Rezension

Die Öko-Tora

Für Band 1 wählten die Autoren 450 biblische Verse aus, in denen die Tora Bezug auf die Umwelt nimmt. Foto: PR

Rezension

Die Öko-Tora

Die Jerusalemer Rabbiner Yonatan Neril und Leo Dee veröffentlichen Umwelt-Kommentare zu den fünf Büchern Mose

von Gundula M. Tegtmeyer  15.10.2020 09:57 Uhr

Leben wir im Zeitalter des Anthropozän? Dieser Begriff, geprägt vom Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen, ist ein Vorschlag zur Benennung einer neuen geochronologischen Epoche, in der wir Menschen zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf unseren Planeten Erde wurden. Wie positioniert sich das Judentum dazu? Können die fünf Bücher Mose »ökologisch« gelesen werden, die g’ttlichen Lehren der Hebräischen Bibel eine inspirierende Quelle und Ansporn für ein nachhaltigeres Leben sein?

Dieser spannenden und zeitgemäßen Frage gehen die Rabbiner Yonatan Neril und Leo Dee, beide Mitglieder des Interfaith Center for Sustainable Development (ICSD), in ihrer »Öko-Bibel« – die eigentlich eine »Öko-Tora« ist – auf den Grund.

Nachhaltigkeit Das ICSD mit Sitz in Jerusalem führt internationale Seminare und Konferenzen zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit durch. In seinen Öko-Seminaren schult es geistliche Führer aller Religionen und Konfessionen und unterstützt sie bei der Umsetzung konkreter Umweltprojekte in ihren Gemeinden.

Rabbiner Yonatan Neril gründete das ICSD und ist dessen Direktor. Aufgewachsen in Kalifornien, erhielt Neril seine Smicha in Israel. Rabbi Leo Dee ist ICSD-Programmdirektor.

In diesem Jahr feiert das ICSD sein zehnjähriges Bestehen mit der Herausgabe der »Öko-Bibel«. Es ist die erste ihrer Art. Band 1 – ökologische Kommentare zum ersten und zweiten Buch Mose – erscheint am 16. November, Band 2 zum dritten bis fünften Buch Mose soll 2021 veröffentlicht werden. Beide Bände sind auf Englisch erschienen.

Für Band 1 wählten die Autoren 450 biblische Verse aus, in denen die Tora Bezug auf unsere Umwelt nimmt, und sammelten Kommentare von mehr als 100 Rabbinern durch alle Jahrhunderte. Im 1. Buch Mose 9,15 lesen wir: »Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein zwischen mir und der Erde.«

Regenbogen Für Rabbiner Samson Raphael Hirsch, ein führender Vertreter des orthodoxen Judentums im 19. Jahrhundert und Begründer der Neo-Orthodoxie, reicht die Symbolik des Regenbogens als G’ttes »Bund des Friedens« mit der Menschheit und allen Geschöpfen über den Friedensbund hinaus. Hirsch interpretiert den Regenbogen als »ein ewig gültiges und komplexes Symbol der Vielfältigkeit, das über unser gegenwärtiges menschliches Vorstellungsvermögen weit hinausreicht. Menschliches Einwirken in die Natur kann unabsehbare Folgen haben, einschließlich auf Spezies, die wir noch nicht entdeckt haben«.

Rabbiner Shlomo Riskin, geboren 1940, merkt zum 1. Buch Mose 9,13 an: »Dem Regenbogen fehlt die zweite Hälfte zu einem Kreis der Ganzheit, G’tt kann versprechen, die Menschheit nicht zu zerstören.« Da Er aber die Menschheit mit freiem Willen geschaffen habe, könne Er nicht garantieren, dass die Menschheit sich nicht selbst vernichtet.

Rabbiner David Shlomo Rosen ruft uns die Lehren von Rabbi Löw aus Prag in Erinnerung: »Wer den Schöpfer wirklich liebt – wie es uns aufgetragen wurde –, liebt all Seine Werke. Die Schöpfung zu schützen, ist eine Manifestation unserer Liebe zum Schöpfer«.

Weisheit 2008 hatte Yonatan Neril bereits eine Sammlung von 54 Essays über den Tanach mit Fokus auf Ökologie herausgebracht. Über seine Motivation für die Öko-Tora sagt Neril: »Ich sah es als unerlässlich, verschiedene Einblicke in die ökologische Weisheit der gesamten Tora zu geben.« In der zweibändigen Ausgabe ergänzen zeitgenössische jüdische Wissenschaftler die Verse und rabbinischen Kommentare mit aktuellen Daten und Bewertungen zum Zustand der Umwelt.

Biografische Details informieren über die zitierten jüdischen Gelehrten. Textanmerkungen sowie ein Glossar machen die Bibelverse und rabbinischen Kommentare verständlich. Zudem geben die Autoren konkrete Anregungen und Anleitungen zu Umweltprojekten. Die »Öko-Bibel« verknüpft gut verständlich Religion und Wissenschaft. Sie versteht sich im Geiste von Rabbiner Shlomo ben Aderet, auch Raschba genannt, einem spanischen Talmud-Gelehrten, der im 12. Jahrhundert vom »stetigen Wachsen eines frischen Verstehens der biblischen Verse« sprach. Die Eco Bible, wie der englische Titel lautet, ist eine Quelle der Inspiration für all diejenigen, die eine tiefe Beziehung zum Tanach empfinden und sich zugleich um den Zustand unseres Planeten sorgen.

Chukat

Ein Tier, das Reinheit schafft

Wir können die Mizwa der Roten Kuh nicht verstehen – aber ihre Bedeutung erahnen

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  04.07.2025

Talmudisches

Die weibliche Idee hinter König David

Was Kabbalisten über Eschet Chajil, die tüchtige Frau, lehren

von Vyacheslav Dobrovych  04.07.2025

Jerusalem

Das falsche Grab

Das Buch der Könige gibt Auskunft darüber, wo David wirklich begraben wurde

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  03.07.2025

Interview

»Inhalte statt Konflikte produzieren«

Rabbinerin Elisa Klapheck will in ihrer zweiten Amtszeit als Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz zusammenführen

von Mascha Malburg  03.07.2025

Kirchen

Theologe Staffa kritisiert Apartheidsbeschluss des Weltkirchenrates

Der Apartheidsvorwurf sei einfach falsch, sagte der christliche Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christen und Juden beim Deutschen Evangelischen Kirchentag

von Stephan Cezanne  01.07.2025

Essay

Der Weltkirchenrat auf Abwegen

Die Organisation mit mehr als 350 meist protestantischen Kirchen stimmt in den Chor all derer ein, die ein antiisraelisches Lied nach dem anderen singen. Immer lauter. Immer wütender. Immer obsessiver

von Daniel Neumann  29.06.2025

Talmudisches

Beten gegen das Böse

Was unsere Weisen über den freien Willen und moralische Entscheidungen lehrten

von Vyacheslav Dobrovych  27.06.2025

Vertrauen

»Ich werde da sein«

Wo nur ist Gott auf dieser Welt? Er hat es Mosche gesagt

von Rabbiner David Kraus  27.06.2025

»Rising Lion«

Eine Löwin erhebt sich

Israels Militäroperation gegen den Iran trägt einen biblischen Namen. Was bedeutet er?

von Rabbiner Raphael Evers  27.06.2025