Lockdown

Bis maximal 30 Personen

Wartet auf die Beter: Dortmunds Rabbiner Baruch Babaev Foto: pr

Lockdown

Bis maximal 30 Personen

Einige Gemeinde bereiten sich bereits auf den Schabbat mit Betern vor – mit gebührender Distanz

von Eugen El  30.04.2020 09:22 Uhr

Selten war der Begriff »Flickenteppich« so zutreffend wie in diesen Wochen. Noch bevor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag über mögliche Lockerungen des Verbots religiöser Zusammenkünfte beraten konnten, waren einige Bundesländer mit eigenen Lockerungen vorgeprescht. In Sachsen etwa dürfen schon seit dem 20. April unter Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln Gottesdienste mit maximal 15 Teilnehmern abgehalten werden.

Landesrabbiner Zsolt Balla feierte am vergangenen Freitag den ersten Schabbat-Gottesdienst seit der pandemiebedingten Schließung der Leipziger Synagoge. »Wir freuen uns natürlich, dass wir wieder Gottesdienste abhalten können«, sagt Balla im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Gleichwohl ergänzt er: »Aber wir haben auch große Sorgen. Wir müssen vernünftig sein.« Die Menschen zu schützen, habe eine unglaublich hohe Priorität in seiner Gemeinde. Deshalb sei man auch sehr vorsichtig.

Gesundheitskonzept Vergangene Woche veröffentlichte der Zentralrat der Juden in Deutschland in Zusammenarbeit mit den beiden Rabbinerkonferenzen sowie im Einvernehmen mit Landesverbänden und großen Gemeinden ein ausführliches Hygiene- und Gesundheitskonzept. »Das ist unsere Richtlinie«, betont Balla. Das Konzept sieht unter anderem vor, dass nur vollständig gesunde Gemeindemitglieder zum Gebet kommen dürfen. Der Zentralrat empfiehlt überdies, Teilnehmerlisten zu führen.

Gemeinsame Kidduschim nach dem Gebet dürfen weiterhin nicht stattfinden.

»Der Abstand zwischen den Betern muss mindestens 1,50 Meter, besser zwei Meter betragen«, heißt es zudem. Die Tora soll laut Hygiene- und Gesundheitskonzept nicht durch die Synagoge geführt und darf nicht geküsst werden. Mesusot dürfen ebenfalls nicht geküsst oder berührt werden. Gemeinsame Kidduschim nach dem Gebet dürfen weiterhin nicht stattfinden. Das Konzept soll helfen, die Gottesdienste so zu gestalten, »dass die Gefahr der Ansteckung mit dem Coronavirus maximal vermieden wird«.

Sachsens Landesrabbiner betont auch im Hinblick auf die landeseigenen Vorschriften: »Wir müssen in allen unseren Gemeinden hier in Sachsen schauen, wie man alle diese Konzepte vernünftig implementieren kann.« Es gebe nicht viele Stellen in der Tora, an denen das Wort »sehr« betont wird. Eine von diesen Stellen laute: »Wir müssen unsere Seele und unsere körperliche Gesundheit sehr schützen.« »Wir müssen alle die hygienische Sicherheit der Gemeindemitglieder, der Anwesenden sehr gut beachten«, mahnt Balla entsprechend.

Thüringen »Ab dem 8. und 9. Mai wollen wir wieder Gottesdienste in unserer Synagoge feiern«, kündigt Thüringens Landesrabbiner Alexander Nachama in einem E-Mail-Newsletter an. In Thüringen sind seit dem vergangenen Wochenende religiöse Versammlungen mit bis zu 30 Teilnehmern unter Auflagen möglich. »Wir werden die notwendigen Maßnahmen ergreifen und die Synagoge entsprechend ausstatten«, schreibt Nachama bezogen auf das Hygiene- und Gesundheitskonzept des Zentralrats.

Die Tora darf nicht durch die Synagoge geführt, die Mesusa nicht mehr berührt werden.

