Ayala Goldmann

Die Kotel gehört allen

Was sich Ende Juni an der heiligen Stätte abspielte, war ein Albtraum

von Ayala Goldmann  14.07.2022 07:53 Uhr

Ayala Goldmann, Redakteurin Feuilleton Foto: Ayala Goldmann

Was sich Ende Juni an der heiligen Stätte abspielte, war ein Albtraum

von Ayala Goldmann  14.07.2022 07:53 Uhr

Von einer Bar- oder Batmizwa ihres Kindes an der Kotel in Jerusalem träumen viele jüdische Eltern in der Diaspora – nicht nur diejenigen, die sich eher der Orthodoxie zugehörig fühlen. Doch was sich am 30. Juni an der heiligen Stätte abspielte (am Robinson-Bogen rechts von der Mughrabi-Brücke, wo das kleine Areal »Esrat Israel« für das egalitäre jüdische Gebet reserviert ist), war nicht die Erfüllung eines Traums, sondern ein Albtraum.

Die Barmizwa-Feiern mehrerer Jungen aus den USA, an denen Männer und Frauen gemeinsam teilnahmen, wurden von ultraorthodoxen israelischen Rowdys gestört. Die jugendlichen Randalierer entrissen den Beterinnen und Betern die Siddurim und beschimpften die Gäste als »Tiere« und »Nazis«.

religionsfreiheit Was macht das mit einem 13-jährigen Jungen, der sich monatelang auf seinen großen Tag in Israel gefreut und vorbereitet hat? Und welche Botschaft senden diese Ausschreitungen an verunsicherte Juden in der Diaspora, deren Verbindung zu Israel ohnehin in Zeiten von BDS und wachsendem Antisemitismus auf die Probe gestellt wird? Das fragte sich auch Israels neuer Regierungschef Yair Lapid, der jetzt mit den Worten reagierte, Israel sei »das einzige westliche Land, in dem Juden keine Religionsfreiheit haben«.

Alle Jüdinnen und Juden wollen sich an der Kotel zu Hause fühlen – ganz gleich, nach welchem Ritus sie beten.

Dass bisher keine Regierung in Jerusalem (auch nicht die von Lapid mitgetragene Koalition unter seinem Vorgänger Naftali Bennett) den Kabinettsbeschluss von 2016 in die Tat umgesetzt hat, die temporäre Gebetsplattform auszubauen und formell zu etablieren, ist allerdings nur ein Teil des Problems. Egalitäre Zeremonien finden ja trotzdem statt und werden im Internet auf Hebräisch und Englisch auch beworben. Aber wen sollen sie anziehen, wenn vor Ort kein Respekt herrscht?

Die Jewish Agency, die schon den Beschluss von 2016 vermittelt hat, macht sich unter ihrer soeben neu gewählten Führung wieder für »Esrat Israel« stark. Doch für einen Erfolg braucht es mehr als gute Absichten, vor allem aber echten Schutz. Notfalls durch mehr Polizei. Denn alle Jüdinnen und Juden wollen sich an der Kotel zu Hause fühlen – ganz gleich, nach welchem Ritus sie beten.

goldmann@juedische-allgemeine.de

Wajischlach

Wahre Brüder, wahre Feinde?

Die Begegnung zwischen Jakow und Esaw war harmonisch und belastet zugleich

von Yonatan Amrani  13.12.2024

Talmudisches

Licht

Was unsere Weisen über Sonne, Mond und die Tora lehren

von Chajm Guski  13.12.2024

Hildesheimer Vortrag

Das Beste im Menschen sehen

Der Direktor der Yeshiva University, Rabbiner Ari Berman, zeigt einen Ausweg aus dem Frontendenken unserer Zeit

von Mascha Malburg  13.12.2024

Debatte

Rabbiner für Liberalisierung von Abtreibungsregelungen

Das liberale Judentum blickt anders auf das ungeborene Leben als etwa die katholische Kirche: Im jüdischen Religionsgesetz gelte der Fötus bis zur Geburt nicht als eigenständige Person, erklären liberale Rabbiner

von Leticia Witte  11.12.2024

Vatikan

Papst Franziskus betet an Krippe mit Palästinensertuch

Die Krippe wurde von der PLO organisiert

 09.12.2024

Frankfurt

30 Jahre Egalitärer Minjan: Das Modell hat sich bewährt

Die liberale Synagogengemeinschaft lud zu einem Festakt ins Gemeindezentrum

von Eugen El  09.12.2024

Wajeze

»Hüte dich, darüber zu sprechen«

Die Tora lehrt, dass man ein Gericht anerkennen muss und nach dem Urteil nicht diskutieren sollte

von Chajm Guski  06.12.2024

Talmudisches

Die Tora als Elixier

Birgt die Tora Fallen, damit sich erweisen kann, wer zur wahren Interpretation würdig ist?

von Vyacheslav Dobrovych  06.12.2024

Hildesheimer Vortrag 2024

Für gemeinsame Werte einstehen

Der Präsident der Yeshiva University, Ari Berman, betonte die gemeinsamen Werte der jüdischen und nichtjüdischen Gemeinschaft

von Detlef David Kauschke  05.12.2024