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Übersehene Prophetinnen

Prophetin Mirjam am Schilfmeer Foto: picture alliance / imageBROKER

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Übersehene Prophetinnen

Zum Weltfrauentag fordert die Rabbinatsstudentin Helene Braun mehr Sichtbarkeit für jüdische Vorreiterinnen

von Helene Braun  06.03.2025 09:49 Uhr

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Die ursprüngliche Idee des 8. März, des Internationalen Frauentags, war der Kampf für die Gleichberechtigung von Frauen. Heute wird dieses Datum weltweit für Demonstrationen, Proteste und Aktionen genutzt. Es ist wichtig, daran zu erinnern, was Frauen in dieser Welt geleistet haben und jeden Tag leisten. Mir scheint jedoch, dass jüdische Perspektiven dabei oft überhört oder ignoriert werden. Es ist an der Zeit, das Wirken jüdischer Frauen sichtbarer zu machen und ihre Beiträge angemessen zu würdigen.

Das Übersehen der Bedeutung unserer jüdischen Vorreiterinnen beginnt eigentlich schon mit den heiligen Schriften: Jedes jüdische Kind kennt Mosche – doch die erste Figur, die in der Tora als Prophetin bezeichnet wird, ist seine Schwester Mirjam. Ihr Auftreten markiert einen entscheidenden Moment in der Volkswerdung Israels. Nach dem Durchschreiten des Schilfmeeres im Buch Schemot führt Mirjam die Frauen an: »Mirjam, die Prophetin, die Schwester Aharons, nahm die Pauke in die Hand, und alle Frauen zogen ihr nach mit Pauken und in Reigen. Und Mirjam stimmte ihnen an: Singet dem Ewigen, denn mächtig hat Er sich gezeigt, Ross und Reiter hat Er geschleudert ins Meer.«

Frauen in der Tora nehmen eine aktive Rolle ein

Mirjams Bezeichnung als »Prophetin« zeigt, dass Frauen in der Tora keineswegs nur passiv auftreten. Ganz im Gegenteil: Mirjam übernimmt eine aktive Rolle in der spirituellen Führung. Sie leitete die Frauen in Gesang und Tanz an, lobte Gott und stärkte den Glauben der Gemeinschaft. Unsere Kommentatoren betonen Mirjams außergewöhnliche Ausdrucks- und moralische Führungskraft.

Laut Raschi prophezeite sie bereits vor Mosches Geburt dessen Bestimmung als Befreier Israels. Diese Überlieferungen verdeutlichen, dass Frauen im religiösen Leben eine tragende Rolle spielten. Und der Plural ist angebracht, denn Mirjam war nicht die Einzige! Neben ihr nennt der Talmud sechs weitere Prophetinnen: »Sara, Debora, Hanna, Abigail, Hulda und Esther.«

Es ist an der Zeit, das Wirken jüdischer Frauen sichtbarer zu machen und ihre Beiträge angemessen zu würdigen.

Nun gibt es immer wieder Stimmen, die unsere religiösen Schriften als Fiktion und das Judentum als patriarchal abtun. Denen kann man entgegenhalten, dass auch historisch etliche starke Frauen das Judentum geprägt haben. Im 19. Jahrhundert kämpften auch Jüdinnen für ihre Emanzipation. Frauen aller Schichten erfuhren damals den gesellschaftlichen Ausschluss – jüdische Frauen gleich in mehrfacher Weise. Die Anführerinnen der jüdischen Frauenbewegung erkannten, dass die Abschaffung institutionalisierter Ungleichheiten der erste Schritt zur sozialen und politischen Gleichstellung war.

Bereits in den 1920er-Jahren engagierte sich der Jüdische Frauenbund (JFB) gegen Antisemitismus, setzte auf jüdische Identitätsbildung und förderte das gesellschaftliche Verständnis für jüdisches Leben. Als nach der Machtübernahme Hitlers die Emigration zunehmend zur einzigen Überlebenschance wurde, half der Frauenbund insbesondere Frauen und Mädchen, sich auf ein Leben in anderen Ländern vorzubereiten. Trotz der wachsenden Gefahr durch die Nazis entschieden sich viele führende Frauen des JFB, in Deutschland zu bleiben, um weiter Hilfe zu leisten. Sie retteten etlichen Juden das Leben.

Kennen Sie etwa Glikl bas Ley Pinkerle, Henriette Herz, Alice Salomon, Bertha Pappenheim oder Selma Stern?

Auch Deutschlands Kunst, Kultur und Wissenschaft ist geprägt von jüdischen Frauen, wie etwa Hannah Arendt, eine der bedeutendsten politischen Theoretikerinnen des 20. Jahrhunderts, oder auch Else Lasker-Schüler, eine herausragende expressionistische Dichterin und Künstlerin. Manchen wird auch der Name Lise Meitner bekannt sein, die maßgeblich an der Entdeckung der Kernspaltung beteiligt war, oder Edith Stein, die als Philosophin tiefgreifende Arbeiten zur Phänomenologie verfasste. Doch es gibt so viel mehr jüdische Frauen, deren enormer Beitrag zur deutschen Geschichte verdrängt wurde. Oder kennen Sie die Biografien von Glikl bas Ley Pinkerle, Henriette Herz, Alice Salomon, Bertha Pappenheim oder Selma Stern?

Jüdische Frauen haben das kulturelle Erbe Deutschlands mitgestaltet und die Emanzipationsbewegung mit angeführt. Lasst uns an diesem 8. März an die Frauen erinnern, die in den vergangenen Jahrhunderten für uns kämpften und auf deren Arbeit wir heute aufbauen. Aber lasst uns auch an Mirjam denken, die ihnen als erste Prophetin und spirituelle Vorreiterin den Weg geebnet hat.

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