Tagung

Recht und Religion

Prälat Karl Jüsten, Daniel Botmann und der CDU-Politiker Michael Brand (v.l.) Foto: Gregor Zielke

Schützen die Menschenrechte Religionen, oder schränken sie deren Freiheit ein? Fördern religiöse Gemeinschaften die Menschenrechte, oder betrachten sie diese eher als ein Hindernis bei der Ausübung ihrer Praxis? Fragen wie dieser gingen in der Katholischen Akademie in Berlin bei einer kirchenrechtlichen Tagung christliche, jüdische und muslimische Experten am Dienstag vergangener Woche näher auf den Grund. Schließlich ist das Thema nicht nur in der Politik ein Dauerbrenner.

»Die Kirchen zählten keinesfalls immer zu den Verteidigern und Förderern der Menschenrechtsideale«, brachte es Ludger Müller, Professor für Kirchenrecht an der Universität Wien, selbstkritisch auf den Punkt. Offensichtlich hapert es daran auch ein wenig in der Gegenwart, wie die Zusammensetzung des Podiums vermuten ließ. Die Tatsache, dass unter den sieben geladenen Referenten keine einzige Frau zu finden war, fiel unangenehm auf und blieb vom Publikum nicht lange unkommentiert.

In den lebhaften Diskussionen rückte auch schnell die Frage nach dem Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in den Mittelpunkt, wobei das eigentliche Thema Menschenrechte aber gelegentlich ein wenig zu kurz kam.

Blasphemie
Während Prälat Karl Jüsten, Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, in diesem Kontext wenig überraschend für den Erhalt des sogenannten Blasphemieparagrafen eintrat, der die Religionen vor Beschimpfungen schützen soll, verwies Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, auf die Tatsache, dass dieses Gesetz dem grassierenden Antisemitismus, mit dem man täglich konfrontiert werde, keinen Riegel vorzuschieben vermag und im jüdischen Kontext wenig hilfreich ist: »Die uns täglich erreichenden Hass-Schreiben fallen durch sämtliche Raster der Straftatbestände.«

Genau deshalb stellten die Staatsanwaltschaften im Regelfall alle Verfahren ein. »Viel wichtiger als ein Blasphemieparagraf sind deshalb Gesetze, die eine Diskriminierung zum Inhalt haben. Vor allem dann, wenn allein die Religionszugehörigkeit dazu führt, dass man gehasst wird«, sagte Botmann.

Staat Lobende Worte dagegen fand er für das in Deutschland geltende Religionsverfassungsrecht, das seiner Auffassung zufolge nicht nur das Gleichgewicht zwischen Staat und Religionsgemeinschaften regelt, sondern ebenfalls dafür Sorge trägt, dass das herrscht, was gemeinhin als Religionsfrieden bezeichnet wird.

Zudem biete es zahlreiche interessante integrative Ansatzpunkte. »Auch die islamischen Gemeinden können auf diese Weise einen Status als Körperschaften des öffentlichen Rechts erreichen«, sagte Botmann. Das würde dem Islam helfen, in Deutschland seinen Platz zu finden. Genau deshalb sieht der Jurist im Religionsverfassungsrecht auch alles andere als ein Auslaufmodell. Vielmehr besitze es sogar das Potenzial, als Vorbild für andere europäische Staaten zu dienen.

Wie schwer sich mitunter Vertreter des organisierten Islams mit dem Thema Menschenrechte tun, bewies der Politologe und Islamwissenschaftler Mohammed Khallouk, der den Zentralrat der Muslime berät.

Zwar betonte er, dass Religion und Menschenrechte für ihn nicht automatisch im Widerspruch stehen: »Sie sind aber kontextgebunden und daher westlich definiert und nicht immer übertragbar.« Oftmals überforderten sie die Muslime – vor allem dann, wenn im Namen der Menschenrechte Kriege geführt werden oder wenn religiösen Überzeugungen mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit nicht der nötige Respekt gezollt werde.

Mohammed-Karikaturen
Auf diese Weise stellte Khallouk, der auch Associated Professor am College für Scharia- und Islamstudien der Universität von Katar ist, die Universalität der Menschenrechte infrage und vermittelte zudem den Eindruck, dass diese für ihn nur dann relevant sind, wenn sie den Islam vor Kritik schützen. Das wurde insbesondere bei seinen Einwänden gegen die vor rund zehn Jahren veröffentlichten Mohammed-Karikaturen deutlich.

Nasso

Der seinen Bart nicht schert

Was die Tora über den Nasir und seine Gelübde lehrt

von Rabbiner Joel Berger  02.06.2023

Talmudisches

Die Allmacht des Ewigen

Warum das Versorgen des Menschen für Gʼtt genauso schwer ist wie die Spaltung des Schilfmeers

von Vyacheslav Dobrovych  02.06.2023

Glauben

Wo bleibt die Zuversicht?

Trotz Leid und Ungerechtigkeit leben wir in der besten aller Welten

von Daniel Neumann  02.06.2023

Nachruf

Einer der letzten »Gedolim«

Hunderttausende trauern um Rabbiner Gershon Edelstein, der am Dienstag im Alter von 100 Jahren in Bnei Brak starb

von Vyacheslav Dobrovych  02.06.2023

Bundeswehr

Zweiter Rabbiner verbeamtet

Shmuel Havlin wird in der Hamburger Außenstelle des Militärrabbinats tätig sein

 02.06.2023 Aktualisiert

Zerbst

Gegendenkmal zur »Judensau« enthüllt

Bürgermeister Dittmann (SPD): Die Stele soll ein Ort werden, der zu Diskussionen anregt

von Markus Geiler  02.06.2023 Aktualisiert

Berlin

Studie: Ein Drittel hält religiöse Vielfalt für »Bedrohung«

Die zunehmende religiöse Vielfalt in Deutschland sorgt für Angst

 31.05.2023

Plädoyer

Traut euch!

Der Schritt in die Ehe ist für junge Jüdinnen und Juden der richtige, meint unser Autor. Einen Versuch ist es wert

von Alfred Bodenheimer  29.05.2023

Zerbst

Schmähplastik erhält Gegendenkmal

Die Kirchengemeinde Zerbst will der judenfeindlichen Hassbotschaft eine Botschaft der Toleranz entgegensetzen

 25.05.2023