Premiere

Auf der Suche nach der Wahrheit

Ernster Stoff: Szene aus der Aufführung von »Die Befristeten« Foto: Marina Maisel

»Warum habt ihr keine Angst? – Wir wissen wann. – Seit wann wisst ihr wann? – Seit wir denken können.« Diesen Dialog führen weiß gekleidete Figuren einer fiktiven Gesellschaft mit einem riesigen Schattenriss im Hintergrund. Im Hubert-BurdaSaal des Gemeindezentrums hatte das spannende, mystische Drama Die Befristeten von Elias Canetti Premiere, gespielt von der Theatergruppe Lo-Minor.

Sie heißen Zehn oder Siebzig, Sechsundvierzig oder Zweiunddreißig. Die Namen geben an, wie lange der jeweilige Mensch leben wird und wie groß sein Wert ist. Jeder trägt eine Kapsel mit sich, in der sein Todestag steht. So kennt jeder seine Frist, die ihm bis zu seinem Lebensende bleibt. Todesangst gibt es nicht. Doch keiner darf die Kapseln öffnen und das Datum sehen. Dies ist allein dem Kapselan, Oberster des Staates, vorbehalten.

Revolution Eine der Hauptfiguren, die den Namen Fünfzig trägt und von Maxim Kipot gespielt wird, denkt anders, zweifelt die Ideologie der fiktiven Gesellschaft an und kämpft gegen den Dogmatismus. Er rebelliert gegen das System und löst eine Revolution in der Kapsel-Gesellschaft aus. Er glaubt, dass er die Welt retten kann. Seinen Wunsch, etwas zu verändern, hat er aus guten Gründen. Doch er übersieht, dass er mit allen seinen guten Taten das Leben der anderen Menschen verändert.

Seit acht Jahren gibt es die IKG-Theatergruppe Lo-Minor unter der Leitung der Theaterpädagogin Anastasija Komerloh nun schon. Mehrere Stücke wurden in dieser Zeit geprobt und mit Erfolg aufgeführt. »Es war ein Wunsch und eine Bitte der älteren Gruppe«, erzählt Komerloh, »ein ernstes Stück zu inszenieren«.

Auf einem Theaterfestival in München lernte Komerloh das Stück Die Befristeten kennen. Sie wusste sofort, dass sie das Stück mit der eigenen Theatergruppe anders angehen würde. Komerloh verschob die Akzente und fand in dem Stück viele Themen. Eines davon formuliert sie so: »Auf der Suche nach Wahrheit werden wir weiser. Jedoch die größte Weisheit ist es, diese Wahrheit für sich zu behalten.«

Prophezeiungen In Komerlohs Inszenierung stehen zwei Verhaltensmodelle im Fokus. Einmal die menschliche und andauernde Angst vor der Ungewissheit. Und daneben die unbewusste Ablehnung von Gewissheiten, die einen enttäuschen und die man nicht mag. Menschen akzeptieren Prophezeiungen nur dann, wenn sie positiv sind.

Das hoch philosophische Stück zu spielen, war alles andere als eine leichte Aufgabe für die Schauspieler. Um die Themen und Ideen zu bearbeiten, benötigte die Gruppe ein ganzes Jahr. Sie trafen sich, diskutierten, stellten Fragen, besprachen die Konflikte in Elias Canettis Stück. In diesem kreativen und schöpferischen Prozess wurde sein Drama den Schauspielern allmählich vertraut.

Als einen Glücksfall bezeichnet Komerloh die Zusammenarbeit mit dem Musiker Johann Lamm, der die Musik zum Stück selbst komponiert und die Aufführung live begleitet hat. »Er hat mit dem Stück gelebt, es bewegt und geführt«, betont die Theaterleiterin. Wie immer war auch das Team des Jugendzentrums aktiv. Das Bühnenbild entwarf die Kunstpädagogin Svetlana Durkova, gemanagt hat das ganze Projekt Galina Ivanizky. Die Kostüme mit den eindrucksvollen zusätzlichen Details, durch die die schöpferischen Anfänge symbolisiert werden sollten, nähte die Familie der Theaterleiterin.

Die Regisseurin Komerloh lässt in der Inszenierung viele Fragen bewusst offen. Für sie sind die innere Freiheit und die individuelle Verantwortung des Menschen unverzichtbar – für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft.

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