Ehrung

Botschafter der Menschlichkeit

Charlotte Knobloch, Hugo Höllenreiner und Andreas Maislinger Foto: Verein Österreichischer Auslandsdienst

Der deutsche Sinto Hugo Höllenreiner ist am 2. Mai 2013 im Jüdischen Museum München in einer bewegenden Veranstaltung mit dem »Austrian Holocaust Memorial Award« ausgezeichnet worden. Höllenreiner überlebte vier Konzentrationslager, darunter das sogenannte Zigeunerlager Auschwitz-Birkenau.

Der Verein Österreichischer Auslandsdienst, das österreichische Pendant der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, begründete die Ehrung damit, dass Höllenreiner sich dem »Wachhalten der Erinnerung an die Leiden der Sinti und Roma widmet«.

Die Laudatio hielt Charlotte Knobloch. »Sein Leben und Überleben macht ihn zum lebendigen Denkmal«, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Knobloch würdigte Höllenreiners unermüdliches Engagement im Kampf gegen das Vergessen. »Seit er vor 25 Jahren sein Schweigen brach, referiert er Woche für Woche in Schulen, anderen Bildungseinrichtungen und auf diversen Veranstaltungen über sein dramatisches Schicksal.«

Schoa Der 79-Jährige wuchs mit seinen fünf Geschwistern in München-Giesing auf. Im Jahr 1943 wurden er und seine ganze Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert – der Beginn eines grauenvollen Martyriums. Der KZ-Arzt Josef Mengele quälte ihn und seinen Bruder mit medizinischen Experimenten.

Bis heute leidet Höllenreiner unter den körperlichen und psychischen Folgen. Danach kam er über die Lager Ravensbrück und Mauthausen nach Bergen-Belsen, wo er im April 1945 von britischen Soldaten befreit wurde. Zu Kriegsende waren 36 seiner Familienmitglieder getötet worden – er, seine Eltern und die fünf Geschwister überlebten das Martyrium.

»Ich kämpfe dafür, dass sich dieser grauenhafte Teil unserer Geschichte nicht mehr wiederholt und bin von dieser Anerkennung mehr als überwältigt«, sagte Höllenreiner nach der Überreichung der Urkunde im Jüdischen Museum München. Zuvor hatte der Initiator des Preises, Andreas Maislinger, in seiner Begrüßung den Symbolcharakter der Ehrung hervorgehoben: »Roma und Sinti rücken in die Mitte der Gesellschaft, und es ist höchste Zeit, dass wir mit dieser Ehrung dazu beitragen.«

Knobloch, die für Oberbürgermeister Christian Ude eingesprungen war, der sich wegen einer unvorhersehbaren Dienstreise entschuldigen ließ, bezog sich auf dessen Appell, den Schutz der Demokratie niemals preiszugeben. »Diskriminierung ist nicht das Problem der betroffenen Gruppe. Sie ist das Problem der Gesellschaft, in der sie vorkommt«, betonte Knobloch. »Unser Gemeinwesen lebt von der Zivilcourage jedes Einzelnen, und Hugo Höllenreiner nimmt das besonders ernst. Danke, dass Sie nicht aufhören, nicht zu schweigen«. Dann wandte sie sich an die jungen Menschen, die »den Stab der Erinnerung bewusst und beherzt annehmen und Verantwortung übernehmen sollten«.

Highlight Für musikalische Begleitung sorgte der junge österreichisch-rumänische Pianist Adrian Gaspar, selbst Sinto, gemeinsam mit dem Geiger Florian Willeitner. Unterstützt wurden sie vom Jugendchor der Freien Waldorfschule Karlsruhe. Während des Abends wurde auch ein Filmausschnitt aus der Dokumentation Dui Roma – Zwei Lebenskünstler von Iovanca Gaspar gezeigt. Ein persönliches Highlight für Höllenreiner war die Überreichung einer Zeichnung von seinem engen Freund Gaspar.

Neben hohen Vertretern der Landeshauptstadt erwiesen auch Mitglieder des Bundestags, die Generalkonsule von Israel, Kroatien, den Niederlanden, Österreich und Ungarn sowie weitere namhafte Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft Hugo Höllenreiner ihre Ehre.

Mit der Auszeichnung »Austrian Holocaust Memorial Award« wird seit 2006 jährlich eine Person oder Organisation geehrt, die sich durch besonderes Engagement im Bereich der Gedenkarbeit verdient gemacht hat.

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025