Außerirdisch

Wir sind nicht allein. Oder doch?

Mensch oder Ureinwohner des extrasolaren Mondes? Szene aus dem Science-Fiction-Film »Avatar« des Regisseurs James Cameron. Foto: TCF

Die Lichtkugel schwebt sekundenlang über dem Tempelberg, blitzt kurz und mächtig auf, schnellt dann nach oben und verschwindet im nächtlichen Himmel über Jerusalem. Touristen und Anwohner beobachten das mysteriöse Spektakel, einige halten es mit Kameras fest. Seit dieser Freitagnacht, 28. Januar, sind die Videos der »Ufo-Sichtung über der Heiligen Stadt« im Internet zu sehen. Auf YouTube gibt es verschiedene Filmchen, die bereits von mehr als zwei Millionen Menschen weltweit an-
geschaut wurden.

In vielen Kommentaren und einschlägigen Foren diskutiert man nun wieder über einen möglichen Besuch Außerirdischer. Vielfach wird auf die Vorhersagen von Stanley A. Fulham verwiesen. Der im vergangenen Jahr verstorbene Offizier der Royal Canadian Air Force hatte prophezeit, dass es 2011 vermehrt Ufo-Erscheinungen geben würde, um »die menschliche Akzeptanz« des Phänomens extraterrestrischen Lebens zu erreichen.

Aliens über Har Moriah? Manche halten das Ganze für eine mächtige Spinnerei oder bewusste Täuschung. In Internetblogs wird darauf verwiesen, dass die amerikanische Weltraumbehörde Nasa und die israelische Luftwaffe das nächtliche Phänomen mit einer Gaswolke erklärt hätten.

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass unbekannte Flugobjekte an diesem Ort gesichtet wurden. Vom 16. Dezember vergangenen Jahres gibt es entsprechende Bilder, die ein fliegendes, sich schnell bewegendes Objekt über der Klagemauer zeigen. Die is-
raelische Tageszeitung Maariv zitiert Experten, die darauf verweisen, dass diese heilige Stätte durchaus ein geeigneter Ort für die Begegnung von menschlicher und außerirdischer Intelligenz sein könnte.

Bibel An dieser Stelle soll zumindest eine Frage beantwortet werden: Was sagt das Judentum dazu, gibt es Leben draußen im Universum? Gleich eins vorweg: So etwas wie R2-D2 oder E.T. gibt es in der Tora nicht. Außerirdische Wesen, wie die kleinen Helden aus den Filmen von George Lucas oder Steven Spielberg, kommen in den fünf Büchern Moses nicht vor. Dennoch gibt es offensichtlich einen Hinweis auf extraterrestrisches Leben in der hebräischen Bibel.

Im Buch der Richter (Schoftim 5,23) wird die Geschichte der Prophetin Deworah erwähnt, die Barak im Kampf gegen seinen Feind Sisra helfen will. Dort ist von ihrem Gesang und ihrer Lobpreisung G’ttes zu lesen, von sich streitenden Sternen und von Meroz, dessen Bewohner verflucht sein sollen, »da sie nicht zum Beistand des Ewigen« gekommen sind. Wer oder was ist Meroz? »Manche sagen, es war ein bedeutender Mann, und manche sagen, es war ein Stern«, heißt es dazu im Talmud (Moed Katan 16a).

Rabbi Eliyahu Pinchas von Vilna äußert in Sefer Habrit die Meinung, dass es sich um eine Zivilisation auf einem fremden Planeten handelt. Andere Meinungen besagen, dass Meroz ein Ort nahe einer biblischen jüdischen Siedlung war. Vielleicht war es auch ein Sternzeichen, das Israel im Kampf kein Glück brachte, und daher verflucht wurde.

