Interview

»Wir wissen noch zu wenig«

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung Foto: Marco Limberg

Herr Klein, Sie haben am Mittwoch über den aktuellen Stand der Forschung zu Antisemitismus und Rechtsextremismus informiert. Wie ist es darum bestellt?
Wir wissen immer noch zu wenig über die Hintergründe von Antisemitismus, warum Judenhass gerade in der jetzigen Zeit auf dem Vormarsch ist und welche Bedingungen dieses Anwachsen begünstigt haben. Ich erhoffe mir, dass wir mit den inzwischen gemäß der im vergangenen Jahr vorgestellten Förderrichtlinie bewilligten Projekte, die Frau Ministerin Karlicek und ich gestern vorgestellt haben, hier wertvolle neue Impulse und Anreize für neue Forschungserkenntnisse setzen können.

Was genau soll im Mittelpunkt der Forschung in diesem Bereich stehen?
Wir wollen mit einer neuen Förderrichtlinie insbesondere eine Verbundforschung auf den Weg bringen, das bedeutet: einen vernetzten Ansatz fördern. Die bewilligten Projekte reichen von der Erforschung von Antisemitismus im Schulunterricht über soziale Medien bis zur Qualifizierung von Staatsbediensteten. Was mir besonders am Herzen liegt, ist, dass die Vermittlung von jüdischer Alltagskultur in den Blick genommen wird. Dieses Feld ist bislang nach meinem Verständnis zu sehr vernachlässigt worden. Allzu oft wurde Judentum mit der Negativseite – dem Antisemitismus und der Schoa – in Verbindung gebracht. Ich möchte vor allem das lebendige jüdische Leben in Deutschland sichtbarer und greifbarer machen.

Mit welchem Ziel?
Wir möchten daraus Präventionsprojekte entwickeln können, um noch stärker und gezielter gegen Antisemitismus vorzugehen. Wir wollen aber auch zeigen, wie stark jüdisches Leben Deutschland geprägt hat. Dem sogenannten Othering von jüdischem Leben, also der Betonung einer vermeintlichen Andersartigkeit etwa durch Formulierung wie »wir« und »die anderen«, müssen wir mit Forschung entgegenwirken. Außerdem muss die Entstehung von Rassismus und Judenhass untersucht werden.

Am vergangenen Wochenende kamen trotz Verbots Tausende »Querdenker« zu Demonstrationen nach Berlin. Für wie gefährlich halten Sie diese Bewegung?
Ich halte die Aktivitäten der »Querdenken«-Bewegung für hochgefährlich und begrüße es sehr, dass der Verfassungsschutz diese Gruppen in den Blick nimmt. Die Verschwörungsmythen, die dort gebildet werden, zielen auf eine Spaltung der Gesellschaft, und das ist staatsfeindlich. Sie ziehen die Grundlagen unserer Gesellschaft und die Erinnerungskultur, die eine Säule unserer Demokratie ist, in Zweifel. Diese Bewegung darf man nicht lapidar abtun. Menschen, die wir eigentlich in der Mitte der Gesellschaft verorten, lassen es zumindest zu, dass extremistische und demokratiegefährdende Parolen verbreitet werden.

Mit dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus sprach Katrin Richter.

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