Neulich beim Kiddusch

Fasten mit Sauce

Manchmal sieht man die Spuren des Essens noch, wenn Jom Kippur längst angefangen hat. Foto: fotolia

Neulich beim Kiddusch

Fasten mit Sauce

Was einem in der Synagoge alles passieren kann

von Chajm Guski  28.09.2010 09:17 Uhr

Dieses Jahr hat sich Jom Kippur anders angekündigt als in der Vergangenheit. Zunächst bemerkte ich es gar nicht so genau. Erst als sich das Phänomen häufte, wurde mir klar, was da gerade passierte. Es kündigte sich durch häufige Einladungen zum »Kiddusch nächste Woche« an. »Ja, nächsten Schabbes zahle ich den Kiddusch für euch«, war überall zu hören und »Aufgepasst – zum Kiddusch nächste Woche spendiere ich Lachs und Wein für alle«, oder »Nächsten Schabbes machen wir einen großen Kiddusch bei uns zu Hause«. Irgendwann fiel dann der Groschen, äh Schekel: Der nächste Schabbes war Jom Kippur. Also nichts mit Kiddusch. Nach dem Morgengebet blieben die Kidduschräume und die Bäuche leer.

Jom Kippur, der Schabbat der Schabbatot, der große Fastentag. Die Literatur berichtet von Zaddikim, die sich kleine Steine in die Schuhe legten, um sich den Tag noch ein wenig schwerer zu machen. Für mich ist Jom Kippur schon allein durch die Aussicht, etwa 26 Stunden nichts essen zu können, Selbstmarterung genug. Fastenbeginn ist um, sagen wir 19.30 Uhr. Bereits fünf Minuten später bin ich am Ende meiner Kräfte. Ränder unter den Augen, der Magen knurrt ohne Ende und das, obwohl ich noch kurz vorher tonnenweise Nahrungsmittel in mich hineingestopft habe. Natürlich keimte da irgendwann der Verdacht, da könnte ein Zusammenhang bestehen, aber naja.

Monotonie Mittlerweile habe ich eine Abneigung gegen die Monotonie von Jom Kippur entwickelt. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Die Gebete, den Sinn und die Bräuche liebe ich, auch die Melodien in der Synagoge. Monoton sind allerdings die sich wiederholenden Witze und Kalauer. Jedes Jahr nach dem Motto: »Der Witz war gut, ich erzähle ihn gleich noch einmal. Yom Kippur’s Greatest Hits«.

Es gibt kein Jahr, in dem nicht irgendjemand bei der Ankunft zum Nachmittagsgebet gefragt hätte: »Na, hat’s geschmeckt?« oder »Wisch dir mal die Sauce aus dem Gesicht«. Schon bin ich kurz davor, mein Sündenkonto fürs kommende Jahr knietief in den Dispo zu zwingen.

Kurzschluss Es gilt sicherlich als mildernder Umstand vor dem Richterstuhl des Allerhöchsten, wenn ich mich unterzuckert zu Kurzschlussreaktionen hinreißen lasse. Skandal auch, dass dies keine Sünde im »Al Chet« ist: »Wir haben gesündigt durch das wiederholte Erzählen alter Witze und unseren Nächsten damit Schaden zugefügt.« Das sollte man mal dringend aufnehmen in das Register.

Aber diese Kalauerkönige erfüllen eine wichtige Funktion. Sie sind offensichtlich die moderne Variante der kleinen Steinchen in den Schuhen. Durch ihr beständiges Reden über das Fasten, erhöhen sie den psychischen Druck und machen die ganze Sache noch etwas ungemütlicher. Wobei ich das Gefühl habe, dass die Leute, die pausenlos und ohne Unterbrechung über das Fasten reden, selber nicht so sehr fasten. Das ist wie mit den Leuten, die permanent erzählen, wie religiös sie sind.

Ich habe jedenfalls den Ruf der Mizwa gehört und nutze die Zeit bis zum nächsten Jom Kippur zum Sammeln alter Witze über das Fasten. Damit helfe ich dann im nächsten Jahr den anderen Betern auf die Sprünge. Dann werde ich ihr Stein im Schuh sein. Diese Zeitung nimmt Ihre alten Witze gerne entgegen und gibt sie an mich weiter.

Chanukka

»Wegen einer Frau geschah das Wunder«

Zu den Helden der Makkabäer gehörten nicht nur tapfere Männer, sondern auch mutige Frauen

von Rabbinerin Ulrike Offenberg  18.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  18.12.2025

Chanukka

Berliner Chanukka-Licht entzündet: Selbstkritik und ein Versprechen

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin am Mittwoch mit viel Politprominenz das vierte Licht an Europas größtem Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet

von Markus Geiler  18.12.2025

Chanukka

Wofür wir trotz allem dankbar sein können

Eine Passage im Chanukka-Gebet wirkt angesichts des Anschlags von Sydney wieder ganz aktuell. Hier erklärt ein Rabbiner, was dahinter steckt

von Rabbiner Akiva Adlerstein  17.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns erwarten?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Chanukka

Das jüdische Licht

Die Tempelgeschichte verweist auf eine grundlegende Erkenntnis, ohne die unser Volk nicht überlebt hätte – ohne Wunder kein Judentum

von Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky  12.12.2025

Deutschland-Reise

Israels Oberrabbiner besucht Bremen

Kalman Meir Ber trifft Bürgermeister Andreas Bovenschulte und die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Antje Grotheer (beide SPD)

 12.12.2025

Wajeschew

Ein weiter Weg

Das Leben Josefs verlief nicht geradlinig. Aber im Rückblick erkennt er den Plan des Ewigen

von Rabbinerin Yael Deusel  12.12.2025