Astronomen Der israelische Rabbiner und Publizist Zamir Cohen widmet in seinem 2005 erschienenen Buch Hamapach (Die Revolution) ein ganzes Kapitel der Frage, ob es Leben auf anderen Planeten gibt. Darin beschreibt er, dass dieses Thema in den 50er- und 60er-Jahren besonders intensiv diskutiert wurde, als die ersten bemannten Raumschiffe ins All starteten. 1960 unternahm beispielsweise der Astronom Frank Drake erste praktische Schritte, und versuchte Radiosignale von fremden Kulturen im All aufzufangen. Er äußerte damals die Vermutung, dass allein in unserem Sternensystem mehrere 10.000 Zivilisationen zu vermuten seien. Andere Wissenschaftler gingen von viel höheren Zahlen aus.

Doch verweist Cohen auch auf die Professoren Donald Brownlee und Peter Ward von der Universität Washington, die 2000 ein Buch mit dem Titel Rare Earth herausbrachten. Darin vertreten sie die Annahme, dass anhand von astronomischen und geologischen Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass die Gegebenheiten in den Weiten des Universums kein anderes Leben zulassen.

Cohen zitiert dann auch den Talmud und den Zohar, in denen mehrfach von der Existenz seltsamer Kreaturen berichtet wird, die meist unsichtbar sind, ihre Form und Erscheinung ändern, ein Zwischending zwischen Mensch und Engel. Sie werden »Schedim« genannt, was oft mit Dämonen übersetzt wird. »Ist es möglich, dass diese Schedim die Aliens unserer Tage sind?«, fragt Cohen. Der Zohar, so der Rabbiner weiter, gibt Antworten auf diese Frage. Das kabbalistische Werk berichtet von fremdem Leben, das zwischen unseren Welten existiert. Lebensformen, die wir nicht kennen. Weiterhin erklärt der Zohar, dass es sieben Sphären oder Welten gibt.

In der einen, Tevel, leben wir Menschen. Aber auch in den anderen existieren Kreaturen, einige von roter, schwarzer oder weißer Farbe, teils mit einer Lebenszeit von nicht mehr als zehn Jahren. Der Zohar erzählt auch die Geschichte von Rabbi Chiya und Rabbi Yossi, die einst auf einer Reise einen der Bewohner der fremden Sphäre oder Welt Arka trafen. Auch wird der Zusammenhang mit der Torastelle im 1. Buch Moses (4,14) hergestellt, in der es heißt, dass Kain von dieser Erde verbannt wurde. Laut Zohar wurde er von den Bewohnern Arkas aufgenommen.

Rabbiner Einer der Ersten, der die Alien-Frage diskutierte, war ein jüdischer Philosoph des 14. Jahrhunderts, Rabbiner Chasdai Crescas. Er war der Auffassung, dass nichts in der jüdischen Lehre die Existenz außerirdischen Lebens ausschließt. Er verwies unter anderem darauf, dass es im Talmud heißt, G’tt »schwebt umher durch die 18.000 Welten« (Avoda Zara 3b). Und wenn also G’tt in diesen Welten gegenwärtig ist, so Crescas, könne auch angenommen werden, dass sie bewohnt sind.

Im 15. Jahrhundert verfasste Rabbi Yosef Albo die Ikkarim. Er meint: Wenn es heißt, dass das Universum ausschließlich für den Menschen geschaffen wurde, kann es keine andere Kreatur mit freiem Willen geben. Wenn also – angenommen, es gebe sie – außerirdische Lebewesen existieren würden, hätten sie keinen freien Willen, aber auch keine Möglichkeit, dem Menschen zu dienen. Sie hätten also keine sinnvolle Existenz.

Ein Jerusalemer Kabbalist des 20. Jahrhunderts, Rabbi Mordechai Sharabi, wurde einst gefragt, ob es fremdes Leben auf dem Mond gebe. Er antwortete mit einem Verweis auf die Schöpfungsgeschichte, in der davon berichtet wird, dass G’tt Himmel und Erde schuf, und eben nur auf der Erde die Pflanzen, Tiere und Menschen. Also sei daraus zu folgern, dass weder auf dem Erdtrabanten noch anderswo im Universum eine fremde Zivilisation zu finden ist.

