Talmudisches

Eifersucht: Das bittere Wasser

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Es soll zuweilen eifersüchtige Männer geben. Auch die Tora beschäftigt sich damit. Im Buch Bamidbar wird in 20 Zeilen geschildert, was in diesem Falle geschehen soll (4. Buch Mose 5, 11–31).

Im Zentrum steht die Verdächtigung eines Mannes, der annimmt, dass seine Frau mit einem anderen Mann geschlafen hat. Es kommt der »Geist der Eifersucht« (Ruach Kin’a) über ihn: »Wenn jemandes Frau ausschweift und ihm untreu wird, dass ein Mann sie beschläft; es ist aber verborgen geblieben vor den Augen ihres Mannes, weil es geheim geschehen, dass sie verunreinigt worden ist; es ist kein Zeuge gegen sie da, und sie ist nicht ertappt worden. Und es kommt über den Mann der Geist der Eifersucht, er ist eifersüchtig auf seine Frau, und sie ist verunreinigt worden, oder es kommt über ihn der Geist der Eifersucht, und er ist eifersüchtig auf seine Frau, und sie ist nicht verunreinigt worden« (5, 12–14).

Als Teil des Rituals soll der Mann ein Speiseopfer darbringen

In den zitierten Versen oszilliert die Tora zwischen der Möglichkeit, dass die Frau sowohl unschuldig als auch schuldig sein könnte, und bezieht sich durchgehend auf die Eifersucht des Mannes. Als Teil des Rituals soll er ein »Speiseopfer der Eifersucht« darbringen (5,15). Der Priester nimmt dann Staub vom Boden des Stiftzeltes und vermischt ihn mit Wasser. Dieses soll die Frau dann trinken. Im Falle ihrer Schuld soll »die Hüfte schwinden« und der »Bauch anschwellen«.

Daraus wurde ein gesamtes Traktat in der Mischna und im Talmud – wenngleich die Schilderung des Rituals nur einen kleinen Teil des Textes ausmacht. Im Talmud wird in diesem Zusammenhang über die Verlässlichkeit von Zeugenaussagen diskutiert.

Der Mischna zufolge (Sota 1,1) kann das Prozedere erst dann beginnen, wenn ein Mann seine Frau vor Zeugen davor gewarnt hat, mit einem anderen Mann gesehen zu werden. Aber nicht mit irgendeinem, sondern mit einem, der konkret benannt werden muss. In Sota 2,2 heißt es: »Sprich nicht mit dem Soundso.« Wird sie dann von Zeugen gesehen, wird unter Umständen auch das Ritual durchgeführt. Der Talmud schildert im Falle einer schuldigen Frau ausführlich ihre Demütigung. Es ist möglich, dass schon die Ankündigung dieser Strafen ein Schuldbekenntnis vor dem Ritual erzwingen sollte.

Der Abschluss des Rituals könnte das Misstrauen des Mannes gegenüber seiner Frau in diesem Fall auflösen – aber vielleicht nicht sein grundsätzliches Problem. Hinzu kommt: Frauen, die andere Verdienste aufzuweisen haben, hätten die Wirkung des Wassers verlangsamen können. Das lehrt jedenfalls die Mischna: »Mancher Verdienst schiebt um ein Jahr auf, mancher um zwei etc.«

Wir wissen nicht, ob das Ritual jemals zum Einsatz kam

Daraus leiten zwei Rabbinen unterschiedliche Schlussfolgerungen ab (Sota 3,4). Ben Assai lernt und lehrt daraus: »Man ist verpflichtet, seine Tochter Tora zu lehren, damit sie, wenn sie trinken muss, wisse, dass das Verdienst ihr den Aufschub bewirkt.« Rabbi Elieser hat die Befürchtung, dass die unterwiesene Tochter das System für sich nutzt: »Wenn jemand seine Tochter Tora lehrt, ist es so, als lehrte er sie Ausgelassenheit (Tiflut).« In der Mischna (Sota 9,9) heißt es, dass Jochanan ben Sakkai das Ritual abgeschafft habe. Aber wir wissen nicht, ob es überhaupt jemals zum Einsatz kam. Mit welcher Begründung? »Als die Ehebrecher sich mehrten, wurde das bittere Wasser abgeschafft.« Das klingt zunächst danach, als sei das Ritual durch die hohe Zahl der Ausschweifungen sinnlos geworden.

Tatsächlich aber verweist Jochanan ben Sakkai auf das »Kleingedruckte« des Rituals: Es funktioniert nur dann, wenn auch der Ehemann eine tadellos weiße Weste hat (4. Buch Mose 5,31). Ist er selbst schuldig, dann kann auch die Frau nicht überführt werden (Sota 47b): »Ist der Mann frei von Schuld, so prüft das Wasser seine Frau – ist der Mann nicht frei von Schuld, so prüft das Wasser seine Frau nicht.«

Was in jedem Falle helfen könnte? Vertrauen. Würden Männer in jedem Falle ihre Frau fragen und ihrem Wort vertrauen, hätte die Tora kein Ritual dazu vorschreiben müssen.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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