Humor

Wenn der Rebbe lacht

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg Foto: ddp

Schon oft habe ich nach einem Schiur ein großes Lob erhalten, das in etwa so lautet: »Sie sind der lustigste Rabbiner, den ich kenne!« Mir macht dieses Lob nicht so gewaltige Freude, viel lieber wäre mir: »Sie sind der klügste Rabbiner, den ich kenne.« Oder ganz allgemein: »Sie sind der netteste Rabbiner, den ich getroffen habe.« Das eine muss ja dem anderen nicht widersprechen.

Wichtig scheint mir aber, dass für mich als Rabbiner mein jüdischer Humor nicht Selbstzweck ist, sondern ein Mittel, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf die ernsteren Teile meiner Vorträge zu lenken. Damit befinde ich mich voll und ganz in der talmudischen Tradition.

So heißt es nämlich im Traktat Pessachim 117, dass der berühmte Talmudgelehrte Rabba immer seine Vorträge mit einer humorvollen Einleitung begonnen hat, um so die Aufmerksamkeit der Schüler auf sich zu ziehen. Danach aber begann der ernste Teil des Unterrichts. Das Lachen im Judentum ist auch schon in der Tora dokumentiert. Abraham war bereits 100 Jahre alt, seine Frau Sara 90 und sie hatten gemeinsam keine Kinder. Trotzdem sagt der Ewige Abraham voraus, dass sie noch einen Sohn haben werden. Abraham lacht darüber. Als Sara später davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass sie noch einen Sohn haben würde, da lachte auch sie.

lachen Interessanterweise kritisiert G’tt Sara, weil sie lachte, Abraham hingegen wird nicht gerügt. Der Grund hierfür könnte sein, dass es verschiedene Arten des Lachens gibt, die auch verschieden bewertet werden. Das Lachen Saras wurde als spöttisch charakterisiert und daher kritisiert, das Lachen Abrahams als freudig und somit positiv. Immerhin erhielt ihr Sohn den Namen Isaak, was so viel bedeutet wie «er wird lachen« und kann daher nur positiv verstanden werden. Hier ist das Lachen in der Zukunftsform und deutet vielleicht an: »Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«

Im Talmud, Traktat Taanit 22a, finden wir eine interessante Begebenheit – Rabbi Beroka war mit dem Propheten Elijahu unterwegs. Das war schon eine große Leistung, denn Elijahu war zu diesem Zeitpunkt schon lange verstorben. Aber er ist derselbe Prophet, der am Sederabend die jüdischen Häuser besucht und dereinst das Kommen des Messias ankündigen wird. Daher wusste er, was im Himmel und auf der Erde vorgeht.

paradies Rabbi Beroka fragte den Propheten, ob er hier (sie waren auf einem Marktplatz) Menschen erkennen könne, die im Paradies sein werden. Elijahu wies auf zwei Männer. Rabbi Beroka fragte diese, welchen Beruf sie hätten. Sie antworteten, dass sie Spaßmacher seien, die traurige Menschen mit ihren Späßen aufheitern würden. Dann fügten sie hinzu, dass sie aber auch Friedensstifter seien und immer, wenn sie zwei Menschen streiten sähen, Frieden zwischen ihnen stifteten.

Und wann immer jemand traurig war, weil er glaubte, vom Ewigen benachteiligt worden zu sein und ihm »mehr« gebühren würde, als er hat, konnten die Spaßmacher mit ihren klugen Sprüchen seine Meinung ändern. Sie stellten sich in die Nähe des Traurigen, und einer von ihnen sagte dem anderen in absichtlich übertriebener Art und Weise, dass er traurig sei, weil er ungerecht behandelt werde, worauf der andere mit einem Vers aus den Sprüchen der Väter antwortete, in dem es heißt: Wer ist reich? Der sich mit dem freuen kann, was er hat!

Es ist bekannt, dass die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, ein Grundmotiv des jüdischen Humors ist. Ich bin überzeugt davon, dass dieses Lachen ein Zeichen der Offenheit und der Toleranz ist. Umgekehrt habe ich noch nie einen Fundamentalisten getroffen, der Humor gehabt oder Selbstkritik gekannt hätte. Denn ein Fundamentalist muss nicht zweifeln, weil er im Besitz der absoluten Wahrheit ist, und damit darf man nicht spaßen. Da gehöre ich lieber zu den Rabbis, die lachen können – manchmal und gerade auch über mich selbst.

Der Autor ist Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025