Neulich beim Kiddusch

Das schwache Geschlecht

Foto: Fotolia

Fast wäre dieser Text nicht rechtzeitig fertig geworden. Denn ich hatte hohes Fieber und musste mich von meiner Frau versorgen lassen. Die ganze Nacht hatte ich Schüttelfrost und konnte schlecht schlafen. Auf sage und schreibe 38 Grad stieg das Thermometer! Mehrmals in der Nacht habe ich nachgemessen. Dazu musste ich das Licht anschalten, wie hätte ich sonst das Ergebnis ablesen können. Ich habe dann jedes Mal meine Frau geweckt und ihr meine Temperatur mitgeteilt. Denn sicher war sie besorgt um mich. Ich habe eine Fieberkurve erstellt und die aktuellen Ergebnisse eingetragen. Eine Excel-Tabelle.

Vermutlich war es ansteckend. Meine Frau sah am nächsten Morgen auch ganz angegriffen aus. Sie sagte, sie hätte kaum geschlafen. Aber ich war mir sicher, sie würde es leicht wegstecken. Frauen sind robuster und widerstandsfähiger als Männer. Schließlich steckt ihr Körper ja auch die Qualen der Geburt relativ leicht weg.

Grübeln Die Nachwirkungen meines Fiebers hielten noch Tage an. Vorsichtshalber habe ich in den folgenden Nächten stündlich nachgemessen. Was für ein Fieber! Ein Albtraum. Ich habe viel darüber nachgegrübelt, wo ich mich hätte angesteckt haben können. Vermutlich war es keine Ansteckung, sondern eine Folge der Pessachnahrung. Eine Tortur! Die plötzliche Umstellung des Speiseplans lässt einen Organismus, der auf höchste Leistung trainiert ist, sensibel reagieren. Aber noch schlimmer ist Jom Kippur. Gleich nach dem Aufstehen spüre ich, dass mein Körper gemartert wird. Dieser unfassbare Hunger, dieses unfassbare Gefühl von Durst!

Als leidgeprüfter Mann kenne ich die Leiden meiner Geschlechtsgenossen und habe gelernt, dass es mit voranschreitendem Alter nicht besser wird. Nein, wir werden sensibler! Kürzlich begann in der Synagoge hinter mir ein älterer Mann während des Gebets zu seufzen. Leise aber hörbar. Zunächst mit großen Pausen, doch dann wurden die Abstände immer kürzer. Ähnlich wie bei Wehen. Ein paar Mal blickte ich mich um. Alles sah normal aus. Der Mann machte einen gesunden Eindruck. Schließlich flüsterte er in seinem wehenhaften Seufzen: »Oooh, ich habe so einen Durst!« Natürlich. In der Synagoge war es warm. Kurze Zeit später wieder: »Ooooohh, ich habe so einen Durst!« Nach dem zwanzigsten Wehklagen besorgte ich ihm einen Plastikbecher mit Wasser. Ein Abenteuer für sich, denn ich war mir nicht sicher, ob es sich gehört, Getränke mit ins Morgengebet zu bringen.

Wasser Als Retter in der Not versorgte ich jedenfalls den Verdurstenden mit Wasser. Doch nach einigen Minuten setzten die Wehen von Neuem ein. Zuerst in größeren Abständen, später immer häufiger. Als ich es nicht mehr aushielt, fragte ich, was nicht in Ordnung sei. »Ooooh!«, sagte der Mann, »ich hatte einen so starken Durst, ich hatte so starken Durst!«

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025