Meinung

Wo Großväterchen Frost geblieben ist

Dmitrij Belkin Foto: Gerhard Pauly

Meinung

Wo Großväterchen Frost geblieben ist

Chanukka, Weihnachten und dann noch der Rubin-Stern auf dem Jolka-Baum

von Dmitrij Belkin  19.12.2016 18:45 Uhr

Am 31. Dezember 1977 war es sehr kalt in der Ukrainischen Sowjetrepublik. Ich war sechs Jahre alt und sehr aufgeregt. Denn meine jüdische Oma kündigte gerade die Ankunft des Ded Moroz an, des Großväterchens Frost. Der Tannenbaum leuchtete. Der Rubin-Stern in der Spitze war wunderschön und, fast wie der Stern am Kreml, nicht zu erlöschen. Ein atheistischer Christbaum.

Dann klingelte es tatsächlich. Meine jüdische Tante ging zur Tür. Und es kam rein das Großväterchen selbst – es war: mein damals 30-jähriger jüdischer Vater. Er kam mit Silvestergeschenken.

deutschland 15 Jahre später saß ich, ein jüdischer Kontingentflüchtling aus dem kaputten Land des Ded Moroz, im Bus nach Deutschland. Es war damals Adventszeit, und Tausende von Leuchtern standen in den Fenstern der sauberen deutschen Häuser. Chanukkiot, da war ich mir sicher, so viele Juden gibt es in Deutschland! Unsere jüdische Bildung hielt sich in sehr engen Grenzen. Wir waren eben nur kulturell hochgebildet.

Dann gab es unsere erste Chanukkia, erworben 1998 in Wien, in einem Antiquitätenladen. Das Stück war vergoldet. Der Verkäufer war ein litauischer Jude, er kam in den 70er-Jahren nach Österreich. Wir sprachen russisch miteinander.

Meine zweite Chanukkia kaufte ich 2006, für meinen damals sechsjährigen Sohn, im Buchladen im Center for Jewish History in New York. Sie war »plural«: Die Kinderfiguren aller Nationalitäten und Hautfarben standen für die jeweilige Kerze. Ich war in Amerika verliebt. Meine dritte Chanukkia, ein lustiges Kitschstück aus den 80er-Jahren, erstand ich auf dem diesjährigen Chanukkabasar im Gemeindehaus in der Fasanenstraße in Berlin.

tannenbaum Es steht eine Reise zu meinen Eltern in die schwäbische Provinz bevor. Dort können wir unter dem Tannenbaum, dem Jolka, feiern. Ich werde mich aber nicht mehr wie das Großväterchen Frost verkleiden. Mein jüdischer Sohn feiert Chanukka, und wir sagen bald das »Lesman ha-se«-Gebet.

Die kalte ukrainische Nacht des Jahres 1977 mit ihren Emotionen, diesem Zittern und dieser Freude, bleibt schier unerreichbar.

Der Autor ist Historiker, Referent bei ELES und Verfasser des Buches »Germanija. Wie ich in Deutschland jüdisch und erwachsen wurde« (2016).

Jom Hasikaron

Israel gedenkt der Terroropfer und Kriegstoten

Seit dem 7. Oktober 2023 sind 850 israelische Soldaten und 82 Sicherheitskräfte getötet worden

 30.04.2025

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025

Umfrage

Mehrheit hält AfD wegen deutscher Geschichte für unwählbar

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fragt die »Memo«-Studie Menschen in Deutschland nach dem Blick zurück

 29.04.2025

Potsdam

Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert besseren Schutz für Synagoge

Vermutlich wurde in Halle ein zweiter Anschlag auf die Synagoge verhindert. Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert deshalb dazu auf, auch die Potsdamer Synagoge besser zu schützen

 29.04.2025

Menschenrechte

Immer schriller: Amnesty zeigt erneut mit dem Finger auf Israel

Im neuesten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation wirft sie Israel vor, einen »live übertragenen Völkermord« zu begehen

von Michael Thaidigsmann  29.04.2025

Berlin

Streit um geforderte Yad-Vashem-Straße

Zwischen dem Freundeskreis Yad Vashem und dem Roten Rathaus herrscht Unmut

von Imanuel Marcus  29.04.2025

Den Haag

Strafgerichtshof verpflichtet Chefankläger zur Vertraulichkeit

Karim Khan, der unter anderem gegen Benjamin Netanjahu einen Haftbefehl erwirkt hat, darf einem Bericht des »Guardian« zufolge künftig nicht mehr öffentlich dazu Stellung nehmen

 29.04.2025

Urteil

»Impfen macht frei«-Bild ist Volksverhetzung

Ein 65-Jähriger hatte während der Corona-Pandemie die Schutzmaßnahmen der Regierung mit dem Holocaust verglichen

 29.04.2025