»Es ist ja doch erst einmal ein Anlass zur Freude, dass wir wieder Gottesdienste feiern können«, sagt Nachama. »Wenn wir uns an diese Regeln halten, wird man vielleicht auch diese Freude spüren können«, fügt er hinzu.

Auf der anderen Seite solle man nicht vergessen, dass noch immer eine Ausnahmesituation herrsche. Der Landesrabbiner sorgt sich um die Stimmung in der Synagoge. »Diese Hygienevorschriften sollen nicht zu Unsicherheit oder sozialer Kälte führen.«

Er wolle die Beter darauf hinweisen, dass die Regeln natürlich nicht bedeuteten, dass man nicht nett zueinander sein, dass man nicht miteinander sprechen dürfe. »Man kann das natürlich machen, aber mit dem gebotenen Abstand.«

Schawuot Die Regelungen beeinflussen auch die Planungen zu Schawuot. Die Beter werden sich vorher anmelden müssen. »Wir wollen nicht die Situation haben, dass 50 Beter vor der Tür stehen und nur 30 reinkommen«, sagt Nachama. Wenn die Anmeldungen die Kapazität übersteigen, werde man die Gottesdienste auf zwei Tage aufteilen.

Alexander Nachama bedauert indes, dass man Kiddusch und das gemeinsame Lernen in diesem Jahr nicht mehr durchführen könne.

In Nordrhein-Westfalen sind religiöse Versammlungen ab dem 1. Mai wieder möglich. Die Synagogen-Gemeinde Köln teilte sofort mit, am Schabbat Schacharit zu begehen.

Auch Baruch Babaev, Gemeinderabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund, möchte einen Schabbat-Gottesdienst anbieten. »Wir sehen uns verpflichtet, die Auflagen, die vom Land kommen, und die Empfehlungen des Zentralrats umzusetzen, da auch uns die Gesundheit unserer Mitglieder als Allervorderstes sehr wichtig ist«, sagt Babaev.

Um den notwendigen Abstand gewährleisten zu können, sollen die Gottesdienste – wie zu den Feiertagen – in einem großen Saal stattfinden.

Er ist sich bewusst, wie ernst die Situation im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ist. »Die Gefahr ist noch nicht gebannt.« Um den notwendigen Abstand gewährleisten zu können, sollen die Gottesdienste in einem großen Saal stattfinden, der normalerweise als Festtagssynagoge dient.

In seiner Gemeinde beobachtet Babaev ein sehr unterschiedliches Meinungsbild. Einerseits sei die Sehnsucht nach einander sehr groß. Viele Gemeindemitglieder, mit denen er telefoniere, sagten, dass sie so bald wie möglich gemeinsam beten möchten. »Ich höre aber auch Stimmen, die sagen: Ist das nicht noch zu früh?«, berichtet Babaev.

Auch der Dortmunder Gemeinderabbiner sorgt sich um die Stimmung in der Synagoge. »Ich glaube, man soll in den ersten Tagen, in denen die Beter kommen und sich daran gewöhnen müssen, nicht zu schroff mit ihnen umgehen und alles mit einem Lächeln rüberbringen.«

Länderhoheit Bayern, Brandenburg und Berlin erlauben ab dem 4. Mai wieder religiöse Versammlungen. »Wir werden unter strengen hygienischen Regeln Gottesdienste begehen«, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal, Vorsitzender des Jüdischen Bildungszentrums Chabad Lubawitsch Berlin. Die Beter seien froh, dass man wieder in die Synagoge kommen könne.

Teichtal plädiert dafür, einen Mittelweg zu finden. Einerseits müssten die strengsten Regelungen angewendet werden, gleichzeitig sollten die Menschen die Möglichkeit erhalten, wieder miteinander in Kontakt zu kommen.

Es bleibt abzuwarten, welchen Weg die Bundesländer einschlagen, die noch keine Regelung zur Lockerung des Gottesdienstverbots verabschiedet haben. Der Bund habe ein Interesse daran, ein möglichst einheitliches Vorgehen zu erreichen, sagte ein Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wenige Tage vor den entscheidenden Beratungen zwischen Bund und Ländern.

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