Dialog

Schuster: Christlich-jüdisches Verhältnis so gut wie nie zuvor

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Foto: Thomas Lohnes/Zentraltrat der Juden

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat die Aufarbeitung von historischem Antisemitismus und Holocaust durch die Führung der großen Kirchen gelobt.

Die früher verbreitete Judenfeindlichkeit der Kirchen sei im 19. Jahrhundert der Nährboden des rassistischen Antisemitismus gewesen, sagte Schuster laut Manuskript am Montagabend beim Online-Jahresempfang 2021 der Evangelischen Akademie Tutzing. Beide Kirchen hätten dies in ihrem Handeln verinnerlicht. »Es ist diese Haltung der Kirche, die dazu beiträgt, dass heute das christlich-jüdische Verhältnis so gut ist, wie es wohl noch nie in der Geschichte war.«

Schuster hielt den Festvortrag »Bedroht, beschützt, beheimatet: Jüdisches Leben heute«. Hintergrund ist das aktuelle Festjahr »1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«.

Schuster ergänzte: »Die historische Aufarbeitung, die an der Spitze der beiden christlichen Kirchen geleistet wurde, vermisse ich allerdings in der Breite unserer Gesellschaft. Sowohl habe ich manchmal Zweifel, wie viel bei der Basis, in den einzelnen Kirchengemeinden ankommt, als auch sehe ich große Defizite insgesamt in der Gesellschaft.«

Umfragen zeigten immer wieder große Lücken in Kenntnissen über die Schoa. »Im vergangenen Jahr zum Beispiel konnten in einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF nur 20 Prozent der Befragten angeben, dass für den Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz gewählt wurde. Fast 70 Prozent sagten, den Anlass für das Datum des Gedenktags nicht zu kennen«, so Schuster. Gerade bei jungen Menschen könne man nur noch wenig Wissen voraussetzen.

Um so wichtiger sei die Rolle von Gedenkstätten, so Schuster. Neben dem Schulunterricht biete deren Besuch die beste Möglichkeit, um Kenntnisse zu vermitteln und Empathie mit den Opfern zu schaffen. »Ich wiederhole daher meine Forderung, in ganz Deutschland KZ-Gedenkstättenbesuche verpflichtend für Schüler weiterführender Schulen zu machen. Ebenso sind sie für Auszubildende der Polizei und der Justiz sehr sinnvoll!«

Der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte in einem Grußwort, das Festjahr biete Gelegenheit, »sich nicht nur mit Angriffen auf das Judentum auseinanderzusetzen, sondern vor allem positiv seinen großen Beitrag zum Reichtum der religiösen und kulturellen Traditionen in Geschichte und Gegenwart unseres Landes sichtbar zu machen«.

Bedford-Strohm erklärte: »Wir wissen in der Breite viel zu wenig über das gelebte Judentum in Deutschland, über so vieles, aus dem wir alle - jenseits religiöser und weltanschaulicher Grenzen - Inspiration bekommen können.« kna

Meinung

Die Kirche schafft sich ab

Jetzt soll ausgerechnet der Antizionismus helfen, den gesellschaftlichen Niedergang der Kirche zu stoppen

von Josias Terschüren  08.07.2025

Nahost

»Öl ins Feuer des anwachsenden Antisemitismus«

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt wirft der evangelischen Kirche moralisches Versagen vor und kritisiert eine Erklärung des Weltkirchenrats, in der Israel »dämonisiert« werde

 05.07.2025

Chukat

Ein Tier, das Reinheit schafft

Wir können die Mizwa der Roten Kuh nicht verstehen – aber ihre Bedeutung erahnen

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  04.07.2025

Talmudisches

Die weibliche Idee hinter König David

Was Kabbalisten über Eschet Chajil, die tüchtige Frau, lehren

von Vyacheslav Dobrovych  04.07.2025

Jerusalem

Das falsche Grab

Das Buch der Könige gibt Auskunft darüber, wo David wirklich begraben wurde

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  03.07.2025

Interview

»Inhalte statt Konflikte produzieren«

Rabbinerin Elisa Klapheck will in ihrer zweiten Amtszeit als Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz zusammenführen

von Mascha Malburg  03.07.2025

Kirchen

Theologe Staffa kritisiert Apartheidsbeschluss des Weltkirchenrates

Der Apartheidsvorwurf sei einfach falsch, sagte der christliche Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christen und Juden beim Deutschen Evangelischen Kirchentag

von Stephan Cezanne  01.07.2025

Essay

Der Weltkirchenrat auf Abwegen

Die Organisation mit mehr als 350 meist protestantischen Kirchen stimmt in den Chor all derer ein, die ein antiisraelisches Lied nach dem anderen singen. Immer lauter. Immer wütender. Immer obsessiver

von Daniel Neumann  29.06.2025

Talmudisches

Beten gegen das Böse

Was unsere Weisen über den freien Willen und moralische Entscheidungen lehrten

von Vyacheslav Dobrovych  27.06.2025