Tanach

Schwergewichtige Neuauflage

Es ist gar nicht so einfach, den alten Tanach neu aufzulegen. Schließlich ist uns Juden der Text heilig, und er darf nicht verändert werden. Deswegen müssen sich die Herausgeber etwas einfallen lassen: Das derzeit wohl interessanteste Exemplar stammt aus dem israelischen Verlag Koren, und zwar aus der Reihe The Koren Tanakh of the Land of Israel. Neben einer modernen englischen Übersetzung von Rabbiner Jonathan Sacks bieten die über die letzten fünf Jahre erschienenen Bände reichhaltiges Hintergrundwissen zur alt­orientalistischen Welt der Bibel.

Die Beiträge stammen aus der Feder renommierter Wissenschaftler verschiedener Disziplinen wie der Archäologie, der Ägyptologie, der Philologie und der Altertumswissenschaften. Ediert wird das Ganze von Rabbiner Jeremiah Unterman, der sich mit seinen Forschungen zur altorientalistischen Ethik einen Namen gemacht hat.

Eine neue Perspektive auf die hebräische Bibel

Absicht der Herausgeber ist es, eine neue Perspektive auf die hebräische Bibel zu eröffnen, die auf moderner Wissenschaft basiert. Da der Tanach nicht in einem Vakuum entstanden ist, so ihr Argument, spielen die Literatur, Kultur und Sprachen der regionalen Ethnien eine wichtige Rolle für sein Verständnis.

Diese Idee ist nicht neu. Schon 2002 schuf man mit dem Zondervan Illustrated Bible Backgrounds Commentary ein Standardwerk der Bibelwissenschaft. Und im hebräischsprachigen Raum wurde mit Olam Tanach das bisher umfangreichste Opus in 24 Bänden veröffentlicht, geschrieben von der Elite der israelischen Bibelwissenschaftler. Kann da die Reihe des Koren-Tanachs mithalten?

Die einzelnen Artikel sind auf jeden Fall prägnant und informativ geschrieben. Dabei schöpfen die Autoren aus dem reichen Fundus antiker Mythologien, um die Tora besser verstehen zu können. Beispielsweise wird eine Parallele zwischen den Händen Mosches, die von Aaron und Chur gestützt werden, und denen des ägyptischen Gottes Schu gezogen, die gleichfalls gestützt werden müssen. Ferner verweist man darauf, dass »Elohim« auch »Richter« bedeuten kann, da in einer auf Zypern gefundenen Inschrift das Wort »Gott« auch für bestimmte Menschen verwendet wurde.

Vor allem die Unterschiede in der Rechtsprechung werden hervorgehoben, um zu zeigen, wie revolutionär die Tora in ihrer Zeit wohl war. So musste laut dem damals geltenden Kodex Hamurapi der Sohn eines Baumeisters getötet werden, wenn der Sohn seines Kunden durch Pfusch am Bau zu Tode kam. Die Tora dagegen besagt, dass Kinder nicht für ihre Eltern haften.

Kein Kommentar, der auf jüdische Auslegung zurückgreift

Doch nicht immer sind die Erklärtexte hilfreich. Manchmal drängt sich der Verdacht auf, dass Lücken gefüllt werden mussten. Auch möchten die Bücher kein Kommentar sein, der auf jüdische Auslegung zurückgreift – zumindest in den ersten beiden Bänden. Ab dem dritten Band finden sich jedoch mehr Verweise auf Raschi, Ramban und den Midrasch und weniger regionale Kontextualisierungen. Wichtige Stellen werden hingegen übergangen. So bleibt die problematische Beziehung Davids zu Batschewa unkommentiert, obwohl dies ein entscheidender Wendepunkt in Davids Königsherrschaft ist.

Aber vor allem in einem zentralen Punkt enttäuscht das Werk: Mit Verweis auf die Orthodoxie werden alle kritischen Diskussionen über die Entstehung des Textes ausgeklammert. Einerseits ist diese Haltung verständlich, da man dem orthodoxen Publikum die Welt des Alten Orients zugänglich machen möchte, ohne es zu verschrecken.

Andererseits hat Koren so die Gelegenheit verpasst, gegen jede Form der Bibelkritik zu argumentieren – obwohl Texte dazu vorhanden sind. Joschua Berman und Amnon Bazak, die beide bei Koren publizieren, sind akademische Kritiker der klassischen Bibelkritik. Man hätte sie ins Team holen können, um ein orthodoxes Werk auf der Höhe der Zeit zu schaffen.

Trotz dieser Mängel ist Koren etwas Beeindruckendes gelungen, das sich vor seinen Vorgängern nicht zu verstecken braucht. Die Reihe vermittelt sowohl akademischen Lesern als auch interessierten Laien ein umfassendes, nahezu enzyklopädisches Wissen über die altorientalistischen Kontexte, in die Tora eingebettet ist. Zudem setzt man auf ein reich bebildertes Großformat und dickes Papier, wodurch jedes neue Buch in der Hausbibliothek einen wuchtigen Eindruck macht. Bisher bringen Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Samuel jeweils fast zwei Kilo auf die Waage. Solange das Regal mitmacht, darf man auf weitere Bände gespannt sein.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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