Es ist kein leichtes Jahr, um in Chanukka-Stimmung zu kommen. Nach den schrecklichen Nachrichten aus Sydney zünden wir die Lichter mit schweren Herzen – begleitet von zusätzlicher Sorge um die Sicherheit unserer eigenen Gemeinschaften.
Chanukka wird im Talmud als Tage von »Hallel v’Hoda’a« beschrieben, Tage des Lobes und des Dankes gegenüber Haschem. Auch wenn diese Begriffe auf den ersten Blick wie Synonyme erscheinen mögen, unterscheiden klassische jüdische Werke klar zwischen ihnen. Während Hallel einen Zustand der Ekstase und der Verbundenheit mit G’tt beschreibt, in dem es keinen Platz für das Böse gibt, bedeutet Hoda’a die Fähigkeit, rückblickend das Gesamtbild zu erkennen. Das Wort Hoda’a, das gewöhnlich mit »Dank« übersetzt wird, kann auch »eingestehen« oder »anerkennen« bedeuten – denn Dankbarkeit ist im Kern die Fähigkeit, den Beitrag eines anderen anzuerkennen.
Warum danken wir G’tt für den Krieg?
Das Element der Hoda’a wird im Gebet »Al HaNissim« verwirklicht, das an Chanukka sowohl im täglichen Gebet als auch im Tischgebet gesprochen wird. In diesem Text erscheint ein auf den ersten Blick befremdlicher Ausdruck: »(Wir danken Dir) für die Wunder und für die Erlösung und für die Machttaten und für die Rettungen und für die Kriege, die Du für unsere Väter vollbracht hast in jenen Tagen, zu dieser Zeit.«
Natürlich danken wir G’tt für die Wunder, für die Erlösung und all dies. Aber warum danken wir Ihm für die Kriege, für die Schlachten, die wir durchstehen mussten? Wir suchen doch keinen Kampf – wir suchen Rettung und Frieden!
Rav Yosef Shlomo Kahaneman, ein visionärer Überlebender, der nach der Zerstörung der Jeschiwa von Ponevezh in Litauen und nach seinem eigenen Überleben der Schoa diese Jeschiwa in Israel neu gründete, bot einen neuartigen Ansatz. Die Hasmonäer besiegten Antiochos IV. Epiphanes zwar militärisch, doch der Krieg war damit keineswegs beendet. Selbst unmittelbar nach den Ereignissen von Chanukka war die jüdische Souveränität kaum wiederhergestellt, und der größere, kosmische Kampf zwischen jüdischer Moral und hellenistischer Unterdrückung dauert bis zum heutigen Tag an. Die Schlacht mag geschlagen sein – der Krieg jedoch währt bis zum Ende der Zeit.
Wir danken G’tt für die Rettungen, für die Momente des Triumphs auf diesem Weg. Doch vielleicht noch wichtiger ist, dass wir G’tt dafür danken, Teil eines Volkes sein zu dürfen, das den Einsatz für Moral nie aufgegeben hat, das den Ringkampf um seine Identität fortsetzt und sich nicht jenen beugt, die ihm das Existenzrecht absprechen. Wir danken G’tt für die Kraft, die Er dem jüdischen Volk verleiht, weiterzukämpfen und den Kopf hochzuhalten – trotz des weltweiten Anstiegs von Antisemitismus und der Verachtung, die erneut salonfähig und politisch legitimiert wird.
Wir danken G’tt für die Kraft, die Er dem jüdischen Volk verleiht, weiterzukämpfen und den Kopf hochzuhalten.
Wir danken G’tt für die Fähigkeit, es besser zu wissen als jene, die uns einreden wollen, wir seien verabscheuungswürdiger Abschaum, Kolonialisten, Rassisten, Weltenlenker, Bänker, Sozialisten oder was auch immer die Gesellschaft gerade verachtet. Wir danken G’tt für die Klarheit zu verstehen, dass der Antisemit seinen eigenen Hass auf den Juden nicht begreift, ihn aber stets zu rechtfertigen versucht. Wir freuen uns in dem Wissen, dass dieser Hass in der Intoleranz des Bösen gegenüber dem Guten wurzelt – in der Ablehnung der natürlichen Welt gegenüber dem übernatürlichen Durchhaltevermögen eines kleinen, verstreuten und verfolgten Volkes, das statistisch längst hätte verschwinden müssen.
Wir lecken nicht unsere Wunden
Wir lecken nicht unsere Wunden und ziehen uns nach über 2.000 Jahren Verfolgung in die Opferrolle zurück, noch übernehmen wir die Rolle des bösen Unterdrückers, die uns unsere Feinde zuschreiben – beides wären erwartbare Reaktionen. Stattdessen finden wir die Kraft, wieder aufzustehen, im Ring zu bleiben und den Kampf fortzusetzen, ohne auf das Niveau jener herabzusinken, die uns vernichten wollen. Wir bleiben auf unsere Mission fokussiert und uns selbst treu – und dafür danken wir G’tt.
Wir danken G’tt für das Wissen, dass Er das höchste Gute ist und dass Er uns als Sein Volk erwählt hat – eine eigensinnige, unbeugsame Gemeinschaft –, Sein Wort in Herz, Verstand und Tat zu tragen und Seine Botschaft von Liebe, Güte, Moral und Gerechtigkeit an alle weiterzugeben, die bereit sind zuzuhören.
Und natürlich danken wir G’tt dafür, dass Er uns einen Blick auf das Ende der Geschichte gewährt hat. Die Rettungen auf dem Weg sind nur eine Vorschau auf das, was noch kommen wird.
Vielleicht sollten wir uns an diesem Chanukka etwas stärker auf diese Zeile konzentrieren: »Al HaMilchamot – für die Kriege«. Das Licht von Chanukka steht nicht nur für Lob und Freude, sondern auch für Hoda’a – für die Fähigkeit, die Geschichte und den einzigartigen Kampf des jüdischen Volkes in ihr zu betrachten.
»Al HaMilchamot« – Danke, G’tt, für die Kraft, bis zum Ende im Rennen zu bleiben, bis zur freudigen Erlösung, die wir jeden Tag sehnsüchtig erwarten.
Der Autor ist Programmdirektor und Dozent am orthodoxen Rabbinerseminar zu Berlin.