Talmudisches

Mordechais Herkunft

Warum Esthers Onkel so viele Beinamen hatte

von Noemi Berger  06.03.2020 09:16 Uhr

»Es war ein jüdischer Mann in der Burg Schuschan, sein Name war Mordechai, der Sohn Jairs, des Sohnes Schim’is, des Sohnes Kischs, aus dem Stamm Benjamin« (Esther 2,5). Foto: Getty Images

Warum Esthers Onkel so viele Beinamen hatte

von Noemi Berger  06.03.2020 09:16 Uhr

An Purim lesen wir in unseren Synagogen die Megillat Esther, das biblische Buch Esther. Über Esthers Onkel Mordechai heißt es in einem Vers: »Es war ein jüdischer Mann in der Burg Schuschan, sein Name war Mordechai, der Sohn Jairs, des Sohnes Schim’is, des Sohnes Kischs, aus dem Stamm Benjamin« (2,5).

Der Talmud fragt: Was will uns der Vers vermitteln, wenn er die Namen von Mordechais Vorfahren aufzählt? Wenn er tatsächlich seine Herkunft erklären will, so sollte er seine Abstammung doch bis zu Benjamin, dem Gründer seines Stammes, zurückverfolgen (Megilla 12b).

Was für eine Besonderheit sieht der Talmud in diesen Namen, dass sie ausdrücklich erwähnt werden?

Barmherzigkeit Ein Weiser klärt uns mit folgender Lehrmeinung auf: All dies sind Namen, mit denen Mordechai genannt wurde. Man rief ihn »Sohn von Jair«, weil er der Sohn war, der mit seinen Gebeten die Augen des gesamten jüdischen Volkes erleuchtete (hebräisch: he’ir), »Sohn von Schim’i«, weil er der Sohn war, dessen Gebete von G’tt erhört (hebräisch: schama) wurden, und »Sohn von Kisch«, weil er an die Tore der Barmherzigkeit klopfte (hebräisch: hikisch) und sie ihm geöffnet wurden.

Gleichzeitig weist der Talmud aber auch auf einen Widerspruch hin: Mordechai wird in der Megillat Esther als »Jude« (»Jehudi«) bezeichnet, was anscheinend darauf hinweist, dass er ein Abkömmling Jehudas ist. Wenn wir im Satz weiterlesen, finden wir jedoch, dass Mordechai als »Benjaminite« (»Jemini«) bezeichnet wird. Das wiederum weist ihn als Abkömmling Benjamins aus.

Beinamen Rav Nachman meint, dass Mordechai mit Ehrennamen gekrönt wurde. »Jehudi« ist aufgrund seiner Anspielung auf den königlichen Stamm Jehuda ein solcher Ehrenname, der später hinzugefügt wurde. Sehr oft finden wir solche Beinamen bei Herrschern, auch in der Neuzeit, zum Beispiel beim preußischen König Friedrich dem Großen oder dem sächsischen Kurfürsten August dem Starken. Laut Rav Nachman bezieht sich »Jehudi« demnach also nicht auf Mordechais Stammeszugehörigkeit.

Rabbi Jehoschua ben Levi hat eine andere Erklärung. Er meint, Mordechais Vater sei vom Stamm Benjamin und seine Mutter vom Stamm Jehuda. Demnach sei er also sowohl ein Jemini, also aus dem Stamm Benjamin, als auch ein Jehudi, also aus dem Stamm Jehuda.

Rabbi Jochanan wiederum meint, dass Mordechai aus dem Stamm Benjamin kommt. Jedoch sei er als »Jehudi« bezeichnet worden, weil er die Verehrung von Götzen abgelehnt habe.

Rabbi Jochanan erklärt, dass jeder, der den Götzendienst verwirft, »Jehudi« genannt wird. Denn in dem Begriff steckt das hebräische Wort »Jachad« (Einheit). Es sei hier also jemand gemeint, der daran glaubt, dass G’tt einzig ist.

Rabbi Jochanan bezieht sich auf das Buch des Propheten Daniel.

Rabbi Jochanan bezieht sich auf das Buch des Propheten Daniel. Dort lesen wir von dem babylonischen König Nebukadnezar, der Jerusalem belagerte. Er ließ ein goldenes Bild aufstellen und verlangte, dass alle sich davor verneigen. Außerdem befahl er, israelitische Knaben an seinen Hof zu bringen. Sie sollten in den Schriften und in der Sprache der Babylonier unterrichtet werden und mit den Speisen und dem Wein des Hofes versorgt werden. Nach drei Jahren, so glaubte der König, wären sie so stark assimiliert, dass sie vor ihn treten könnten.

Wein Wir lesen im Buch Daniel: »Und unter ihnen waren Judäer: Daniel, Chananja, Michael und Asarja. (…) Aber Daniel war entschlossen, sich nicht unrein zu machen mit der Speise des Königs und mit dem Wein, den dieser trank. Und so erbat er sich vom obersten Eunuchen, sich nicht unrein machen zu müssen« (1, 1–8).

Laut Rabbi Jochanan stammte keiner der drei von Jehuda ab. Trotzdem werden sie im Talmud als »Jehuda’in« bezeichnet, denn so wie Daniel lehnten sie den Götzendienst ab.

Israel

Historische Entscheidung: Gericht stoppt Gelder für Jeschiwa-Studenten

Der Staat darf kein Geld mehr an religiöse Hochschulen zahlen, die ihre Studenten nicht zum Militärdienst schicken

von Sabine Brandes  29.03.2024

Cannabis

Halachisch high?

Das grüne Rauschmittel wird in Deutschland erlaubt. Doch wie steht das jüdische Gesetz dazu?

von Vyacheslav Dobrovych  29.03.2024

Anim smirot

Zu heilig für jeden Tag

Die Verse, die nur am Schabbat oder an Feiertagen gesungen werden, gelten als besonders erhaben

von Rabbiner Avraham Radbil  29.03.2024

Zaw

Gewaltprävention

Die Vorschriften für die Opferungen haben ihren tiefen Sinn bis heute nicht verloren

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  29.03.2024

Talmud

Dem Tod so nah

Was die Weisen der Antike über den Zustand zwischen Diesseits und Jenseits lehren

von Vyacheslav Dobrovych  29.03.2024

Basel

Basler Rabbiner übersetzt Talmud-Traktat über Purim 

Zu seinem Abschied hat Moshe Baumel das kürzeste Talmud-Traktat ins Deutsche übersetzt

von Peter Bollag  25.03.2024

Wajikra

Sozial gestaffelt

Die Tora lehrt, dass arme Menschen für ihre Vergehen Tauben statt Schafe oder Ziegen opfern müssen

von Rabbiner Avraham Radbil  22.03.2024

Purim

Der große Plot-Twist

Von der Megillat Esther lernen wir, das Schicksal zu wenden und unsere Zukunft besser zu gestalten

von Rabbiner Akiva Adlerstein  22.03.2024

Berlin

Purim für Geflüchtete

Rabbiner Teichtal: »Jetzt ist es wichtiger denn je, den Geflüchteten die Freude am Feiertag zu bringen«

 21.03.2024