Berlin

Alles Russen oder was?

Dmitrij Belkin Foto: Kevin Mertens

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin, die größte des Landes, hat ihre Repräsentanz gewählt. Es gab zwei Parteien. Die eine, regierende, hat mehr Stimmen bekommen. Die Konkurrenz hat gut abgeschnitten. Die Briefwahl war – traditionell in dieser Gemeinde – umstritten. Die Presse hat darüber intensiv berichtet. Sie konzentrierte sich dabei vor allem auf ein Motiv: »die Russen«. Das sei, so die Medien, die herrschende Partei.

Sie regiere mit »stalinistischen« und »putinistischen« Methoden. Die »russischen Zuwanderer« würden bei dieser Wahl einander bekämpfen. In der Berliner Gemeinde würden »sowjetische Verhältnisse« herrschen. Die westdeutschen Gemeinden, wie die Frankfurter, seien geradezu Oasen im Vergleich zum Berliner Sowjet-Chaos.

bärendienst Welche »Verhältnisse«, fragt man sich, sollen denn nach dieser Logik in Berlin herrschen? Das Reduzieren der Handlungsweisen der Akteure auf ihre Herkunft ist eindeutig rechts. Wissen die oftmals sich als links verstehenden Kritiker eigentlich, was sie da von sich geben?

Nicht über »Stalinisten« oder »Putinisten« hätte man vor der Wahl schreiben sollen, sondern über gute, schlechte, katastrophale, tolle, (un)fähige Repräsentanten des Gemeindelebens. Doch es war nur von »den Russen« zu lesen! Das erwies auch denjenigen einen Bärendienst, denen es helfen sollte, nämlich der Opposition. Die waren plötzlich nur »etwas modernere Russen«, mehr nicht.

pluralität Das ist schlicht lächerlich: Ältere und jüngere, begabte und weniger begabte, aufrechte und intrigante, eloquente und stotternde Kandidaten auf beiden Seiten sind vor allem eines: Berliner! Mit ihren unterschiedlichsten Einwandererbiografien, die zu schätzen sind. Was jüdisches Berlin heute ist, wird jüdisches Deutschland morgen sein: nicht ein Sammelsurium zerstrittener Akteure, sondern eine plurale, auch konfliktträchtige, jüdische Gemeinschaft.

Und, sollte hier ein sowjetischer Vergleich tatsächlich erlaubt sein: Herrscht im jüdischen Berlin die Aufbruchsstimmung der Perestroika, ist im jüdischen Frankfurt immer noch die leicht eingefrorene Breschnew-Zeit zu erleben. Beide Epochen haben ihre Vor- und Nachteile. Das vielfältige jüdische Leben sollten wir zusammen entwickeln – nicht triviale Vorurteile hegen!

Der Autor ist Referent bei ELES in Berlin.

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Karoline Preisler  08.11.2025 Aktualisiert

Reaktionen

Zohran Mamdanis Sieg spaltet die jüdische Gemeinschaft

Während ein Drittel der New Yorker Juden den neuen Bürgermeister gewählt hat, haben andere Angst, dass dessen Antizionismus ihre Sicherheit gefährdet

 06.11.2025

Hamburg

Viel mehr als Klezmer

In der Hansestadt haben die zweiten Jüdischen Kulturtage begonnen. Bis Mitte Dezember erwartet die Besucher ein breit gefächertes Programm – inklusive einer jiddisch-hebräischen Oper

von Heike Linde-Lembke  06.11.2025

Düsseldorf

»Eine Stimme, wo andere schwiegen«

Die Gemeinde zeichnet Wolfgang Rolshoven mit der Josef-Neuberger-Medaille aus

von Stefan Laurin  06.11.2025

Berlin

Andacht für Margot Friedländer: »Du lebst weiter«

Sie war Holocaustüberlebende, Berliner Ehrenbürgerin und eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Gestern wäre Margot Friedländer 104 Jahre alt geworden. An ihrem Grab erinnern Freunde und Bekannte an sie

von Andreas Heimann  06.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Berlin

Davidstern-Gemälde an East Side Gallery beschmiert

Der Tatverdächtige konnte gefasst werden. Bei der Begehung seines Wohnhauses fand die Polizei mehrere Hakenkreuze

 05.11.2025