Einspruch

Zwiespältiges Erbe

Micha Brumlik will nicht, dass mit dem Abschied vom Reformationsjahr Luthers Antisemitismus verdrängt wird

von Micha Brumlik  30.10.2017 14:27 Uhr

Micha Brumlik Foto: Uwe Steinert

Micha Brumlik will nicht, dass mit dem Abschied vom Reformationsjahr Luthers Antisemitismus verdrängt wird

von Micha Brumlik  30.10.2017 14:27 Uhr

Mit dem überall in Deutschland als Feiertag begangenen Reformationstag am 31. Oktober ist das Reformationsjahr 2017 zu Ende gegangen. Für Jüdinnen und Juden ist die Reformation ein zwiespältiges Erbe: So sehr sie einerseits die Hebräische Bibel, das sogenannte Alte Testament, bekannt machte, so sehr war doch mindestens eine ihrer zentralen Figuren, Martin Luther, auch der Begründer des modernen Antisemitismus – nicht nur des theologischen Antijudaismus.

Daran zu erinnern, dafür habe ich am vergangenen Samstag mit dem Hamburger Pfarrer Uwe Hentschel sowie dem Theologen und Koptologen Uwe Plisch auf dem Marktplatz in der Lutherstadt Wittenberg, vor der Stadtkirche demonstriert. Warum?

»Judensau« An der dortigen Stadtkirche ist in mehreren Metern Höhe das Relief einer »Judensau« angebracht, einer Abbildung, die mehrere Juden zeigt, die an Zitzen und Anus dieses Tieres saugen. Martin Luther, der Juden mit allen Maßnahmen – ausgenommen die Ermordung –, die später die Nationalsozialisten exekutierten, bedrohte, bezog sich in seiner Schmähschrift von 1543 Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi positiv auf genau diese Abbildung. So war es nur schlüssig, dass die Skulptur an der Stadtkirche 1573 um die Inschrift »Rabini Schem Ha Mphoras« erweitert und somit als »Luthersau« bekannt wurde.

1988, noch zu DDR-Zeiten, haben einige mutige Kirchenvertreter eine Gedenkplatte in den Boden vor dem Kirchturm eingelassen – ihrer gestalterischen Abstraktheit wegen aber muss sie unverständlich bleiben und wird daher leicht übersehen. Wir haben dafür demonstriert, dass eben dort, am historischen Ort, ein unübersehbares Zeichen der Erinnerung an diese Schande Luthers, auf die sich später die Nationalsozialisten berufen konnten, errichtet wird.

Denn: Die Stadt Wittenberg ist UNESCO-Weltkulturerbe. Kultur aber ist keineswegs nur das Schöne und Gute, sondern stets Ausdruck ihrer Zeit, im Guten wie im Bösen.

Der Autor ist Publizist und Erziehungswissenschaftler in Berlin.

Würdigung

»Der neunte Ton ist der gute Ton« 

Peter Maffay und Armin Laschet in einer Stuhlreihe in Düsseldorf: Was hat es damit auf sich? Es geht um Antisemitismus und um Wege, ihn zu bekämpfen

von Nikolas Ender  13.11.2024

Debatte

Rechtspopulist Wilders: Schuldige für Angriffe auf Juden ausbürgern

Die Täter müssten streng bestraft werden und dazu gehöre auch der Entzug der niederländischen Staatsangehörigkeit, wenn die Person die doppelte Staatsangehörigkeit habe

 13.11.2024

Verfassungsschutz darf AfD Baden-Württemberg beobachten

 13.11.2024

Meinung

Antisemitismus-Resolution: Und jetzt?

In zwei Gastbeiträgen plädieren die Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig (CSU) und Marlene Schönberger (Grüne) für ein entschiedenes Handeln gegen Judenhass

von Daniela Ludwig, Marlene Schönberger  13.11.2024

Berlin/Leipzig

Studie verzeichnet Zunahme von Judenhass in Westdeutschland

Bei eindeutig antisemitischen Einstellungen zeigen sich Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland

 13.11.2024

Verfassungsschutzpräsident

Haldenwang ist raus

Jetzt ging es schneller als erwartet. Da er beabsichtigt, für die CDU zu kandidieren, ist für Haldenwang an der Spitze des Verfassungsschutzes Schluss. Was heißt das für die AfD?

von Anne-Beatrice Clasmann  13.11.2024

Internet

Schoa-Literatur auf Amazon verzweifelt gesucht

Warum das Buch des Auschwitz-Überlebenden Miklós Nyiszli plötzlich gegen die Konzern-Richtlinien verstieß und verschwand

von Martin Krauß  13.11.2024

Judenhass

Bundesweite Razzien wegen antisemitischer Hasspostings

Im Fokus der Durchsuchungen stehen vor allem die Urheber antisemitischer Hassbotschaften im Netz. Die Zahlen steigen stark. Das Bundeskriminalamt nennt Gründe

 13.11.2024

Fußball

Fußball: Anspannung vor Israels Spiel in Paris

Wegen der Angriffe auf Israelis in Amsterdam sind die Sicherheitsbehörden in erhöhter Bereitschaft

von Rachel Boßmeyer, Sara Lemel  13.11.2024