Neujahr

Am achten Tag

»Tora, Chuppa und Ma’asim Tovim« Foto: Thinkstock

Es ist ein altes Klischee, dass Jesus ein netter jüdischer Junge war. Und wie allen netten jüdischen Jungen wurde ihm gut eine Woche nach der Geburt ein kleines Stück Haut entfernt – damit der Rest noch jüdischer werden konnte. (Ich rate Eltern immer, dass sie, wenn sie ihre Söhne in zwei Teile schneiden – in ein großes und ein kleines – darauf achten sollen, das Richtige zu behalten. Andererseits könnte, wer weiß, ein Politiker daraus werden.)

Im sogenannten Neuen Testament heißt es bei Lukas 2,21: »Und als acht Tage um waren und man das Kind beschneiden musste, gab man ihm den Namen Jesus, wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war.« Acht Tage nach Weihnachten, also am 1. Januar. Daher leitet sich in der katholischen Liturgie übrigens der Begriff Oktavtag ab.

CHAI
Die Vorhaut des armen Jungen soll der Legende nach von einer Hebamme gestohlen und im Jahr 800 von einem Engel an König Karl gegeben worden sein, der sie wiederum dem Papst gab! Je nachdem, an welche Legende man glauben möchte, gab es später bis zu 18 Vorhäute Jesu im mittelalterlichen Europa (sollte das 18 für »Chai« stehen?). Und sie alle hatten übernatürliche Kräfte. Zugegeben, wenn das gleiche Stück des Penis an 18 Orten gleichzeitig sein kann, klingt das für mich schon ziemlich wunderbar. Die meisten Männer haben genug Probleme, ihn an einem Ort zu halten.

Verschiedene Kirchen begehen oder begingen diesen Tag unterschiedlich. Bis etwa zum Jahr 1960 hat auch die katholische Kirche den ersten Januar als »Fest der Beschneidung des Herrn« gefeiert. Doch dann hat Papst Johannes XXIII. einige liturgische Reformen eingeführt, und dieser Tag wurde heruntergespielt. Vermutlich sollten katholische Priester alles von diesem Glied vergessen, damit sie nicht aus dem Konzept gebracht würden. Wie wir wissen, hat das nicht immer funktioniert.

Die Anglikaner beziehen sich auf die »Benennung und Beschneidung Jesu Christi«, die Lutheraner haben das Fest zumindest bis vor Kurzem gefeiert, die orthodoxen Kirchen kombinieren es mit den Neujahrsgebeten.

GROSSMUTTER
Aus jüdischer Sicht ist verstörend, dass Jesus keine Chuppa hatte. Das Ritual der Brit Mila beinhaltet das Gebet, dass der Junge »Tora, Chuppa und Ma’asim Tovim« erhält, also eine jüdische Erziehung, Ehe und gute Taten. Hier, so müssen wir leider sagen, hat Jesus versagt. Durch ihn wurde aus Maria nie eine jüdische Großmutter. Ein guter Grund für uns, nach wie vor sehr misstrauisch gegenüber dieser neuen Religion und ihrem Gründer zu sein.

Und natürlich, wenn dies ein richtig jüdisches Fest wäre, gäbe es auch ein passendes Menü. Seien wir also kreativ! Zum Beispiel hätte es Brathähnchen geben können (zuerst die Haut abziehen!). Oder Wiener. Oder eine Salami, die »Schalom« symbolisiert, denn immerhin sind beide Enden beschnitten. Kleine runde Kartoffeln und Karotten – geschält, und natürlich müsste von den Karottenenden etwas abgeschnitten werden. Es gäbe Lesungen aus dem 1. Buch Moses 17 und vielleicht ein spezielles Dreidelspiel, um an ein Wunder zu erinnern: »Penis gadol haja scham«. Die Möglichkeiten wären – wie ein beschnittener Penis – endlos.

Dieser Text erschien zum ersten Mal im Dezember 2012.

Beschalach

Selbst wirksam werden

Die Tora lehrt, dass der Mensch etwas riskieren muss, bevor ein gʼttliches Wunder geschehen kann

von Rabbiner Bryan Weisz  07.02.2025

Talmudisches

Torastudium

Über die Heilung für den Frust unbeantworteter Gebete

von Vyascheslav Dobrovych  07.02.2025

Trauer

Gibt es jüdische Märtyrer?

Unser Autor besucht als Rabbiner in Israel Familien, die ihre Söhne im Krieg verlieren. Wie kann er sie trösten?

von Rabbiner Raphael Evers  07.02.2025

Tu Bischwat

Neujahr auf der Fensterbank

Anders als in Israel kann man im kalten deutschen Winter keine Bäume pflanzen. Doch es gibt Alternativen, um den Feiertag mit Bedeutung zu füllen

von Helene Shani Braun  06.02.2025

Mazze und Kidduschwein

Pessach-Pakete für junge Gemeindemitglieder bestellbar

Wahlweise kann auch eine Haggada enthalten sein

 04.02.2025

Bo

Lass mein Volk ziehen!

Was Mosches Kampf gegen den Pharao und die Auswanderung von Juden aus der Sowjetunion gemein haben

von Yonatan Amrani  31.01.2025

Talmudisches

Olivenöl

Was unsere Weisen über den pflanzlichen Rohstoff lehren

von Chajm Guski  31.01.2025

Erlösung

Sehnsucht macht blind

Wie kann es sein, dass Menschen immer wieder an einen Messias glaubten, der am Ende keiner war?

von Sophie Bigot-Goldblum  30.01.2025

Talmudisches

Um Wunder bitten

Was unsere Weisen über die Rettung aus Gefahren lehren

von Diana Kaplan  24.01.2025