Köln

Antisemitismusvorwurf kostet Job

Ex-Projektleiter Sven Schütte (l.) und Oberbürgermeister Jürgen Roters Foto: Alexander Stein (1), dpa

Der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) hat den Projektleiter der Archäologischen Zone/Jüdisches Museum, Sven Schütte, seines Amtes enthoben und ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Anlass ist ein Artikel in der englischsprachigen Online-Ausgabe der israelischen Zeitung Haaretz, in dem Schütte Gegnern der Ausgrabung »latenten Antisemitismus« vorwirft. Diese wollten lieber einen attraktiven Platz vor dem historischen Rathaus anstelle eines Jüdischen Museums, habe Schütte gesagt.

Die Gegner des Projektes, die man unter anderem im Stadtrat und in einer Bürgerinitiative findet, begründen ihre Kritik wiederum mit dem desolaten Haushalt der Stadt. Schütte wies die Zitate von Haaretz laut einer Pressemitteilung als unzureichend zurück, sie seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.

Drohbriefe Verifiziert sind indes die von ihm in der Zeitung beschriebenen Sabotageversuche an der Kölner Baustelle. Der städtische Pressesprecher Gregor Timmer bestätigte der Jüdischen Allgemeinen, dass immer wieder verdächtige Gegenstände auf das Gelände geworfen worden seien. »Bei einem Koffer war es zunächst unklar, ob er möglicherweise Sprengstoff enthält.« Überdies habe es eine »Hakenkreuz-Schmiererei« gegeben. Schütte hat zudem immer wieder Drohbriefe erhalten. Über die Täter äußerte sich dieser in der Haaretz differenziert: »Sie sind keine Neonazis, nur törichte Menschen, die Geschichte nicht begreifen.«

Dabei reagiert Schütte durchaus sensibel auf judenfeindliche Tendenzen. Wie er der Jüdischen Allgemeinen im Sommer 2012 berichtete, hatte er vormals versucht, einen Motivwagen im Kölner Rosenmontagszug zu verhindern, an dem sich sonst kaum jemand zu stören schien: In Bezug auf die hohen Kosten des Projekts »Archäologische Zone/Jüdisches Museum« quetschte dort laut Schütte ein Geist »das Letzte aus Mutter Colonia« heraus. Die Anspielung auf historische Parolen wie: »Die Juden pressen das Geld aus der Stadt Köln« sei unübersehbar, argumentierte Schütte.

Der Erinnerung wert ist auch sein Verständnis von einer angemessenen Präsentation der jüdischen Stadthistorie: »Das wird kein Geschichts-Ghetto, wo man die Juden ins Museum stellt, und dann ist man sie los. Wir zeigen die Interaktion zum Rest der Welt und dass es jüdische Kölner von Anfang an gibt.«

Disziplinarverfahren Der Projektleiter hat jetzt vier Wochen Zeit, auf die von der Stadt erhobenen Vorwürfe zu reagieren. Zum Inhalt des Disziplinarverfahrens schweigt die Stadt. Es sei ein internes Verfahren. Das Verhältnis zum jetzt abberufenen Grabungsleiter war schon lange angespannt – eine Versetzung Schüttes hielten viele Kritiker für überfällig. So seien die in Haaretz zitierten Äußerungen auch »nur der letzte Tropfen« gewesen, erklärt Pressesprecher Timmer.

Die kommissarische Leitung der geschichtsträchtigen Baustelle übernimmt Marcus Trier, der Direktor des römisch-germanischen Museums. Das Projekt »Jüdisches Museum« sei durch den Personalwechsel nicht gefährdet, betont Timmer. Allerdings ziehen sich die Streitigkeiten um die Archäologische Zone und das korrespondierende Jüdische Museum bereits seit Jahrzehnten hin.

Meinung

Entfremdete Heimat

Die antisemitischen Zwischenfälle auf deutschen Straßen sind alarmierend. Das hat auch mit der oftmals dämonisierenden Berichterstattung über Israels Krieg gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas zu tun

von Philipp Peyman Engel  16.10.2025

Erinnerung

Gedenken an erste Deportationen aus Berlin am »Gleis 17«

Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, warnte mit Blick auf das Erstarken der AfD und wachsenden Antisemitismus vor einer brüchigen Erinnerungskultur

 16.10.2025

Bonn

Hunderte Menschen besuchen Laubhüttenfest

Der Vorsitzende der Synagogen-Gemeinde in Bonn, Jakov Barasch, forderte mehr Solidarität. Seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hätten sich hierzulande immer mehr Jüdinnen und Juden aus Angst vor Übergriffen ins Private zurückgezogen

 13.10.2025

Hamburg

Stark und sichtbar

Der Siegerentwurf für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge steht fest

von Heike Linde-Lembke  09.10.2025

München

Mut in schwieriger Zeit

Der Schriftsteller und Historiker Rafael Seligmann stellte im Gespräch mit Christian Ude sein neues Buch im Jüdischen Gemeindezentrum vor

von Nora Niemann  09.10.2025

Halle

Erinnerung an Synagogen-Anschlag vor sechs Jahren

Am 9. Oktober 2019 hatte ein Rechtsterrorist versucht, in die Synagoge einzudringen, scheiterte aber an der Tür. Bei seiner anschließenden Flucht tötete er zwei Menschen

 09.10.2025

Daniel Donskoy

»Ich liebe das Feuer«

Der Schauspieler hat mit »Brennen« einen Roman über die Suche nach Freiheit und Freundschaft geschrieben. Ein Interview

von Katrin Richter  09.10.2025

Nachruf

Lev tov, ein gutes Herz

Der ehemalige Berliner Gemeinderabbiner Chaim Rozwaski ist verstorben

 09.10.2025

WIZO

Party und Patenschaften

Die diesjährige Gala der Frauen-Organisation in Frankfurt übertraf alle Erwartungen

von Laura Vollmers  06.10.2025