Schalom Aleikum

Beruf und Berufung

Auf Abstand, aber zusammen: Unter dem Motto »Faith Works« sprachen Juden und Muslime über ihren Alltag mit dem Glauben. Foto: Gregor Zielke

Religiöse Überzeugung und Arbeitsalltag: Das lässt sich nicht immer einfach unter einen Hut bringen. Denn obwohl der Glaube auch in einem weithin säkularisierten Land wie Deutschland für viele Menschen nach wie vor eine wichtige Rolle im Leben einnimmt, hat er in der modernen Arbeitswelt oftmals keinen Platz. Die Religion gilt als reine Privatsache.

Wo der Glaube allerdings selbst zum Beruf wird, ist die Religionsausübung kein Problem. »Rabbiner zu sein, ist für mich eine innere Berufung und kein Beruf, mit dem ich möglichst viel Geld verdienen möchte«, sagte Isak Aasvestad, Absolvent des Rabbinatsstudiums am Abraham-Geiger-Kolleg an der Universität Potsdam.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Er war einer der insgesamt vier jüdischen und muslimischen Geistlichen und Gemeindemitarbeiter, die am Mittwochabend vergangener Woche von ihren Erfahrungen mit dem Glauben am Arbeitsplatz berichteten.

Diskussion Im Rahmen des Zentralratsprojekts »Schalom Aleikum. Jüdisch-muslimischer Dialog« waren Ita Afanasev, Rebbetzin und Direktorin der JAcademy in Berlin, Meho Travljanin vom Islamischen Kulturzentrum der Bosniaken in Berlin, Dua Zeitun, islamische Theologin und Streetworkerin in Osnabrück, mit Jung-Rabbiner Aasvestad zur Diskussion zusammengekommen.

Durch den Abend führte Katrin Visse von der Katholischen Akademie in Berlin als Moderatorin. Aufgrund der Corona-Pandemie konnten nicht alle Teilnehmer physisch zum Gespräch zusammenkommen. Per Videoschaltung waren sie aber miteinander verbunden. Zuschauer konnten die Veranstaltung unter dem Titel »Faith works. Jüdisch-muslimischer Dialog über Glauben als Beruf« zudem über einen Livestream auf Facebook und YouTube verfolgen.

Menschen müssen gerade in diesen Zeiten zusammenarbeiten.

Ran Ronen, Mitglied im Präsidium des Zentralrats der Juden und im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, betonte zur Einleitung, dass die Corona-Krise wieder einmal verdeutlicht habe, »dass Menschen unabhängig von ihrer Religion, Herkunft und Hautfarbe zusammenarbeiten müssen«, um gemeinsam und solidarisch die Gesellschaft voranzubringen.

Mit dem in der Corona-Pandemie vorerst digital stattfindenden religionsübergreifenden Dialogformat »Schalom Aleikum«, das von der Staatsministerin und Bundesintegrationsbeauftragten Annette Widmann-Mauz (CDU) unterstützt wird, sollen Menschen verschiedener Herkunft durch einen offenen Austausch zusammengebracht und somit auch antisemitischen und antimuslimischen Ressentiments entgegengewirkt werden.

Identität »Der Glaube gehört zu meiner Identität«, sagte die Islam-Theologin Zeitun auf die Frage, welche Rolle die Religion in ihrem Alltag einnimmt. »Für mich ist es etwas sehr Positives, dass es zu meinen täglichen Aufgaben gehört, über meinen Glauben und Religion allgemein sprechen zu können.« Zeitun ist Tochter eines Imams und hat islamische Theologie in Osnabrück studiert. Derzeit arbeitet sie für eine katholische Bildungseinrichtung und den von ihr gegründeten muslimischen Jugendverein »Mujos«.

In ihrer Arbeit als Streetworkerin engagiert sich Zeitun gegen die Radikalisierung von Jugendlichen. Mit ihren Jugendgruppen besuche sie regelmäßig Synagogen und jüdische Kultureinrichtungen. »Dabei arbeite ich auch eng und gut mit der Jüdischen Gemeinde in Osnabrück zusammen«, erzählte die Theologin. »Der Dialog miteinander schafft den notwendigen Raum zum Kennenlernen.«

Rebbetzin Afanasev konnte dem nur zustimmen. »Es muss eine Selbstverständlichkeit werden, dass wir uns trotz aller Unterschiede miteinander austauschen«, sagte Afanasev, die sich in der Kahal-Adass-Jisroel-Gemeinde in Berlin engagiert. Ihr eigener Glaube helfe ihr dabei, auf andere zuzugehen, wie sie erzählte. »Ich glaube, je selbstbewusster man mit der eigenen religiösen Überzeugung umgeht, desto besser kann man auch in den interreligiösen Dialog treten.«

Austausch An diesem Punkt hakte Moderatorin Visse nach. Wie die Diskussionsteilnehmer den Austausch mit anderen Menschen wahrnehmen, wenn diese sie als Repräsentanten ihrer jeweiligen Gemeinden wahrnehmen, wollte sie von den vier Teilnehmern wissen.

