Stuttgart

Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Teilnahme an Bildungsmesse

Besucher der Bildungsmesse Didacta laufen in den Hallen der Messe Stuttgart am Logo der Messe vorbei (Wischeffekt durch Langzeitbelichtung). Foto: picture alliance/dpa

Der Protest gegen den geplanten Stand der AfD bei der am Dienstag beginnenden Bildungsmesse didacta in Stuttgart wächst. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie internationale kirchliche Hilfswerke sehen die Teilnahme der AfD an Europas größter Bildungsmesse kritisch. »Unsere Haltung zur AfD ist ganz klar. Wir haben daher Sympathien für den Protest aus der Zivilgesellschaft«, sagte ein Sprecher des Zentralrats am Donnerstag dem Südwestrundfunk (SWR).

In einer am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung äußerten die Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor »große Besorgnis« über die Teilnahme der AfD. Eine Bildungsmesse, die sich an Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und weiteres Fachpersonal richte, müsse »frei von rechtsextremen und demokratiefeindlichen Einflüssen bleiben«, betonte Petra Kohts, Leiterin des Referates »Globales Lernen« beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt. Die Zulassungsbedingungen für Aussteller müssten dringend überprüft und geschärft werden. »Werte, die die AfD nicht vertritt«

Franz Gulde, Leiter der Bildungsabteilung des katholischen Hilfswerkes Misereor, unterstrich, die didacta trage die Verantwortung dafür, demokratische Grundwerte zu schützen. Dem widerspreche eine Zulassung der Teilnahme der AfD. In einer demokratischen und vielfältigen Gesellschaft würden Menschen- und Kinderrechte geachtet, geschützt und gefördert - »Werte, die die AfD nicht vertritt«, hieß es der Erklärung der Hilfswerke.

Protest aus der Zivilgesellschaft

Am Mittwoch hatten bereits Bildungsgewerkschaften und ein bundesweites Bündnis von Schüler-, Eltern- und Lehrerverbänden gefordert, dass die Bildungsmesse »kein Forum für demokratiefeindliche Parteien bieten« dürfe.

Laut offiziellem Statement der Veranstalter nehmen in diesem Jahr erstmalig auch Parteien als Aussteller teil. Der didacta-Verband und die Messe Stuttgart haben die Auffassung geäußert, dass sie den AfD-Stand nicht verbieten könnten.

Die Messe Stuttgart erklärte, die einschlägigen Zulassungskriterien der didacta sähen auch »politische Institutionen« als potenzielle Aussteller vor. »Politische Parteien unterfallen als solche dieser Zulassungsbestimmung«, hieß es. Parteien seien »mit kleinen Ständen« innerhalb der Ausstellung präsent. Die Messe sei verpflichtet, die geltenden Zulassungskriterien »neutral zu beachten und umzusetzen«.

Der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, sagte dem SWR, ein Ausschluss der AfD sei offensichtlich schwierig, deswegen müssten sich »die demokratischen Parteien« bei der Messe der AfD entgegenstellen. Nachdem bekannt worden war, dass die AfD einen Messestand hat, wollen nun auch Grüne, CDU, FDP und Volt teilnehmen.

Blume: Auch Bürgertum kann sich radikalisieren

Der Antisemitismusbeauftragte äußerte auch Kritik an den Organisatoren der Messe und dem didacta Verband. »Ich hätte mir gewünscht: Wenn sich problematische Parteien anmelden, dass die Organisatoren die Öffentlichkeit und die demokratischen Parteien aktiv informieren.«

Blume warnte davor zu glauben, Antisemitismus gebe es nur in bestimmten Milieus. »Es ist eine deutsche Lebenslüge, dass formale deutsche Bildung vor Antisemitismus schützen könnte«, sagte er. »Wenn wir ehrlich in die Geschichte reinschauen, dann war Antisemitismus von rechts und von links immer auch eine Sache der formal Gebildeten. Wir sollten nicht so tun, als ob sich das Bürgertum nicht radikalisieren könnte.«

Die didacta findet vom 11. bis 15. Februar in der Messe Stuttgart statt und bietet mit mehr als 700 Ausstellern auf einer Fläche von 60.000 Quadratmetern rund 1.500 Veranstaltungen.

Geschichte

Rechts und links: Wie die AfD ein falsches Goebbels-Zitat verbreitet

Ein Faktencheck

 02.07.2025

Reaktionen

Massive Kritik an Urteil über Charlotte Knoblochs Ex-Leibwächter

Der Mann bewachte die Präsidentin der IKG München, obwohl er sich privat judenfeindlich und rassistisch äußerte. Für das Verwaltungsgericht nicht genug, um ihn aus dem Polizeidienst zu entlassen

 02.07.2025

Kommentar

Justiz: Im Zweifel für Antisemitismus?

Ein Verwaltungsgerichtsurteil lässt große Zweifel aufkommen, dass es alle mit der Bekämpfung von Antisemitismus unter Beamten ernst meinen

von Michael Thaidigsmann  02.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Nach Skandal-Konzert

Keine Bühne bieten: Bob-Vylan-Auftritt in Köln gestrichen

Die Punkband hatte beim Glastonbury-Festival israelischen Soldaten den Tod gewünscht

 02.07.2025

Statistik

Deutlich mehr antisemitische Vorfälle in Brandenburg

Der aktuelle Monitoringbericht der Fachstelle Antisemitismus für 2024 dokumentiere einen Anstieg um mehr als 28 Prozent auf insgesamt 484 Fälle

 02.07.2025

Pro & Contra

Sollte der Krieg in Gaza beendet werden?

Zwei Meinungen zur Debatte

von Dan Schueftan, Sabine Brandes  02.07.2025

Einspruch

Wir müssen gegen den Iran wehrhaft sein

Die deutsche Politik braucht eine entschlossene Haltung gegen die terroristische Bedrohung aus Teheran. Die jüdischen Gemeinden machen es vor: Sie investieren in Sicherheit und mentale Standhaftigkeit

von Josef Schuster  02.07.2025

Berlin

»BILD«: Hinweis auf Ausspähung von deutschen Juden durch den Iran kam vom Mossad

Die Hintergründe

 01.07.2025