Kalender

Was unterscheidet diese Nacht?

Nur selten fällt der Pessachabend auf einen Schabbatausgang. Wenn dies, wie in diesem Jahr am zweiten Pessachtag, geschieht, können dadurch die Vorschriften des Schabbatendes mit der Abfolge des Seders kollidieren. Aber gerade in der Diaspora und vor allem in unseren Breitengraden bereitet die Einhaltung der entsprechenden Riten Schwierigkeiten. Die Einführung der Sommerzeit hat die gesetzestreue Einhaltung der Vorschriften zusätzlich kompliziert gemacht.

Wenn wir uns an diese Zeiten genau halten, dann wird es für den Seder und das Sedermahl ziemlich spät. Nach dem Schabbatausgang folgt der Kiddusch, also der Segensspruch auf den Wein und die Heiligung des Tages, der in diesem Fall mit der Hawdala kombiniert wird. Man spricht dabei den Segensspruch über das Licht, das wieder angezündet werden darf.

Wir danken für die von G’tt erhaltene Fähigkeit, zwischen Wochen- und Feiertag, in diesem Fall zwischen Schabbat und Feiertag, unterscheiden zu können. Zum Schluss sprechen wir die Benediktion (Schehechejanu), die Dankbarkeit dafür, dass G’tt uns dies alles hat erleben lassen. All dies ist zeitgebunden und darf nur gesprochen werden, wenn der Schabbat bereits vorbei ist.

Zeremonie In dieser Woche wird der Schabbat gegen 21 Uhr enden. Je nach Ortslage findet die entsprechende Zeremonie vorher oder später gemäß der jeweiligen Zeitverschiebung statt. Dementsprechend bedeutet dies für den diesjährigen zweiten Sederabend einen sehr späten Beginn – und ein Ende mitten in der Nacht. Der Kiddusch findet erst nach dem Abendgebet statt und damit liegt der Beginn der Sederzeremonie etwa um 21.30 Uhr.

In der Konsequenz heißt das, dass das Abendessen erst um 22.30 beziehungsweise 23 Uhr beginnen kann und unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen Rituale sich dieser Abend de facto bis zwei oder drei Uhr hinziehen könnte.

Eigentlich kein Problem, denn wir lernen in einer Passage der Haggada, dass einst der Sederabend vier berühmter Toragelehrter, Weise der Mischna, darunter Rabbi Akiwa und Rabbi Tarfon, die ganze Nacht in Anspruch nahm. Die ganze Nacht sollen sie in Bnei Brak zusammengesessen und über den Auszug aus Ägypten gesprochen haben, bis ihre Schüler kamen und ihnen sagten: »Unsere Lehrer, es ist ja schon Zeit fürs Morgengebet!«

Zeitrechnung Aber das hatte wohl einen ganz anderen historischen Hintergrund. Man vermutet – ob dies nun richtig ist oder nicht, mag dahingestellt bleiben –, dass diese in dieser Nacht den Bar-Kochba-Aufstand im zweiten Jahrhundert nach der Zeitrechnung vorbereiteten.

Die Einhaltung der Pessachvorschriften ist also für ganz traditionsbewusste, gesetzestreue Menschen kein Problem. Sie halten es, wie die Zeit kommt und wie die Zeit es will. Die Probleme beginnen dort, wo – und dies ist in vielen unserer Gemeinden heutzutage üblich – gemeinsame Sederabende stattfinden. Dann kann es zu Konflikten kommen, besonders wenn es ältere Gemeindemitglieder oder Eltern mit Kleinkindern betrifft, für die diese späten Zeiten nur schwer einzuhalten sind. Kompromisse sind notwendig, die möglicherweise vom traditionellen, gewohnten Sederablauf abweichen.

Einklang Aber wir müssen versuchen, dass die individuellen Widersprüche, und auch die Interessen von älteren Gemeindemitgliedern und jungen Familien mit Kleinkindern, in Einklang gebracht werden mit den rituellen Vorschriften, die zum Schabbatende und zum Seder zwingend erforderlich sind. Etliche Sederteilnehmer haben Probleme damit, die Mahlzeiten so spät zu sich zu nehmen, andere wiederum bestehen auf der traditionellen Abfolge.

Wiederum andere wollen sich überhaupt nicht so spät auf den Weg zum gemeinsamen Seder machen. Wie findet man also einen Kompromiss? Ich habe nachgedacht und Kollegen konsultiert, und wir haben eine Lösung gefunden, die uns durchführbar erscheint.

Lösung Mein Vorschlag lautet, die dem Kiddusch an normalen Sederabenden üblicherweise folgenden erzählenden Teile (Maggid) und auch die Gesänge, die man sonst vielleicht in kürzerer Form vorträgt, um schneller das Abendmahl einnehmen zu können, an diesem zweiten Abend »ergiebiger« vorzutragen und zu erläutern, bis die Dunkelheit einbricht und dadurch zur angegebenen Uhrzeit des Schabbatausgangs die Lichter gezündet werden können und der Kiddusch gesprochen werden kann. Es folgt dann der weitere traditionelle Ablauf des Sederabends mit dem Sedermahl.

Mit dieser Lösung für den Gemeinschaftsseder können wir die Interessen aller Teilnehmer, auch der älteren Menschen, berücksichtigen. Auch Einzelnen, die der jüdischen Tradition vielleicht nicht so nahe sind, ermöglicht der Vorschlag vielleicht doch, den traditionellen Sederabend mitzuerleben.

Wajeze

»Hüte dich, darüber zu sprechen«

Die Tora lehrt, dass man ein Gericht anerkennen muss und nach dem Urteil nicht diskutieren sollte

von Chajm Guski  06.12.2024

Talmudisches

Die Tora als Elixier

Birgt die Tora Fallen, damit sich erweisen kann, wer zur wahren Interpretation würdig ist?

von Vyacheslav Dobrovych  06.12.2024

Hildesheimer Vortrag 2024

Für gemeinsame Werte einstehen

Der Präsident der Yeshiva University, Ari Berman, betonte die gemeinsamen Werte der jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaft

von Detlef David Kauschke  05.12.2024

Naturgewalt

Aus heiterem Himmel

Schon in der biblischen Tradition ist Regen Segen und Zerstörung zugleich – das wirkt angesichts der Bilder aus Spanien dramatisch aktuell

von Sophie Bigot Goldblum  05.12.2024

Deutschland

Die Kluft überbrücken

Der 7. Oktober hat den jüdisch-muslimischen Dialog deutlich zurückgeworfen. Wie kann eine Wiederannäherung gelingen? Vorschläge von Rabbiner Jehoschua Ahrens

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  05.12.2024

Chabad

Gruppenfoto mit 6500 Rabbinern

Tausende Rabbiner haben sich in New York zu ihrer alljährlichen Konferenz getroffen. Einer von ihnen aber fehlte

 02.12.2024

Toldot

Jäger und Kämpfer

Warum Jizchak seinen Sohn Esaw und nicht dessen Bruder Jakow segnen wollte

von Rabbiner Bryan Weisz  29.11.2024

Talmudisches

Elf Richtlinien

Wie unsere Weisen Psalm 15 auslegten

von Yizhak Ahren  29.11.2024

Ethik

»Freue dich nicht, wenn dein Feind fällt«

Manche Israelis feiern auf den Straßen, wenn Terroristenführer getötet werden. Doch es gibt rabbinische Auslegungen, die jene Freude über den Tod von Feinden kritisch sehen

von Rabbiner Dovid Gernetz  29.11.2024