Debatte

Wie offen geht Polen mit seiner Kriegsvergangenheit um?

Mahmal für den Namensgeber des nationalen Instituts für Geschichtsforschung, Witold Pilecki Foto: imago images/NurPhoto

Für ihre Forschungsarbeiten zum Holocaust ist Eliyana Adler bereits mehrfach ausgezeichnet worden. Die Historikerin an der »Penn State« in Philadelphia, der staatlichen Universität von Pennsylvania, beschäftigt sich mit der jüngeren Geschichte der Juden in Mittel- und Osteuropa und hat schon zahlreiche Bücher dazu verfasst.

Nun lehnte Adler einen mit knapp 17.000 Euro dotierten Preis des polnischen Pilecki-Instituts für eines ihrer Bücher über jüdisch-polnische Flüchtlinge in der Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs ab.

Zur Begründung schrieb sie: »Das Pilecki-Institut war zwar sehr großzügig bei der Unterstützung einiger historischer Forschungen über den Zweiten Weltkrieg, hat aber auch dazu beigetragen, die Arbeit von Historikern zu unterdrücken, die sich bemühen, die komplexen und in der Tat tragischen Aspekte der polnischen Kriegsvergangenheit aufzuzeigen.« Der Brief wurde am Freitag veröffentlicht.

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Die Professorin sollte den erstmals verliehenen Preis für ihr 2020 auf Englisch erschienenes Buch Survival on the Margins: Polish Jewish Refugees in the Wartime Soviet Union bekommen. Die Auszeichnung in der Kategorie »Wissenschaftliches Geschichtsbuch« wird der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau mitverliehen. Deren Leiter Piotr Cywinski ist Teil der Jury.

WIDERSTANDSKÄMPFER Das 2016 gegründete staatliche Institut ist nach dem Armee- und Geheimdienstoffizier Witold Pilecki benannt, der im Zweiten Weltkrieg Teil der Widerstandsbewegung gegen die deutschen Besatzer war. Pilecki täuschte eine falsche Identität vor, um nach Auschwitz zu gelangen, wo er Berichte über die Gräueltaten der Nazis sammelte. Nach dem Krieg wurde er vom kommunistischen Regime wegen angeblicher Spionage zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Seit einigen Jahren wird die rechtskonservative polnische Regierung der PiS-Partei von Historikern beschuldigt, ihre Arbeit zu behindern – vor allem Forschungen zum Umgang mit jüdischen Polen während der deutschen Besatzung des Landes von 1939 bis 1945. Auch in den Beziehungen zwischen Polen und Israel gibt es seitdem immer wieder Spannungen.

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Vor kurzem mussten sich die polnischen Historiker Jan Grabowski und Barbara Engelking in einem Gerichtsverfahren für ihre Forschungsarbeiten rechtfertigen und wurden in erster Instanz verurteilt, sich bei der Tochter eines der in ihrem Buch Und immer noch ist Nacht erwähnten Männer zu entschuldigen. Ein Berufungsgericht hob das Urteil im August aber wieder auf.

BRIEF »Krieg und Besatzung bringen Menschen und Gesellschaften an ihre Grenzen. Die Situation während des Zweiten Weltkriegs war für alle Polen entsetzlich, wenn auch nicht in gleichem Maße. Einige nichtjüdische Polen, über die auf der Website des Instituts berichtet wird, verloren ihr Leben beim Schutz ihrer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Andere, wie wir unter anderem aus den Forschungen der Professoren Jan T. Gross, Jan Grabowski und Barbara Engelking wissen, profitierten in vielfältiger Weise von der Ermordung ihrer Nachbarn«, schrieb Eliyana Adler in ihrem Brief.

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Pilecki-Institutschef Wojciech Kozlowski wies die Anwürfe der Professorin in einem am Samstag auf der Webseite des Instituts veröffentlichten Schreiben zurück. »Ich bin nicht überrascht, dass Sie diese Behauptungen ohne Beweise und Beispiele aufstellen, denn sie entbehren jeder Grundlage. Wie bei der Erforschung der Vergangenheit ist es auch bei der Entwicklung einer fundierten Meinung über die Gegenwart erforderlich, die Quellen zu konsultieren und die verfügbaren Berichte zu überprüfen. Dies erfordert jedoch mehr Zeit als die vier Tage, die zwischen Ihrer positiven Reaktion auf die Information, dass Sie den Preis gewonnen haben, und Ihrer endgültigen Entscheidung, ihn abzulehnen, verstrichen sind«, so Kozlowski.

ANTWORT Sinn und Zweck des Preises sei es, Werke zur polnischen Geschichte im 20. Jahrhundert zu würdigen und so den »direkten Meinungsaustausch« zu befördern. Kozlowski lud Adler ein, nach Warschau zu kommen und das Institut zu besuchen. Auch die zehnköpfige Jury gab eine Stellungnahme ab. »Mit Trauer und Bedauern haben wir von Eliyana Adlers Entscheidung erfahren, den Preis abzulehnen«, erklärte das Gremium am Wochenende.

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Das Buch Adlers sei im Juni vom Verlag Harvard University Press für den Preis eingereicht worden, und Adler selbst habe sich nach ihrer Nominierung und unmittelbar nach der Auszeichnung dankbar gezeigt. Ihre Ablehnung komme daher unerwartet. Man stehe dazu, die Historikerin mit dem Pilecki-Preis zu ehren, verzichte aber nach der Entscheidung der Preisträgerin darauf, den Preis in der Kategorie »Akademisches Geschichtsbuch« in diesem Jahr anderweitig zu vergeben.

Anders dagegen Jan Grabowski. Der lobte Adlers Entschluss, den Preis nicht anzunehmen. Auf Twitter schrieb er: »Pilecki sollte nicht als unabhängige Einrichtung angesehen werden.« Das Institut sei vielmehr eine weitere Kreation des »militanten, nationalistischen polnischen Staates«, die selbst einen Beitrag leiste zur Verzerrung der Geschichte der Schoa.

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