Wissenschaftler Velvl Green ist ein amerikanischer Biologe. Er lebt als emeritierter Professor der Ben-Gurion-Universität heute mit seiner Familie in Beer Schewa/Israel. In den 60er-Jahren war Green Mitarbeiter eines Nasa-Projektes zur Erforschung des Lebens auf dem Mars.

Der Wissenschaftler kommt, wie er im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen erzählt, »aus einem sehr nichtreligiösen Hintergrund«. Als er damals von orthodoxen Juden darauf angesprochen wurde, dass seine Forschung nicht der jüdischen Denkweise entsprechen würde, wollte er es genau wissen. »Das war Mitte der 60er-Jahre in New York. Ich suchte den Lubawitscher Rebben auf und fragte ihn.«

Bei einem privaten Treffen, einer Jechidut, erhielt er von Rabbiner Menachem Mendel Schneerson eine erstaunliche Antwort. »Er sagte mir nicht nur, dass es richtig wäre, auf dem Mars nach außerirdischem Leben zu suchen, sondern auch sonstwo im Universum. Schließlich seien G’tt und Seine Schaffenskraft unendlich und unbegrenzt.«

Doch wenn es außerirdisches Leben gebe, schlussfolgerte der Rebbe, sei es nicht mit der menschlichen Existenz zu vergleichen. Die zeichne sich dadurch aus, einen freien Willen zu haben. Nur ihr sei von G’tt die Fähigkeit gegeben, zwischen Gut und Böse, weltlich und heilig, Sünde und Mizwa zu unterscheiden.

Austausch Dem Treffen schlossen sich weitere an, es entwickelte sich eine intensive Korrespondenz. »Ich sandte ihm verschiedenste Nasa-Berichte. Das Überraschende war, dass der Rebbe alle las und jedes Detail unserer Experimente verstand. Noch überraschender war, dass er mich sogar einmal auf Widersprüche in den Berichten hinwies.«

Bei einem anderen Gespräch, erzählt Green, habe der Lubawitscher Rebbe seinen besonderen Humor unter Beweis ge-
stellt. »Er wandte sich an mich, hob den Finger und lächelte: ›Dr. Green, wir haben ein Problem. Wenn es außeridisches Leben gibt, sind es Menschen. Wenn es Menschen auf fremden Planeten gibt, sind auch Juden darunter. Und wenn es dort Juden gibt, müssen wir Schluchim dorthin entsenden‹.«

Über 34 Jahre habe es einen regen Austausch gegeben, sagt Velvl Green. Durch die zahlreichen Begegnungen ist aus ihm ein gläubiger Jude geworden.

Skepsis Die Bilder von den »Ufos« über Jerusalem hat er gesehen. »Ich halte davon gar nichts«, sagt Green. »Da hat sich vielleicht jemand einen Scherz erlaubt und mit Lasern manipuliert.« Über die dadurch wieder ausgelöste Diskussion meint er: »Alle, die über außeridisches Leben reden, verstehen nichts davon. Und die, die etwas davon verstehen, reden nicht darüber.«

Zu den Ergebnissen seiner Forschungsarbeit sagt Green abschließend:»Wir haben kein Leben gefunden. Als Biologe glaube ich nicht, dass da draußen intelligente Kreaturen existieren. Vielleicht ist es aber auch nur für meinen Geist schwer, sich das vorzustellen.«

Dazu passt das, was der amerikanische Rabbiner und Bestsellerautor Aryeh Kaplan in einem Essay »Extraterrestrial life« schrieb. Jüdische Denker seien stets davon überzeugt gewesen, dass die seltsamsten und wunderschönsten Kreaturen hier auf Erden zu finden sind. Wir können die entlegensten Ecken des Weltraums erkunden, so Kaplan, doch eines sei sicher: »Die wahren Geheimnisse des Universums liegen verborgen in den Tiefen der menschlichen Seele.«

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