Talmudisches

Werbung für Gott

Die Werbung für Gott hat alle Menschen im Blick. Foto: iStock

Im Schma Jisrael, das Juden morgens und abends rezitieren, erinnern sich die Beter an das Gebot der Liebe zu Gott: »Und du sollst lieben den Ewigen, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Vermögen« (5. Buch Mose 6,5).

Was bedeutet es, Gott zu lieben? Die geläufige Antwort lautet: Man soll die Tora sorgfältig studieren und ihre Mizwot stets mit Liebe erfüllen.

Weniger bekannt ist eine andere Antwort, die wir in einer Barajta (Joma 86a) finden: »Es wurde gelehrt: Und du sollst lieben den Ewigen, deinen Gott – der Name des Himmels soll durch dich beliebt werden.

Wenn jemand die Schrift liest, das Gesetz studiert und Umgang mit Gelehrten pflegt und im Verkehr mit Menschen höflich ist, was sprechen die Leute über ihn? Wohl ihm, der die Tora gelernt hat, wohl seinem Vater, der ihn die Tora lehrte, wohl seinem Lehrer, der ihn die Tora lehrte. Dieser Mann hat Tora gelernt. Seht doch, wie schön sein Wandel, wie rechtschaffen sein Verhalten! Über ihn sagt die Schrift: ›Und Er (Gott) sprach zu mir: Mein Diener bist du, Israel, auf den Ich stolz bin‹ (Jeschajahu 49,3).«

Barajta Die Barajta lehrt, dass das Gebot der Gottesliebe auch die Werbung für Gott und die Tora enthält. Wir erfahren, wie diese Werbung betrieben werden soll, nämlich durch vorbildliches Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich.

Um ihre Lehre zu verdeutlichen, zeichnet die Barajta auch ein Gegenbild: »Wenn jemand aber die Schrift liest, das Gesetz studiert und Umgang mit Gelehrten pflegt, im Handel jedoch nicht gewissenhaft und im Umgang mit Menschen nicht höflich ist, was sprechen die Leute über ihn? Wehe diesem, der Tora gelernt hat, wehe seinem Vater, der ihn Tora lehrte, wehe seinem Lehrer, der ihn Tora lehrte. Dieser Mann hat Tora gelernt – seht doch, wie verderbt sein Verhalten und wie hässlich sein Wandel ist! Über ihn sagt die Schrift: ›Und unter den Völkern, wohin sie kamen, entweihten sie Meinen heiligen Namen, indem man von ihnen sprach: Das ist das Volk des Ewigen, und doch musste es aus seinem Lande fort‹ (Jeheskel 36,20).« Gewarnt wird hier vor einem Verhalten, das zu einer Entweihung des göttlichen Namens (hebräisch: Chillul HaSchem) führt.

Im Midrasch Sifrej (zu 5. Buch Mose 6,5) wird das Gebot der Gottesliebe ebenfalls so gedeutet, dass man Gott bei allen Menschen beliebt machen soll – so wie Stammvater Awraham Zeitgenossen zum Glauben bekehrt hat.

In seinem Sefer Hamizwot erklärt Maimonides, dass das Gebot der Gottesliebe zwei Dimensionen hat. Wer Gott wirklich liebt, der werde sich stets bemühen, andere Menschen von der Richtigkeit seines Glaubens zu überzeugen und sie vom modischen Götzendienst abzubringen.

Sünde Jeder jüdische Mensch ist also verpflichtet, durch seine Lebensführung für Gott und die Tora einzustehen. Wer aus Liebe zu Gott eine der vielen Mizwot ausübt oder irgendeine Sünde nicht begeht, der erfüllt durch sein Tun und Lassen das Gebot der Heiligung des göttlichen Namens (Maimonides, Hilchot Jessode HaTora 5,10). Die Gebote der Gottesliebe und der Heiligung des göttlichen Namens (hebräisch: Kiddusch HaSchem) ergänzen einander.

Die Werbung für Gott hat alle Menschen im Blick. Weil die Eigenart von Israels Mission nicht immer richtig verstanden wird, sei hier die Erklärung des angesehenen Dezisors Rabbiner Jakob Jechiel Weinberg zitiert: »Die Geschichte Israels bestätigt, dass wir nie den Wunsch hegten, andere Völker zu bekehren oder ihnen unsere Religion aufzuzwingen. Dem Judentum lag nie daran, Nichtjuden zu Juden zu machen. (...) Uns lag lediglich daran, dass unsere Gedanken über Gott, Welt und Mensch von der übrigen Menschheit verstanden werden. Die Verbreitung von Ideen der Moral und Sittlichkeit, der Wahrheit den Weg zu bahnen, war und bleibt das Ziel unserer nationalen Ambitionen.«

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025

Trauer

Eine Brücke zwischen den Welten

Wenn ein Jude stirbt, gibt es viele hilfreiche Riten. Doch auch für Nichtjuden zeigt die Halacha Wege auf

von Rabbiner Avraham Radbil  05.09.2025

Ki Teze

In Seinem Ebenbild

Was der Tanach über die gesellschaftliche Stellung von Frauen sagt

von Rabbinerin Yael Deusel  04.09.2025

Anti-Judaismus

Friedman: Kirche hat »erste globale Fake News« verbreitet

Der gebürtige Pariser warnte zudem vor weltweiten autokratischen Tendenzen und dem Verlust der Freiheit

 02.09.2025