Erfurt

Auszug aus der Ukraine

Premiere für beide: Rabbiner Konstantin Pal und Batmizwa Rebekka Kurzbach Foto: Esther Goldberg

An ihrer Rede für die Batmizwa-Feier hat die Zwölfjährige lange gefeilt. Ihre Parascha handelt vom Auszug aus Ägypten. Wie aber sollte sie den Auszug Moses und ihr eigenes Leben thematisch miteinander verknüpfen? »Das war gar nicht so schwer. Mama ist aus der Ukraine ausgezogen.

Weil Oma die ganze Familie hierher nach Deutschland bringen wollte«, sagt Rebekka Kurzbach. Mutter und Großmutter haben ihr erzählt, dass es nicht einfach war, in der Heimat der Mutter, in der Ukraine, als Jüdin zu leben. Also hat Rebekka zu ihrer Feier über den Auszug aus Ägypten und den Umzug nach Deutschland gesprochen.

Beide Ereignisse sind für die Heranwachsende gleichermaßen historisch. Sie selbst ist zwar schon in Deutschland geboren, in Erfurt, und gehört der Jüdischen Landesgemeinde an, geht in die Synagoge und trifft dort auch einige wenige Gleichaltrige. Das ist für sie ganz normal.

besonderheit Für die Landesgemeinde Thüringen ist eine Batmizwa hingegen immer noch etwas ganz Besonderes. Obwohl Landesrabbiner Konstantin Pal mittlerweile seit drei Jahren in Thüringen arbeitet, ist Rebekkas Feier seine erste Batmizwa als ordinierter Rabbiner. Die Gemeinde gehört zu den kleineren Kehillot, gut 800 Mitglieder hat sie in ganz Thüringen. Seit 1989, dem Wendejahr, hat hier nur eine Handvoll Mädchen ihre Batmizwa-Feier erlebt, und kein Dutzend Jungen wurde Barmizwa. Die nächsten beiden werden erst 2015 erstmals vor der Gemeinde aus der Tora lesen.

»Ich hätte gern auch daraus gelesen«, sagt Rebekka Kurzbach. Doch in Thüringen ist das derzeit noch nicht möglich. So viel Liberalität muss erst noch wachsen. Wenigstens aber wurde Rebekka zur Bima gerufen.

Spätestens seit September hatte sich die Zwölfjährige auf ihre Feier gefreut. Damals waren sie und ihre Eltern Gäste einer Hochzeit in Israel – zusammen mit 380 anderen Menschen. Das war auch für die Heranwachsende ein tolles Gefühl. Plötzlich machte es für sie richtig Sinn, Hebräisch zu lernen. Nicht nur, weil Sprachen dem Mädchen ohnehin liegen. Derzeit lernt sie am knapp 40 Kilometer von Erfurt entfernten Sprachgymnasium in Schnepfenthal Englisch, Latein und Chinesisch.

Sprachen Russisch hat sie bereits als Säugling gehört. Das spricht sie ebenso akzentfrei wie Deutsch. Nach der Batmizwa-Feier und dem Kiddusch gab es für Rebekka und ihre Gäste eine Stadtführung durch das jüdische Erfurt des Mittelalters. Denn sie hatte Freunde und Verwandte aus anderen deutschen Städten, aus Israel und Dänemark eingeladen, denen sie die jüdische Geschichte und das jüdische Erbe ihrer Heimatstadt zeigen wollte.

Am Abend aber, als der Schabbat und die Feier vorbei waren, war Rebbeka auf einer ganz anderen Bühne zu sehen – im Theater. Das Mädchen singt im Philharmonischen Chor der Erfurter Oper und spielte bei Hänsel und Gretel einen Engel und ein Lebkuchenkind. Zwei Tage später stand sie für Carmen auf der Bühne – diesmal als Straßenkind.

Irgendwie passten ihre Batmizwa-Rede und ihr ganz alltägliches Leben eben doch recht gut zusammen. Mutter Inna Kurzbach kann jetzt durchatmen. Sie hatte in der Ukraine noch nie eine Batmizwa-Feier erlebt und war vor dem Fest für ihre eigene Tochter entsprechend aufgeregt. Der Spruch, wonach es die Kinder einmal besser haben sollen, erfüllt sich für die Mutter an diesem Tag. Wenigstens ein ganz kleines bisschen.

Trauer

Mit gebrochenem Herzen

Die Israelitische Kultusgemeinde nahm Abschied von Rebbetzin Shoshana Brodman sel. A., die Anfang November nach langer Krankheit starb

von Esther Martel  02.12.2025

Kulturtage

»Weitermachen ist die einzige Chance«

»Jüdisches Leben in Deutschland – Heute und Morgen«: Ein Podium stellte die Frage nach gesellschaftlichen Dynamiken und Konsequenzen nach dem 7. Oktober

von Esther Martel  02.12.2025

Planegg

Historische Sensation

Eine Ausstellung erzählt vom Schicksal Jakob Hirschs, der 1818 als erster Jude in Bayern geadelt wurde

von Ellen Presser  02.12.2025

Köln

Bekenntnis zum Leben

Der WIZO-Ball sammelte Spenden für traumatisierte israelische Kinder

von Ulrike Gräfin Hoensbroech  02.12.2025

Interview

»Die Altersarmut bleibt«

Aron Schuster über das Ende des Härtefallfonds, Einmalzahlungen und Gerechtigkeit für jüdische Rentner

von Mascha Malburg  02.12.2025

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin-Charlottenburg

Verborgene Schätze im Innenhof

Gemeindemitglied Joachim Jacobs führt durch den wohl jüdischsten Bezirk der Hauptstadt

von Sören Kittel  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025