Jom Kippur

»Da bückten sie sich und fielen auf ihr Angesicht«

Beim Sündenbekenntnis im Tempel

Jom Kippur

»Da bückten sie sich und fielen auf ihr Angesicht«

Ein neuer Bildband illustriert die vielfältigen Aufgaben des Kohen Hagadol an Jom Kippur im Tempel

von Yizhak Ahren  15.09.2021 08:17 Uhr

Was soll man vor Jom Kippur tun? Eine bestimmte Form der Ernährung ist wichtig, damit das von der Tora gebotene Fasten an Jom Kippur keine Schwierigkeiten bereitet. Ärzte raten, am Vortag mindestens zehn Gläser Wasser zu trinken und bei der letzten Mahlzeit sowohl süße als auch scharfe Speisen zu meiden, damit man am nächsten Tag nicht durstig wird. Außerdem ist es angebracht, sich intensiv mit der Liturgie zu beschäftigen, die man in der Synagoge spricht.

Doch auch wenn Jom Kippur schon vorbei ist, könnte ein großformatiges Bilder-Album, das vor wenigen Wochen in Israel erschienen ist, sicherlich auch in Deutschland interessierte Leser finden – es beschreibt den einstigen Tempeldienst (hebräisch: Awoda) an Jom Kippur und macht ihn verständlich.

mussaf-gebet In der Wiederholung des Mussaf-Gebets durch den Vorbeter wird die Awoda wortreich beschrieben: Der Hohepriester (Kohen Gadol) hatte eine genau festgelegte Tagesordnung, nach der eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen war. Durch einfache Bilder können wir das vielfältige Geschehen im Heiligtum begreifen, und genau solche Bilder bietet uns die prachtvolle Publikation.

Ruth Beifuss hat die aussagekräftigen Zeichnungen angefertigt; die jeden der Awoda-Schritte erläuternden Texte in hebräischer Sprache hat Rabbi Moshe Menachem Levin verfasst. Sachliche Ausführungen und Illustrationen ergänzen einander auf gelungene Weise.

Es dürfte viele Leser überraschen, wenn sie erfahren, was der Kohen Gadol, der Vertreter des jüdischen Volkes vor Gott, an Jom Kippur alles zu machen hatte. Er musste im Laufe des heiligen Tages ein Dutzend Opfertiere schlachten und Blut auf die Wand des Altars sprengen, Lose ziehen zur Bestimmung des sogenannten Sündenbocks, bestimmte Abschnitte aus einer Torarolle vorlesen und eine Passage auswendig vortragen.

allerheiligstes Allein betrat er den innersten Teil des Allerheiligsten mit einer Schaufel voll glühender Kohlen; darauf tat er dann Spezereien, sodass eine Wolke des Räucherwerks den Raum füllte. Insgesamt ging der Kohen Gadol an Jom Kippur fünfmal in ein Tauchbad, und zehnmal wusch er Hände und Füße gleichzeitig. Beifuss’ Zeichnungen zeigen, wie diese rituelle Waschung aussah.

Im Jom-Kippur-Gottesdienst heute erinnern wir an das Ritual im Heiligtum, und in einem Punkt ahmen die Beter das Geschehen während der Awoda nach.

Im Jom-Kippur-Gottesdienst heute erinnern wir an das Ritual im Heiligtum, und in einem Punkt ahmen die Beter das Geschehen während der Awoda nach. Bei den drei Sündenbekenntnissen, die der Hohepriester sprach, erwähnte er jeweils den sonst nie ausgesprochenen Namen Gottes.

Dazu heißt es im Machsor: »Die Priester aber und das Volk, das in der Vorhalle stand, vernahmen den erhabenen Gottesnamen, wie er klar und deutlich aus dem Mund des Kohen Gadol kam in Weihe und Reinheit; da bückten sie sich und fielen auf ihr Angesicht.« Heute noch fallen die Beter bei der Rezitation dieser Stelle auf ihr Angesicht – obwohl der ehrwürdige Gottesname selbstverständlich niemals in einer Synagoge ausgesprochen wird.

awoda Als die Awoda an Jom Kippur noch praktiziert wurde, brachte der fortgeschickte Sündenbock Sühne für ganz Israel. Wie ist unsere Situation heute einzuschätzen, da wir die Awoda nur in einem Bilderbuch betrachten können und sie an Jom Kippur in der Wiederholung des Mussaf-Gebets lediglich beschreiben?

Die Antwort von Moses Maimonides auf diese Frage lautet: »Jetzt, da das Heiligtum nicht mehr besteht und der Altar uns keine Sühne bringen kann, gibt es nur die Umkehr, hebräisch: Teschuwa. Die Teschuwa bringt Sühne für alle Gesetzesübertretungen (…) Das Wesen des Versöhnungstages besteht darin, dass er denen, die umkehren, Sühne bringt« (Hilchot Teschuva 1,3).

Moshe Menachem Levin: »Besot javo Aharon« (3. Buch Mose 16,3), 215 S. im Format 23x34 cm, 150 NIS (39,44 €)
Die Bestellung ist per Mail möglich unter: mb50550@gmail.com

Chanukka

Das jüdische Licht

Die Tempelgeschichte verweist auf eine grundlegende Erkenntnis, ohne die unser Volk nicht überlebt hätte – ohne Wunder kein Judentum

von Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky  12.12.2025

Deutschland-Reise

Israels Oberrabbiner besucht Bremen

Kalman Meir Ber trifft Bürgermeister Andreas Bovenschulte und die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Antje Grotheer (beide SPD)

 12.12.2025

Wajeschew

Ein weiter Weg

Das Leben Josefs verlief nicht geradlinig. Aber im Rückblick erkennt er den Plan des Ewigen

von Rabbinerin Yael Deusel  12.12.2025

Talmudisches

Nach der Sieben kommt die Acht

Was unsere Weisen über die Grenze zwischen Natur und Wunder lehren

von Vyacheslav Dobrovych  12.12.2025

Chanukka

Nach dem Wunder

Die Makkabäer befreiten zwar den Tempel, doch konnten sie ihre Herrschaft nicht dauerhaft bewahren. Aus ihren Fehlern können auch wir heute lernen

von Rabbiner Julian-Chaim Soussan  12.12.2025

Quellen

Es ist kompliziert

Chanukka wird im Talmud nur selten erwähnt. Warum klammerten die Weisen diese Geschichte aus?

von Rabbiner Avraham Radbil  11.12.2025

Religion

Israels Oberrabbiner erstmals auf Deutschlandbesuch

Kalman Ber startet seine Reise in Hamburg und informiert sich dort über jüdisches Leben. Ein Schwerpunkt: der geplante Neubau einer Synagoge

 10.12.2025

Thüringen

Jüdische Landesgemeinde und Erfurt feiern Chanukka

Die Zeremonie markiert den Auftakt der inzwischen 17. öffentlichen Chanukka-Begehung in der Thüringer Landeshauptstadt

 08.12.2025

Wajischlach

Zwischen Angst und Umarmung

Die Geschichte von Jakow und Esaw zeigt, wie zwei Brüder und zwei Welten wieder zueinanderfinden

von Rabbiner Joel Berger  05.12.2025