Talmudisches

Neid bringt Leid

Vorsicht vor Vergleichen: Jeder hat eine Besonderheit, die ihn auszeichnet. Foto: Getty Images / istock

Talmudisches

Neid bringt Leid

Wie Abba Umna jeden Tag aus dem Himmel gegrüßt wurde

von Yizhak Ahren  21.08.2018 09:27 Uhr

Der babylonische Amoräer Rav sagte einmal: »Nie sollte ein Vater einen seiner Söhne bevorzugen, denn weil Stammvater Jakow seinem Sohn Josef einen bunten Rock gab, wurden seine Brüder neidisch, und so kam es dazu, dass unsere Vorfahren nach Ägypten hinabzogen« (Schabbat 10b).

Diese Regel lässt sich verallgemeinern: Jeder sollte sich Mühe geben, so zu handeln, dass sich bei anderen keine Neidgefühle entwickeln.

Mosche Im Traktat Sanhedrin (17a) wird beschrieben, wie Mosche agierte, um niemanden zu bevorzugen: »Als der Ewige zu Mosche sprach: ›Versammle mir 70 Männer von den Ältesten Israels‹, sprach Mosche: ›Was soll ich tun? Wähle ich sechs aus jedem Stamm, so bleiben zwei übrig. Wähle ich fünf aus jedem Stamm, so fehlen zehn. Wähle ich aus manchen Stämmen sechs und aus manchen fünf, so erwecke ich Neid unter den Stämmen.‹ Was machte er? Er wählte je sechs und nahm dann 72 Zettel. Auf 70 schrieb er ›Ältester‹, und zwei ließ er unbeschrieben. Dann mischte er sie, legte sie in die Urne und forderte die Ältesten auf, je einen zu ziehen. Zog jemand ›Ältester‹, so sprach Mosche: ›Der Himmel hat dich geweiht.‹ Zog jemand eine Niete, so sprach er: ›Gott hat an dir keinen Gefallen, was kann ich für dich tun?‹«

Dass sogar bedeutende Toralehrer wie Abaje und Raba bei einem Vergleich mit anderen neidisch werden können, zeigt die Geschichte von dem Bader Abba Um­na, einem Wundarzt: »Er erhielt jeden Tag einen Gruß vom himmlischen Kollegium, Abaje erhielt einen an jedem Vorabend des Schabbats, und Raba erhielt einen an jedem Vorabend des Versöhnungstages. Als sich nun Abaje grämte, weil der Bader Abba häufiger Grüße erhielt, wurde ihm gesagt: Dessen Taten kannst du nicht vollbringen« (Taanit 21b).

Abba Umna Der Talmud erläutert, worin die verdienstvollen Taten Abba Umnas bestanden: »Beim Aderlassen ließ er Männer und Frauen voneinander getrennt sitzen. Wenn eine Frau zu ihm kam, ließ er sie ein besonderes Gewand anlegen, um ihre Intimsphäre zu schützen. Außerdem ließ er die Honorarzahlungen an einem verborgenen Ort deponieren. Wer Geld hatte, legte dort etwas hin – wer keines hatte, brauchte sich nicht zu schämen. Wenn ein Gelehrtenjünger zu ihm kam, verlangte er überhaupt kein Honorar, sondern drückte ihm ein paar Münzen in die Hand und sagte: Geh und stärke dich!«

Noch in unseren Tagen dient Abba Umna manchen Juden als Vorbild. So hat mir ein angesehener Arzt berichtet, er nehme von Toragelehrten, die seine Sprechstunde aufsuchen, kein Geld. Wenn diese ihn nach dem Grund dieser Großzügigkeit fragen, verweise er auf Abba Umna.

Der Talmud berichtet, dass sich auch Raba grämte – wegen der häufigeren Grüße an Abaje. Warum erhielt sein Kollege jede Woche einen Gruß vom himmlischen Kollegium und er nur einmal im Jahr? In einem Traum wurde Raba mitgeteilt: »Es sei dir zur Genugtuung, dass du durch deine Verdienste die ganze Stadt beschützest« (Taanit 22a).

Kollegium Jeder Mensch hat eine Besonderheit, die ihn auszeichnet. Die Belohnungen miteinander zu vergleichen, ist daher nicht angebracht. Das himmlische Kollegium weiß sowohl die Leistungen großer Toralehrer zu schätzen als auch die Arbeit eines frommen Wundarztes.

In einer bekannten Mischna lehrt Rabbi Elazar Hakapar, dass Neid, Begierde und Ehrsucht den Menschen aus der Welt bringen (Sprüche der Väter 4,28).

So stellt sich die Frage: Was kann man gegen Neid tun? Rabbiner Benjamin Zilber riet zu einem Verfahren, das uns an die psychoanalytische Therapie erinnert. Der Betroffene soll sich deutlich machen, dass ihn Neidgedanken beschäftigen. Diese Gedanken sind durch eine »Verurteilung« zu erledigen, sodass sie ihn nicht weiter plagen. Wer sich jedoch mit seinem Neid nicht auseinandersetzt, der wird rasch zum Opfer dieser seelischen Selbstzerstörung.

Wajigasch

Mut und Hoffnung

Jakow gab seinen Nachkommen die Kraft, mit den Herausforderungen des Exils umzugehen

von Rabbiner Jaron Engelmayer  19.12.2025

Mikez

Füreinander einstehen

Zwietracht bringt nichts Gutes. Doch vereint ist Israel unbesiegbar

von David Gavriel Ilishaev  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

»Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben«, schreibt Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Chanukka

»Wegen einer Frau geschah das Wunder«

Zu den Helden der Makkabäer gehörten nicht nur tapfere Männer, sondern auch mutige Frauen

von Rabbinerin Ulrike Offenberg  18.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  18.12.2025

Chanukka

Berliner Chanukka-Licht entzündet: Selbstkritik und ein Versprechen

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin am Mittwoch mit viel Politprominenz das vierte Licht an Europas größtem Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet

von Markus Geiler  18.12.2025

Chanukka

Wofür wir trotz allem dankbar sein können

Eine Passage im Chanukka-Gebet wirkt angesichts des Anschlags von Sydney wieder ganz aktuell. Hier erklärt ein Rabbiner, was dahinter steckt

von Rabbiner Akiva Adlerstein  17.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns erwarten?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025