Holocaust

Den letzten Tätern auf der Spur

Aktion des Wiesenthal Center: Plakat in Berlin Foto: Stephan Pramme

Holocaust

Den letzten Tätern auf der Spur

Simon Wiesenthal Center ruft zur Fahndung nach NS-Verbrechern auf

von Ayala Goldmann  23.07.2013 17:55 Uhr

Etwa 120 Nazi-Kriegsverbrecher sind heute noch am Leben, schätzt Efraim Zuroff, Leiter des Simon Wiesenthal Center in Jerusalem. Mehr als 68 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ruft die jüdische Aufklärungs- und Bildungsinstitution für den Holocaust die Deutschen deshalb noch einmal zur Fahndung auf. Unter dem Motto »Spät, aber nicht zu spät.« startete am Dienstag in Berlin, Köln und Hamburg eine groß angelegte Plakatkampagne – mit dem Appell an die Bevölkerung, bisher nicht verurteilte ehemalige Wachleute in deutschen Vernichtungslagern und Mitglieder der NS-Einsatzgruppen aufzuspüren.

Für »wertvolle Informationen« ist im Rahmen der Kampagne »Operation Last Chance II« eine Belohnung von bis zu 25.000 Euro ausgesetzt. Auf den 2000 Postern des Wiesenthal Center, die in Zusammenarbeit mit der Wall AG zwei Wochen lang an öffentlichen Plakatwänden hängen sollen, sind Bahngleise und das bekannte Tor zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Schwarz-Weiß zusammen mit dem Fahndungsaufruf zu sehen.

Der Leiter des Wiesenthal-Zentrums rechnet damit, dass von etwa 6000 Verbrechern, die in NS-Einsatzgruppen und in deutschen Vernichtungslagern aktiv waren, noch etwa 120 am Leben und 60 von ihnen in einem Gesundheitszustand sind, in dem sie vor Gericht gestellt werden könnten. »Jeder, der strafrechtlich belangt wird, ist ein Sieg«, sagte Zuroff der Jüdischen Allgemeinen. Doch auch die übrigen NS-Verbrecher sollten »nicht ruhig schlafen können«. Ehemalige Massenmörder verdienten auch als alte Männer kein Mitgefühl, betonte Zuroff.

Verurteilung Ausgangspunkt für die Plakatkampagne ist die Verurteilung von John Demjanjuk 2011 in München wegen 1000-facher Beihilfe zum Mord. Zum ersten Mal seit den 60er-Jahren war in diesem Prozess ein Nazi-Helfer verurteilt worden, dem keine konkrete Einzeltat nachgewiesen werden konnte. Damit gibt es in neuen Prozessen gegen NS-Verbrecher Chancen auf eine Verurteilung.

Im Juni war in Ungarn Anklage gegen den 98-jährigen László Csatáry erhoben worden, der an der Deportation von 15.700 Juden mitgewirkt haben soll. Im Mai war in Aalen (Baden-Württemberg) der frühere KZ-Wärter in Auschwitz, der 93-jährige Hans Lipschis, verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bereitet eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord gegen ihn vor.

»Last Chance II« ist eine Nachfolgeaktion der Kampagne »Last Chance«, die das Wiesenthal-Zentrum ab 2002 in Osteuropa, Österreich und Deutschland gestartet hatte. Zuroff sagte, damals habe es Hinweise gegen 605 Verdächtige gegeben; in acht Fällen sei es zu strafrechtlichen Maßnahmen gekommen.

Gerechtigkeit »Jede Anklage ist eine wichtige Erinnerung daran, dass Gerechtigkeit für die Opfer des Holocaust immer noch erreicht werden kann«, sagte Zuroff. Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, begrüßte die neue Aktion des Wiesenthal Center ausdrücklich. Gerechtigkeit kenne keine Verfallszeit, so der Zentralratspräsident. »Sowohl für die noch lebenden Opfer als auch und vor allem für die heutige Generation ist das moralische Signal wichtig. Unmenschliches Verhalten darf niemals unbestraft bleiben. Besser spät als gar nicht«, so Graumann.

Auswärtiges Amt

Deutschland entschärft Reisehinweise für Israel

Nach Beginn des Gaza-Krieges hatte das Auswärtige Amt vor Reisen in Teile Israels gewarnt. Dies gilt so nicht mehr. Der Außenminister begründet das mit gewachsenem Vertrauen in den Friedensprozess

 04.11.2025

Würdigung

Margot Friedländer wird mit Sonderbriefmarke geehrt

Wie das Finanzministerium mitteilte, war die Sonderbriefmarke für Friedländer ein »besonderes Anliegen« von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil

 04.11.2025

B’nai B’rith

»Wie eine große Familie«

Delegierte aus 20 Ländern kamen zusammen, um sich eine neue Organisationsstruktur zu geben

von Ralf Balke  03.11.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an November-Pogrome

Zum 87. Jahrestag der NS-November-Pogrome von 1938 werden am Sonntag ganztägig die Namen der im Holocaust ermordeten Berliner Jüdinnen und Juden vorgelesen. Bei einem Gedenken am Abend wird Berlins Regierender Bürgermeister sprechen

 03.11.2025

Gedenkstätten

Gedenkzeichen für jüdische Ravensbrück-Häftlinge

Zur feierlichen Enthüllung werden unter anderem Zentralratspräsident Josef Schuster, die brandenburgische Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und der Beauftragte für Erinnerungskultur beim Kulturstaatsminister, Robin Mishra, erwartet

 03.11.2025

Porträt der Woche

Zufluchtsort Musik

Naomi Shamban ist Pianistin, lebt in Dresden und hat eine Schwäche für Märchenfilme

von Alicia Rust  03.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Hund, Katze & Co

Beste Freunde

Wenn Tiere Familie werden: Gemeindemitglieder erzählen vom leisen oder lauten Glück, mit Vierbeinern zu leben

von Christine Schmitt  02.11.2025

Berlin

Parfüm mit Geschichte

Das israelische Label Zielinski & Rozen stellte seine Duftkollektion vor, die 1905 in Jaffa kreiert wurde

von Alicia Rust, Erez Zielinski Rozen, Gemeinde Berlin, Parfüm  02.11.2025