine Städte, in denen es keine jüdische Infrastruktur gibt. Das Bedürfnis nach jüdischen Angeboten sei bei vielen russischstämmigen Juden in Deutschland vorhanden, sind Chaim und Sholom überzeugt. »Nachdem es in der ehemaligen Sowjetunion gefährlich war, jüdisch zu leben, wollen zumeist ältere Zuwanderer heute wissen, was Jüdischkeit genau ist.«

Bei ihren Reisen in die verschiedenen Städte gehen Chaim und Sholom mehr oder weniger ohne Plan vor. Ihre positiven Erlebnisse scheinen ihnen recht zu geben. Eine Begebenheit hat sie besonders beeindruckt. Durch einen Irrtum landeten Chaim und Sholom auf der Suche nach einer Druckerei in einem Geschäft, das Autoschilder stanzt. Ob Zufall oder gottgewollt – dort trafen sie einen älteren Juden, der die beiden Rabbiner schon von Weitem mit »Schalom« begrüßte, als habe er schon seit Jahren auf sie gewartet. »Der Mann sagte uns, dass er sich noch daran erinnere, wie sein Vater Tefillin legte, doch habe er ihm wegen des Krieges nie erklären können, was es bedeute«, erklärt Chaim. Mit über 80 Jahren habe der Mann unter ihrer Anleitung zum ersten Mal in seinem Leben die Tefillin gelegt und das »Schma Jisrael« rezitiert. Für den Mann sei es so gewesen, sagt Sholom, als habe sich der Kreis seines Lebens geschlossen.

Chabad

»Eine neue Offenheit«

Seit 20 Jahren ist Heike Michalak Leiterin der Jüdischen Traditionsschule. Ein Gespräch über Neugier, das Abenteuer Lernen und die Ängste der Eltern

von Christine Schmitt  05.12.2025

WIZO

Tatkraft und Humanität

Die Gala »One Night for Children« der Spendenorganisation sammelte Patenschaften für bedürftige Kinder in Israel

von Ellen Presser  05.12.2025

Porträt der Woche

Mit Fingerspitzengefühl

Hans Schulz repariert Fahrräder und spricht mit seinen Kunden auch über Israel

von Alicia Rust  05.12.2025

Ratsversammlung

»Die Gemeinden sind das Rückgrat der jüdischen Gemeinschaft«

In Frankfurt kamen 90 Delegierte aus den Landesverbänden zusammen, um aktuelle Anliegen und Sorgen zu besprechen. Gastredner war Kulturstaatsminister Wolfram Weimer

von Katrin Richter  03.12.2025

Jewish Quiz

»Fast wie bei den Samstagabend-Shows«

Am Wochenende raten in Frankfurt über 500 Jugendliche um die Wette. Dabei geht es um mehr als bloße Wissensabfrage, betonen die Organisatoren der Veranstaltung

von Helmut Kuhn  03.12.2025

Berlin

Ein Nachmittag voller Licht

Mitzwa Express lädt zum traditionellen Chanukka-Basar in die Synagoge Pestalozzistraße ein

 03.12.2025

Chemnitz

Sachsen feiert »Jahr der jüdischen Kultur«

Ein ganzes Jahr lang soll in Sachsen jüdische Geschichte und Kultur präsentiert werden. Eigens für die Eröffnung des Themenjahres wurde im Erzgebirge ein Chanukka-Leuchter gefertigt

 03.12.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 4. Dezember bis zum 10. Dezember

 03.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025