Talmudisches

Chiskijahus Gebet in tiefster Not

»Wenn er mich auch tötet, hoffe ich dennoch auf ihn« (Hiob 13,15). Foto: Thinkstock

Im 8. Jahrhundert v.d.Z. herrschte in Jehuda König Chiskijahu. Wir lesen von ihm im zweiten Buch der Könige und im Buch Jeschajahu. »In jener Zeit erkrankte Chiskijahu zum Sterben. Da kam zu ihm Jeschajahu Ben Amoz, der Prophet, und sagte zu ihm: ›So spricht der Ewige: Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben und nicht leben‹ (Jeschajahu 38,1).«

Der Talmud (Berachot 10ab) kommentiert: »Was heißt ›denn du wirst sterben und nicht leben‹? – Sterben wirst du in dieser Welt und nicht leben in der künftigen Welt. Chiskijahu sprach zu ihm (Jeschajahu): Weshalb dies alles? Jeschajahu erwiderte: Weil du nicht die Fortpflanzung gepflegt hast.« Daraufhin erwiderte Chiskijahu: »Weil ich im heiligen Geist geschaut, dass mir ungeratene Kinder entstammen werden.«

geheimnisse Und Jeschajahu entgegnete: »Was gehen dich die Geheimnisse des Allbarmherzigen an? Du solltest tun, was dir geboten, und der Heilige, gepriesen sei Er, mag tun, was Ihm gefällt.« Da kam Chiskijahu eine Idee, und er sprach: »So gib mir deine Tochter. Vielleicht bewirken meine und deine Verdienste zusammen, dass mir geratene Kinder entstammen.« Doch Jeschajahu erwiderte: »Das Unheil ist bereits über dich verhängt.«

Aber Chiskijahu gab die Hoffnung nicht auf und sprach: »Sohn von Amoz, hör mit deiner Weissagung auf und geh weg! Folgendes ist mir aus dem Hause meines Ahnherrn überliefert: Selbst wenn ein scharfes Schwert auf dem Hals des Menschen ruht – verzweifle nicht an der Barmherzigkeit!« Welcher Ahnherr des Königs ist gemeint? Raschi (1040–1105) erklärt, Chiskijahu habe sich auf König David bezogen, der einen Engel mit gezücktem Schwert erblickte und selbst in dieser Situation noch um Barmherzigkeit bat (2. Samuel 24).

Im Talmud wird Chiskijahus Argument von mehreren Gelehrten bekräftigt: »Rabbi Jochanan und Rabbi Elieser sagten beide: Selbst wenn ein scharfes Schwert schon auf dem Hals des Menschen ruht, verzweifle er an der Barmherzigkeit nicht, denn es heißt: ›Wenn er mich auch tötet, hoffe ich dennoch auf ihn‹ (Hiob 13,15). Rabbi Chana sagte: Selbst wenn der Traumengel zu einem Menschen sagt, dass er morgen sterben werde, verzweifle er nicht an der Barmherzigkeit, denn es heißt: ›Wo viele Träume, da Eitelkeit und viele Worte. Vielmehr fürchte Gott!‹ (Kohelet 5,6).«

prophet Was tat der um sein Leben besorgte König, nachdem er den Propheten zum Verlassen des Raums aufgefordert hatte? »Chiskijahu kehrte sein Antlitz zur Wand und betete zum Herrn. Er sprach: ›Ewiger, gedenke doch, wie ich vor Dir gewandelt in Wahrheit und mit ganzem Herzen, und wie ich getan, was gut ist in Deinen Augen!‹ Und Chiskijahu weinte laut« (Jeschajahu 38, 2–3).

Chiskijahus Gebet wurde sofort erhört, und Jeschajahu erhielt den Befehl: »Geh und sprich zu Chiskijahu: So spricht der Ewige, der Gott Davids, deines Vaters: Ich habe dein Gebet gehört, Ich habe deine Tränen gesehen. Siehe, Ich füge zu deinen Lebenstagen 15 Jahre hinzu« (38,5).

Ein Midrasch merkt an, es sei Jeschajahu nicht leichtgefallen, seine erste Prophezeiung zurückzunehmen und Chiskijahu die frohe Botschaft zu verkünden, sein in der Not gesprochenes Gebet sei von Gott erhört worden.

tradition Eine alte Tradition, die in einigen Handschriften des Talmuds sowie im Werk Ejn Jakov erhalten ist, weiß zu berichten, dass Jeschajahu schließlich der Bitte des Königs entsprach und ihm seine Tochter zur Frau gab. Aus dieser Ehe ging Menasche hervor, der seinem Vater im Alter von zwölf Jahren auf dem Thron folgte.

König Chiskijahu hatte erklärt, er befürchte, ihm werden ungeratene Kinder entstammen. In diesem Punkt sollte er recht behalten: In den Augen unserer Weisen war König Menasche ein großer Übeltäter. Nach einer talmudischen Überlieferung (Jewamot 49b) brachte Menasche den Propheten Jeschajahu, seinen Großvater, um.

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025

Trauer

Eine Brücke zwischen den Welten

Wenn ein Jude stirbt, gibt es viele hilfreiche Riten. Doch auch für Nichtjuden zeigt die Halacha Wege auf

von Rabbiner Avraham Radbil  05.09.2025

Ki Teze

In Seinem Ebenbild

Was der Tanach über die gesellschaftliche Stellung von Frauen sagt

von Rabbinerin Yael Deusel  04.09.2025

Anti-Judaismus

Friedman: Kirche hat »erste globale Fake News« verbreitet

Der gebürtige Pariser warnte zudem vor weltweiten autokratischen Tendenzen und dem Verlust der Freiheit

 02.09.2025