Am 12. August wird George Soros 95 Jahre alt. Das ist ein Grund zu feiern und gefeiert zu werden: Er ist sehr reich, einer der erfolgreichsten Investoren der Welt sowie ein unermüdlicher Unterstützer von Demokratie und Bildung. Doch Soros ist nicht nur als Wohltäter beliebt - er ist vielmehr zu einer globalen Chiffre für Antisemitismus und Verschwörungsmythen geworden.
Geboren 1930 in Budapest als György Schwartz, überlebte Soros als Kind jüdischer Eltern in Ungarn den Holocaust. »1944, das Jahr der deutschen Besatzung, war für mich ein prägendes Erlebnis. Statt uns in unser Schicksal zu fügen, leisteten wir Widerstand gegen eine böse Macht, die viel stärker war als wir - und doch haben wir gesiegt«, sagte er rückblickend. Nach dem Krieg zog er nach London, studierte bei dem Philosophen Karl Popper und wanderte später in die USA aus, wo er mit Finanzgeschäften ein Milliardenvermögen erzielte.
Milliarden für offene Gesellschaften
Sein Geld legt Soros seit 1979 in der weltweit tätigen Stiftung »Open Society Foundation« an. Die Stiftung verfügt über ein Vermögen von rund 23 Milliarden Dollar, was sie zu einer der reichsten Stiftungen überhaupt macht. Sie ist aktiv im Bereich Menschenrechte, Demokratieförderung und Rechtsstaatlichkeit, mit einem starken Fokus auf Osteuropa und den Globalen Süden.
Genau dieses Engagement macht den Gründer zur Zielscheibe für Antisemiten und Verschwörungstheoretiker. Sein Einsatz für eine offene Gesellschaft, für Minderheitenrechte und eine funktionierende Demokratie wird von Gegnern als »globale Verschwörung« diffamiert; Soros selbst als Teil einer »globalen Elite«. Dämonisierung als jüdischer »Strippenzieher«
Die Erzählung vom angeblich allmächtigen Juden, der im Hintergrund die Welt lenkt, hat eine lange Tradition. Bereits im 19. Jahrhundert kursierten Hetzschriften wie die »Protokolle der Weisen von Zion«, die eine jüdische Weltverschwörung konstruieren. Soros’ Reichtum und sein Bekenntnis zu liberalen Werten machen ihn gewissermaßen zu einem »idealen« Feindbild für Antisemiten.
In Ungarn hat ihn Ministerpräsident Viktor Orban gezielt zur Hassfigur aufgebaut. Soros wurde als angeblicher Drahtzieher einer »Umvolkung« Europas dargestellt, der Migranten nach Europa »schleusen« wolle. Diese Kampagnen waren politisch motiviert und bedienten klassische antisemitische Bilder.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Vertreibung der Central European University (CEU), die Soros 1991 in Budapest gegründet hatte. Sie sollte als Symbol für akademische Freiheit dienen, musste jedoch 2019 nach Wien ausweichen, weil Orban ihre Arbeit mit verschiedenen Gesetzen gezielt unmöglich machte und dabei wieder einmal auf antisemitische Vorurteile zurückgriff.
Globales Feindbild
Auch in den USA und weltweit ist Soros zur zentralen Figur antisemitischer Erzählungen geworden. In rechtsextremen Kreisen und deren Medien wird ihm vorgeworfen, Proteste gegen US-Präsident Donald Trump zu finanzieren oder Bewegungen wie »Black Lives Matter« initiiert zu haben.
In Deutschland verbreiten Rechtsextreme ebenfalls Verschwörungsmythen über Soros, wonach dieser im Zentrum einer »globalistischen Elite« stehe, die einen »Bevölkerungsaustausch« anstrebe. Soros wurde außerdem mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sowie der folgenden Impfkampagne in Verbindung gebracht.
Antisemitismus im digitalen Zeitalter
Soros wird als Einzelperson angegriffen, doch die Kritik zielt in der Regel auf Jüdinnen und Juden allgemein. Sein Name dient als Codewort, um Antisemitismus anschlussfähig zu machen und in gesellschaftlich akzeptierte »Kritik« zu verpacken.
Soziale Netzwerke verstärken diesen Effekt. Memes und verkürzte Botschaften verbreiten das Bild vom »jüdischen Puppenspieler«, der Medien, Hilfsorganisationen und Regierungen steuere. Soros wird so von Antisemiten zur Projektionsfläche für diverse Ängste aufgebaut: vor Globalisierung, Migration und gesellschaftlichem Wandel.
Sein Sohn hat die Nachfolge angetreten
Wenn also jemand sagt »Da steckt George Soros dahinter«, kann man davon ausgehen, dass diese Aussage antisemitisch gefärbt ist. Wird diese judenfeindliche Zielrichtung in Zukunft auch Soros’ Sohn betreffen?
Vor zwei Jahren hat George Soros sowohl sein Firmenimperium als auch seine Stiftung an seinen Sohn Alexander übergeben. Dieser kündigte damals an, politischer als sein Vater zu sein. »Wir werden unser Engagement für das Wahlrecht und die persönliche Freiheit im eigenen Land verdoppeln und die Sache der Demokratie im Ausland unterstützen«, erklärte Alexander Soros im Interview mit dem »Wall Street Journal«.