»Eine religiöse Gemeinde erfüllt keinen Selbstzweck, sondern existiert um Gottes Willen«, antwortete der gebürtig aus Norwegen stammende Aasvestad. »Als Rabbiner, Imame, Priester und Gemeindemitarbeiter haben wir alle gemeinsam, diesen Zweck auch als Repräsentanten unserer Gemeinden zu erfüllen.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Für Meho Travljanin bedeutet das Engagement in seiner Gemeinde auch, über drängende Probleme zu sprechen. »Wir müssen sowohl innerhalb der Gemeinden als auch mit Vertretern anderer Religionen über die Herausforderungen sprechen, die wir grundsätzlich als religiöse Menschen in der Gesellschaft haben«, meinte der Vorsitzende des Kulturzentrums der Bosniaken in Berlin.

Dazu zählt für ihn der kritische Diskurs über die mediale Darstellung von Religionsgemeinschaften. »Viele Jugendliche kommen zu mir und sagen, dass sie sich öffentlich lieber nicht zu ihrem Glauben und zu ihrer Gemeinde bekennen wollen«, sagte Travljanin. Zu groß sei die Furcht vor Stigmatisierung.

Keine Angst vor Verschiedenheit zu haben, ist der Schlüssel zum Dialog.

Travljanin kam Anfang der 90er-Jahre mit seiner Familie als Flüchtling aus Bosnien nach Berlin und arbeitet neben seiner Gemeindetätigkeit als Controller in einer Immobilienfirma. »Leider ist Islamophobie ebenso wie Antisemitismus ein Problem, das unsere ganze Gesellschaft betrifft«, sagte er. Um Diskriminierung entgegenzuwirken, sei die offene Debatte entscheidend.

Selbstverständnis »Wir müssen in Berlin und Deutschland ein Selbstverständnis dafür schaffen, dass der Glaube sichtbar gelebt werden kann.« Das wünschte sich auch Rabbiner Aasvestad. »Der Schlüssel zum Dialog liegt darin, keine Angst vor Verschiedenheit zu haben«, sagte er.

Diese Angst vor dem vermeintlich anderen sei auch in einer multikulturellen Metropole wie Berlin immer noch viel zu oft präsent. Der Angst Aufklärung und Begegnung entgegenzusetzen, hält der Rabbiner für eine der zentralen Aufgabe religiöser Führungspersönlichkeiten.

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  15.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Berlin

Margot Friedländer Preis wird verliehen

Die mit insgesamt 25.000 Euro dotierte Auszeichnung gehe an Personen, die sich für Toleranz, Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie einsetzen

 15.09.2025

München

»In unserer Verantwortung«

Als Rachel Salamander den Verfall der Synagoge Reichenbachstraße sah, musste sie etwas unternehmen. Sie gründete einen Verein, das Haus wurde saniert, am 15. September ist nun die Eröffnung. Ein Gespräch über einen Lebenstraum, Farbenspiele und Denkmalschutz

von Katrin Richter  14.09.2025

Hamburg

»An einem Ort getrennt vereint«

In der Hansestadt soll die Bornplatzsynagoge, die in der Pogromnacht von den Nazis verwüstet wurde, wiederaufgebaut werden. Ein Gespräch mit dem Stiftungsvorsitzenden Daniel Sheffer über Architektur, Bürokratie und Räume für traditionelles und liberales Judentum

von Edgar S. Hasse  13.09.2025

Meinung

»Als Jude bin ich lieber im Krieg in der Ukraine als im Frieden in Berlin«

Andreas Tölke verbringt viel Zeit in Kyjiw und Odessa – wo man den Davidstern offen tragen kann und jüdisches Leben zum Alltag gehört. Hier schreibt er, warum Deutschland ihm fremd geworden ist

von Andreas Tölke  13.09.2025

Porträt der Woche

Das Geheimnis

Susanne Hanshold war Werbetexterin, Flugbegleiterin und denkt über Alija nach

von Gerhard Haase-Hindenberg  13.09.2025