Talmudisches

Hamans Vorfahrin

Unbekannte Ahnin Foto: Getty Images

Talmudisches

Hamans Vorfahrin

Was unsere Weisen über Amaleks Mutter Timna lehren

von Chajm Guski  03.03.2023 09:01 Uhr

Im Traktat Megilla werden zahlreiche Halachot mit Bezug zum Purimfest diskutiert und erklärt. Die Lesung der Megilla ist ein Teil davon: Wer sollte wann und wie lesen? Auch andere Bräuche des Festes, die wir heute kennen, werden geschildert: Details zur Lesung der Tora im Allgemeinen und zur Synagoge findet man nur hier.

Der Talmud beschäftigt sich aber auch mit dem Text der Megilla selbst. Die Blätter 10b bis 17a enthalten viel Aggadisches und auslegendes Material. So erfahren wir (Megilla 15a), dass Esther von einigen als »grünlich aussehend« beschrieben wurde. »Es gab vier Frauen von außergewöhnlicher Schönheit auf dieser Welt: Sara, Abigail, Rahab und Esther. Und wer behauptet, Esther sei grünlich gewesen, sollte Esther aus der Liste streichen und an ihrer Stelle Waschti einfügen.«

Oder es werden einzelne Verse ausgelegt wie: »In jener Nacht wurde der Schlaf des Königs gestört« (Esther 6,1). Dazu erklärt der Talmud im Traktat Megilla 15b: »Rabbi Tanchum sagte, der Schlaf des Königs des Universums wurde gestört.« Raba war der Meinung: »Es wurde einfach der Schlaf des Königs Achaschwerosch gestört.«

Vorgeschichte Eine Art Vorgeschichte zum Buch Esther finden wir im Traktat Sanhedrin. Dort wird die Geschichte von Timna erzählt: »Timna war die Tochter von Königen, wie geschrieben steht: ›Das Oberhaupt von Lotan‹ (1. Buch Mose 36,29) und: ›Das Oberhaupt von Timna‹ (1. Buch Mose 36,40), und jedes Oberhaupt ist ein Mitglied einer Monarchie, wenn auch ohne Krone« (Sanhedrin 99b).

Weiter heißt es, dass Timna versucht habe, überzutreten. »Sie kam vor Awraham, Jizchak und Jakow, aber die nahmen sie nicht an. Also ging sie hin und wurde eine Konkubine von Elifas, dem Sohn Esaws, und sprach zu sich: ›Es ist besser, dass ich für dieses Volk eine Magd bin und nicht für ein anderes Volk eine Edelfrau.‹ Schließlich ging aus ihr Amalek, der Sohn des Elifas, hervor, und dieser Stamm bedrängte das jüdische Volk.« Der Talmud fragt: »Warum tat er dies?« Und gibt sogleich die Antwort: »Sie hätten sie nicht zurückweisen sollen.«

Amalek ist die Sammelbezeichnung des ersten Volkes, das Israel angriff (4. Buch Mose 24,20). Amalek hatte es vor allem auf die Schwachen abgesehen und attackierte Israel immer wieder.

Der Schabbat »Sachor«, der Schabbat unmittelbar vor Purim, erinnert jedes Jahr an diese Episode. Und zugleich soll das Andenken an Amalek ausgelöscht werden. Natürlich erinnert das an die Lesung der Megilla und die Nennung Hamans, ohne dass wir den inhaltlichen Zusammenhang bereits kennen. Doch woher kommt die Verbindung von Amalek und Haman?

Amalekiter In der Megilla heißt es: »Haman, Sohn Hamdatas, der Agagi« (Esther 3,1). Die Haftara des Schabbats Sachor (1. Schmuel 15,2 – 15,34) füllt die restlichen Lücken: Schaul tritt hier gegen Amalek an und treibt ihn in die Enge. Er erhält von G’tt den Auftrag, die Amalekiter zu vernichten. Schaul tut dies, lässt aber Agag, den König der Amalekiter, leben. Der Prophet Schmuel sagt daraufhin, dass G’tt ihm das Königtum entrissen habe, weil er den Auftrag nicht ordnungsgemäß ausgeführt habe. Schmuel lässt Agag vorführen und tötet ihn.

Offenbar – und das steht nicht in der Haftara – hatte aber Agag doch ein Kind gezeugt, und das hatte eigene Nachkommen. Im Buch Esther erfahren wir dann: Haman ist der Sohn von Hamdata. Dieser ist ein Agagiter, das heißt, er stammt von Agag ab. Haman ist also ein Amalekiter.

Die Feinde des jüdischen Volkes stehen in einer »Tradition« des Hasses, und der Talmud erzählt, was die Wurzel sein könnte. Zum Prolog gesellt der Talmud im Traktat Gittin 57b auch einen Epilog. Hier wird diskutiert, dass einige von Hamans Nachkommen in Bnei Brak die Tora studierten und mit Rabbi Akiwa lernten, also letztendlich doch den Weg ins jüdische Volk fanden.

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Lech Lecha

Im Sinne der Gerechtigkeit

Awraham war der Erste in der Menschheitsgeschichte, der gegen das Böse aufstand

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  31.10.2025

Talmudisches

Audienz beim König aller Könige

Was unsere Weisen über das Gebet und seine Bedeutung lehren

von Rabbiner Avraham Radbil  31.10.2025

Geschichte

Wer war Kyros der Große?

Manche behaupten, Donald Trump sei wie der persische Herrscher, der den Juden die Rückkehr nach Jerusalem erlaubte. Was hinter dem Vergleich steckt

von Rabbiner Raphael Evers  30.10.2025

Interview

»Süßes gibt’s auch in der Synagoge«

Jugendrabbiner Samuel Kantorovych über Halloween, dunkle Mächte und Hexen im Talmud

von Mascha Malburg  30.10.2025

Vatikan

Papst bedauert Krise im Dialog mit Juden - verurteilt Antisemitismus

Seit Jahren ist der Dialog des Vatikans mit dem Judentum belastet. Nun hat Leo XIV. versucht, die Dinge klarzustellen - mit einem Bekenntnis zum Dialog und gegen den Antisemitismus

von Ludwig Ring-Eifel  29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025

Talmudisches

Das Schicksal der Berurja

Die rätselhafte Geschichte einer Frau zwischen Märtyrertum und Missverständnis

von Yizhak Ahren  24.10.2025