Talmudisches

Von Hennen und Hähnen

Schon in der Antike beliebte Haustiere: Hahn und Henne Foto: Getty Images/iStockphoto

Talmudisches

Von Hennen und Hähnen

Was unsere Weisen über Nutzgeflügel lehrten

von Chajm Guski  27.10.2022 06:20 Uhr

Der bekannteste Hahn des jüdischen Lebens wird täglich genannt. Im Morgengebet heißt es am Anfang der Birkot HaSchachar, der Segenssprüche am Morgen: »der dem Hahn Verständnis schenkte, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden«.

Die Birkot HaSchachar sind dem Talmud entnommen (Berachot 60b) und sollen den Blick auf das richten, was wir alle für selbstverständlich halten, auch den Ruf des Hahns am Morgen.

Das passt dazu, dass der Talmud empfiehlt (Schabbat 35b), sich in Städten am Verhalten des Hahns zu orientieren, wenn man kurz vor Schabbat nicht sehen kann, wie tief die Sonne schon gesunken ist. Setzen sich die Hähne auf ihre Stangen, dann bricht der Abend an.

SUPPE Vielleicht konkurriert die Bekanntheit dieses Hahns mit dem Hahn aus der Suppe, mit der man bekanntlich Krankheiten heilt. Das war schon zu Zeiten des Talmuds der Fall. Im Traktat Awoda Zara (14a) wird darüber diskutiert, ob man einem Nichtjuden einen weißen Hahn verkaufen dürfe. Rabbi Jehuda legt fest, unter welchen Umständen dies auf jeden Fall gestattet sei: »Wenn aber der Nichtjude zu Hause für seinen Sohn ein Gastmahl bereitet, oder wenn er zu Hause einen Kranken hat, so ist es erlaubt.«

Etwas unkonventioneller ist der Behandlungsvorschlag für Migräne. Hierzu solle man einen wilden Hahn verwenden (Gittin 68b) und »ihn mit einem silbernen Dinar schlachten, über der Seite des Kopfes, die schmerzt. Und er soll sich vor seinem Blut in Acht nehmen, damit sein Auge nicht blind wird. Und er soll ihn an den Türpfosten seines Hauses hängen, damit er sich daran reibt, wenn er hineingeht, und er soll sich daran reiben, wenn er hinausgeht.«

Wir sehen, Hähne und Hennen waren beliebtes Nutzgeflügel und wurden auch in den Städten gehalten. Eine Ausnahme soll Jerusalem gewesen sein. Im Traktat Bawa Kamma (79b) heißt es: »Man darf in Jerusalem keine Hühner halten. Kohanim dürfen das im gesamten Land Israel nicht.« Man befürchtete offenbar, dass die pickenden Hühner Unrat aufwühlen und Unreinheit verursachen könnten.

gesteinigt In der Mischna (Edujot 6,1) heißt es hingegen, dass Rabbi Jehuda ben Bawa fünf Dinge bezeugte. Eines von ihnen betraf einen Hahn, der in Jerusalem gesteinigt wurde, weil er einen Menschen getötet hatte.
Da Hähne und Hühner zum Alltag gehörten, hielten die Rabbinen nur wenig zum Verhalten des Geflügels fest. Es wurde jedoch für bemerkenswert gehalten, wie Hähne bei der Paarung vorgehen. So sagte Rabbi Jochanan: »Würde die Tora nicht verliehen worden sein, so könnten wir Keuschheit von der Katze, das Verbot des Raubens von der Ameise, das Verbot des Ehebruchs von der Taube und Anstand vom Hahn lernen, der die Henne zunächst besänftigt und sie erst danach begattet« (Eruwin 100b).

In anderen Aufzählungen wird ebenfalls deutlich, wie man den Hahn, aber auch andere Dinge, einschätzt. So wird in Pessachim (113b) gesagt, dass die Weisen gelehrt hätten: »Angehörige dreier Gruppen hassen die anderen in der gleichen Gruppe: Hunde, Hähne und die persischen Priester.«

In Beitza (25b) wird ein anderer Zusammenhang hergestellt. So habe Rabbi Schimon ben Lakisch gesagt: »Es gibt drei Freche: das jüdische Volk unter den Völkern, den Hund unter den Tieren und den Hahn unter den Vögeln. Und einige sagen: auch die Ziege unter dem Kleinvieh.«
Spricht man also das nächste Mal die Birkot HaSchachar, so hat man noch einiges mehr, woran man beim Hahn denken kann.

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025