Im Traktat Megilla werden zahlreiche Halachot mit Bezug zum Purimfest diskutiert und erklärt. Die Lesung der Megilla ist ein Teil davon: Wer sollte wann und wie lesen? Auch andere Bräuche des Festes, die wir heute kennen, werden geschildert: Details zur Lesung der Tora im Allgemeinen und zur Synagoge findet man nur hier.
Der Talmud beschäftigt sich aber auch mit dem Text der Megilla selbst. Die Blätter 10b bis 17a enthalten viel Aggadisches und auslegendes Material. So erfahren wir (Megilla 15a), dass Esther von einigen als »grünlich aussehend« beschrieben wurde. »Es gab vier Frauen von außergewöhnlicher Schönheit auf dieser Welt: Sara, Abigail, Rahab und Esther. Und wer behauptet, Esther sei grünlich gewesen, sollte Esther aus der Liste streichen und an ihrer Stelle Waschti einfügen.«
Oder es werden einzelne Verse ausgelegt wie: »In jener Nacht wurde der Schlaf des Königs gestört« (Esther 6,1). Dazu erklärt der Talmud im Traktat Megilla 15b: »Rabbi Tanchum sagte, der Schlaf des Königs des Universums wurde gestört.« Raba war der Meinung: »Es wurde einfach der Schlaf des Königs Achaschwerosch gestört.«
Vorgeschichte Eine Art Vorgeschichte zum Buch Esther finden wir im Traktat Sanhedrin. Dort wird die Geschichte von Timna erzählt: »Timna war die Tochter von Königen, wie geschrieben steht: ›Das Oberhaupt von Lotan‹ (1. Buch Mose 36,29) und: ›Das Oberhaupt von Timna‹ (1. Buch Mose 36,40), und jedes Oberhaupt ist ein Mitglied einer Monarchie, wenn auch ohne Krone« (Sanhedrin 99b).
Weiter heißt es, dass Timna versucht habe, überzutreten. »Sie kam vor Awraham, Jizchak und Jakow, aber die nahmen sie nicht an. Also ging sie hin und wurde eine Konkubine von Elifas, dem Sohn Esaws, und sprach zu sich: ›Es ist besser, dass ich für dieses Volk eine Magd bin und nicht für ein anderes Volk eine Edelfrau.‹ Schließlich ging aus ihr Amalek, der Sohn des Elifas, hervor, und dieser Stamm bedrängte das jüdische Volk.« Der Talmud fragt: »Warum tat er dies?« Und gibt sogleich die Antwort: »Sie hätten sie nicht zurückweisen sollen.«
Amalek ist die Sammelbezeichnung des ersten Volkes, das Israel angriff (4. Buch Mose 24,20). Amalek hatte es vor allem auf die Schwachen abgesehen und attackierte Israel immer wieder.
Der Schabbat »Sachor«, der Schabbat unmittelbar vor Purim, erinnert jedes Jahr an diese Episode. Und zugleich soll das Andenken an Amalek ausgelöscht werden. Natürlich erinnert das an die Lesung der Megilla und die Nennung Hamans, ohne dass wir den inhaltlichen Zusammenhang bereits kennen. Doch woher kommt die Verbindung von Amalek und Haman?
Amalekiter In der Megilla heißt es: »Haman, Sohn Hamdatas, der Agagi« (Esther 3,1). Die Haftara des Schabbats Sachor (1. Schmuel 15,2 – 15,34) füllt die restlichen Lücken: Schaul tritt hier gegen Amalek an und treibt ihn in die Enge. Er erhält von G’tt den Auftrag, die Amalekiter zu vernichten. Schaul tut dies, lässt aber Agag, den König der Amalekiter, leben. Der Prophet Schmuel sagt daraufhin, dass G’tt ihm das Königtum entrissen habe, weil er den Auftrag nicht ordnungsgemäß ausgeführt habe. Schmuel lässt Agag vorführen und tötet ihn.
Offenbar – und das steht nicht in der Haftara – hatte aber Agag doch ein Kind gezeugt, und das hatte eigene Nachkommen. Im Buch Esther erfahren wir dann: Haman ist der Sohn von Hamdata. Dieser ist ein Agagiter, das heißt, er stammt von Agag ab. Haman ist also ein Amalekiter.
Die Feinde des jüdischen Volkes stehen in einer »Tradition« des Hasses, und der Talmud erzählt, was die Wurzel sein könnte. Zum Prolog gesellt der Talmud im Traktat Gittin 57b auch einen Epilog. Hier wird diskutiert, dass einige von Hamans Nachkommen in Bnei Brak die Tora studierten und mit Rabbi Akiwa lernten, also letztendlich doch den Weg ins jüdische Volk fanden.