Neulich beim Kiddusch

Frösche mit Kippa

Kein Märchenprinz Foto: (M) Frank Albinus

Neulich beim Kiddusch

Frösche mit Kippa

Was einem in der Synagoge alles passieren kann

von Chajm Guski  21.02.2012 09:29 Uhr

Ljuba ist eine Bekannte meiner Frau. Sie suchte einen jüdischen Mann. Eines Tages fragte sie meine Frau, wo sie denn mich gefunden habe. Es schmeichelte mir, dass ich als gute Referenz galt. »In der Synagoge«, antwortete meine Frau wahrheitsgemäß und knapp. (Wenn Sie mich fragen, war ich es, der meine Frau dort gefunden hat, nicht umgekehrt.)

Spielfeld Die Synagoge kam also jetzt für Ljuba als ernsthafte Option infrage. Dabei, so nahm ich an, sollte es ihr eigentlich nicht schwerfallen, jemanden zu finden – oder sich finden zu lassen. Seien wir ehrlich: In den meisten Fällen macht doch die Frau den ersten Schritt. Emanzipation hin oder her. Nach manchen Regeln wird eben dauerhaft gespielt. Die werden nicht mal eben so geändert. Auch wenn Frauen und Männer in einigen Synagogen zusammensitzen, bleibt alles beim Alten. Das Spielfeld mag verändert sein, die Regeln bleiben.

Ljuba sieht nicht übel aus. Aber ich möchte das nicht näher ausführen, denn ich bin verheiratet. Und als Ehemann achte ich überhaupt nicht auf solche Dinge, ich nehme sie einfach nicht wahr. (Meine Frau liest diesen Artikel.)

Wenn ich darauf achten würde, müsste ich sagen: »Ljuba sieht sehr gut aus und ist wohlproportioniert.« Aber wie gesagt: Ich kann das nicht beurteilen, überhaupt nicht. Ich bin verheiratet. (Und: Meine Frau liest diesen Text.)

Zuvor hat Ljuba eher indirekt nach einem jüdischen Mann gesucht und nicht an Orten, wo man jüdische Männer gemeinhin vermutet: Jeschiwa, Synagoge, Krankenhauskantine, Anwaltskanzlei. »Indirekt« heißt, sie hat ein paar Männer getestet und dann geschaut, ob sie jüdisch sind. Mindestens ein Vertreter jeder anderen Weltreligion war aber vermutlich schon dabei, sodass Ljuba dann irgendwann einfach einen Treffer landen musste. Das erforderte natürlich eine entsprechend große Versuchsgruppe, die sie der riesigen Menge lediger (und unlediger) Männer entnehmen musste.

Nun also die Synagoge. Die erste Veranstaltung in der Gemeinde sei kein Gewinn gewesen, meinte Ljuba. Man habe sie von der Seite angesprochen. Dabei hätte sie der Bursche überhaupt nicht gekannt. Hätte nach ihrem Namen gefragt, erzählte sie außer sich. Meine Frau und ich blickten uns ratlos an.

Oper Bei einem anderen Kandidaten sahen wir nur, dass Ljuba sich eine Weile gut mit ihm unterhielt – bis sie mit dem Zeigefinger gegen ihre Stirn tippte und sich hastig wegdrehte. Was wollte er? Hat er sie belästigt? Ich schob die Ärmel hoch, wollte einschreiten. »Hat der mich doch glatt gefragt, ob wir gemeinsam in die Oper gehen«, sagte sie entrüstet. »Dabei kennt er mich doch erst eine halbe Stunde!«

Oh weh! So konnte das nichts werden. Die Märchenprinzen waren für Ljuba Frösche mit Kippa. Dennoch blieb sie hartnäckig und ging schließlich doch noch mit jemandem aus. Der Bursche sah nett aus. Ich kannte ihn nicht. Kabbalat Schabbat sprach sie ihn an. Inzwischen haben sie sich schon mehrmals getroffen. Aber wie sich gezeigt hat, war er nur ein einziges Mal in der Synagoge. Das Priesterseminar hatte eine Exkursion dahin gemacht.

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  15.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025

Trauer

Eine Brücke zwischen den Welten

Wenn ein Jude stirbt, gibt es viele hilfreiche Riten. Doch auch für Nichtjuden zeigt die Halacha Wege auf

von Rabbiner Avraham Radbil  05.09.2025

Ki Teze

In Seinem Ebenbild

Was der Tanach über die gesellschaftliche Stellung von Frauen sagt

von Rabbinerin Yael Deusel  04.09.2025