Meinung

Wie Fotos lügen

Mit Fotos lässt sich lügen. Das ist keine neue Erkenntnis, aber bis vor Kurzem galt sie zumindest nicht für den Bereich der journalistischen Fotografie. Beinahe täglich sehen wir Bilder von palästinensischen Jugendlichen, die Steine werfen. Hätten wir die Möglichkeit, einen Schritt zurückzutreten, hinter die Phalanx, wir sähen die wie auf einer Pressekonferenz aufgereihten Fotografen und Kamerateams, die das Geschehen sorgfältig in ihrem Sinne arrangiert haben.

Das heißt nicht, dass die Fotografen vor Ort politisch Partei ergreifen. Vielmehr ist es so, dass sich solcherart in Szene gesetzte Bilder gut verkaufen und dass die spezifische Perspektive, die gewählt wird, in ein bestimmtes Klischee passt: Israelis sind böse Täter, Palästinenser arme Opfer.

Fälschungen Doch manchmal wird noch draufgesattelt. Zwar haben insbesondere Nachrichtenagenturen sich dazu verpflichtet, Bilder vor Veröffentlichung sorgfältig auf deren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Dennoch kommt es immer wieder zu Fälschungen. Reuters publizierte beispielsweise 2006 während des Libanonkrieges das Bild eines israelischen Luftangriffs auf Beirut: Der aufsteigende Rauch der Bombeneinschläge wirkte extrem dramatisch.

Später sollte sich herausstellen, dass der Fotograf einzelne Rauchfahnen am Computer vervielfältigt hatte, um genau diesen Effekt zu erzielen. Oder das Foto eines antizionistischen Straßentheaters im Emirat Bahrain, auf dem ein als israelischer Soldat verkleideter Schauspieler ein kleines arabisches Mädchen tritt, und das als vermeintliches Tatsachendokument aus Israel in alle Welt versendet wird. Eine Bilderserie der Agentur AFP wiederum zeigt einen palästinensischen Bauarbeiter, der von einem israelischen Laster überfahren und verletzt wird. Nur findet sich partout kein Augenzeuge, der diesen Vorfall bestätigen will.

Ehrliche Reportagefotografie, die auf Situationen wartet und sie sich nicht selbst erschafft, ist selten geworden. Sie kostet Zeit, und sie liefert nicht immer das, was die Medien gerne sehen würden. Das Wunschbild entspricht oft dem Klischee vom bösen Israeli. Und das ist der eigentliche Skandal: dass die journalistische Moral zu kurz kommt und dass auch die Seriösen in der Branche das in Kauf nehmen: Herald Tribune, Washington Post und Wall Street Journal haben das AFP-Bild erst kürzlich veröffentlicht.

Essay

Ausweg Palästina

Große Teile der Linken sind mit der Komplexität der Gegenwart überfordert. Orientierung suchen sie ausgerechnet im Hass auf den jüdischen Staat. Mit progressiver Politik hat das wenig zu tun

von Jessica Ramczik, Monty Ott  13.09.2025

Sachsenhausen

120 Minuten Holocaust

Angesichts des grassierenden Antisemitismus sollen Schüler zum Besuch einer NS-Gedenkstätte verpflichtet werden. Doch was kann eine Führung vor Ort tatsächlich bewirken?

von Mascha Malburg  13.09.2025

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Kommentar

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat: Ausladung Shanis ist »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025