Deborah Lipstadt

Weiter Ringen um Antisemitismus-Beauftragte

Deborah Lipstadt Foto: Gregor Zielke

Nach längerer Verzögerung soll die Kandidatin für das Amt der Antisemitismus-Beauftragten im US-Außenministerium, Deborah Lipstadt, am Dienstag (8. Februar) im Senatsausschuss angehört werden. Die Personalie ist schon seit Juli 2021 umstritten. Die renommierte Holocaust-Forscherin von der Emory University in Atlanta hatte in der Vergangenheit wiederholt scharfe Kritik an Republikanern geübt. Der ranghöchste Republikaner im Senatsausschuss, James Risch, bremste das Bestätigungsverfahren daraufhin aus.

Aufgabe der Antisemitismus-Beauftragten ist die regelmäßige Berichterstattung über antisemitische Entwicklungen. Nach dem Anschlag auf die Synagoge im texanischen Colleyville im Januar forderten mehrere jüdische Organisationen eine zügige Bestätigung Lipstadts. Dem jüngsten Aufruf schlossen sich fast 100 jüdische Verbände und Gemeinderäte an. Es wird erwartet, dass der Ausschuss dem Druck nachgibt und die Historikerin nun bestätigt wird.

Deborah Lipstadt ist eine anerkannte Akademikerin. Revisionistische Ideen wie die des 2016 gestorbenen Historikers Ernst Nolte hält sie für gefährlicher als die des britischen Holocaust-Leugners David Irving - obwohl die Wissenschaftlerin sechs Jahre ihres Lebens damit verbrachte, sich juristisch gegen den Vorwurf übler Nachrede zu wehren. Irving hatte die Tochter des aus Deutschland ausgewanderten jüdischen Geschäftsmanns Erwin Lipstadt und dessen aus Kanada stammender Frau Miriam damit gezwungen, vor einem englischen Gericht nachzuweisen, dass der Holocaust tatsächlich stattgefunden hat.

Ihr zur Seite stand ein »Allstar«-Team von Historikern wie Richard Evans, Christopher Browning, Robert Jan van Pelt und Peter Longerich. Gemeinsam traten sie in dem Prozess mit Lipstadt den Nachweis an, dass alle gegen Irving erhobenen Vorwürfe wahr und belegbar waren. Das Urteil von Richter Justice Gray führte über 349 Seiten aus, wie der Brite die Geschichte des Zweiten Weltkriegs und der Vernichtung der Juden systematisch verzerrt hatte.

Lipstadt hatte erst ein Buch über Irving (»Denying the Holocaust«, 1993) und später über den Verleumdungsprozess (»History on Trial«, 2005) geschrieben, das Regisseur Mick Jackson zehn Jahre später für die Leinwand dramatisierte. Rachel Weisz, die in dem Film »Denial« (»Verleugnung«) die US-Professorin spielte, nannte Lipstadt im Gespräch mit der »Jüdischen Allgemeinen« einen »wundervollen Menschen«, eine »großartige Lehrerin« und eine »Kämpferin mit einer komplexen Persönlichkeit«.

Wie komplex, gab Lipstadt zu erkennen, als sie sich Jahre nach ihrem Gerichtserfolg über Irving in Österreich dafür stark machte, dessen dreijährige Haftstrafe wegen Holocaust-Leugnung nicht zu vollstrecken. Sie sei grundsätzlich gegen Zensur und für das Recht auf freie Rede. »Lasst ihn laufen und von jedermanns Radar verschwinden«, so die heute 74-Jährige.

Während Irving mit seinen extremistischen Ansichten aus Sicht der Professorin vor allem an den Rändern fischte, erkannte sie in Noltes Gleichsetzung der Verbrechen Hitlers mit denen Stalins einen bedenklichen Revisionismus. »Nolte ist ein Antisemit erster Ordnung«, kritisierte sie den deutschen Historiker 2003. Menschen wie Nolte ließen sich in der Mitte der Gesellschaft nieder; das mache sie gefährlicher.

Der designierten Antisemitismus-Beauftragten von Präsident Joe Biden fehlt es weder an Mut, die Auseinandersetzung mit dem zu suchen, was sie »soft-core denial« (weiche Leugnung) nennt, noch an deutlichen Worten. Lipstadt legte sich mit dem Muslim Council of Britain an, als dieser forderte, einen Gedenktag wie den Holocaust Memorial Day zu bekommen, der antimuslimischen Vorurteilen gewidmet sein sollte.

In diese Kategorie fällt für sie auch die Auslassung des Holocaust im Palästina-Buch des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter (»Palestine: Peace Not Apartheid«). Wer die Jahre 1939 bis 1947 in der Vorgeschichte zum Palästina-Konflikt auslasse, müsse sich Kritik gefallen lassen.

Dasselbe Argument brachte Lipstadt 2017 gegen Donald Trump vor, als dessen Regierung eine Erklärung zum Holocaust-Gedenktag abgab, in dem der spezifische Bezug auf die Juden als Opfer fehlte. Es könne »ein Versehen« sein, dass jemand den Holocaust »judenfrei« gemacht habe. »Aber vielleicht hat es auch jemand mit voller Absicht getan.«

Auch in der Auseinandersetzung um den Literaturnobelpreis für Peter Handke bezog die langjährige Beraterin des US Holocaust Memorial Museum in Washington klar Position. In einem Leserbrief an die »New York Times« nannte sie die Auszeichnung unverdient. Diesmal beanstandete Lipstadt nicht Antisemitismus, sondern Handkes Bagatellisierung des serbischen Genozids an Tausenden Muslimen in den 1990er Jahren.

Der Präsident der Emory-Universität, Gregory Fenves, betonte nach der Nominierung der Ausnahme-Intellektuellen Ende Juli deren Integrität. Sie habe »die Erfahrung, in einer Zeit wachsenden Antisemitismus in den USA und der Welt den Kampf dagegen zu führen«.

Berlin

Ofek startet Portal mit jüdischen Stimmen zu den Folgen des 7. Oktober

Das Projekt ist eines der ersten in Deutschland, die sich mit Erinnerungsarbeit zu den Hamas-Massakern beschäftigen

 05.08.2025

Leipzig

Eltern nennen ihren neugeborenen Sohn Yahya Sinwar

In der Uniklinik Leipzig suchten Eltern einen problematischen Namen für ihr Neugeborenes aus. Eine kleine Recherche zeigt: Yahya ist kein Einzelfall

von Imanuel Marcus  04.08.2025 Aktualisiert

Meinung

Die Folgen wären fatal - auch für uns

Warum der Ausschluss Israels aus »Horizon Europe« ein Fehler wäre und Deutschland mit Nein stimmen sollte

von Carsten Ovens  04.08.2025

Berlin

Deportationsmahnmal in Moabit beschädigt

Polizeibeamte entdecken auf der Putlitzbrücke Farbspritzer und Paketklebeband am Mahnmal

 04.08.2025

Berlin

CDU-Politiker Kiesewetter kritisiert deutsche Nahost-Politik

Kanzler Merz und Außenminister Wadephul (beide CDU) prägen die Nahost-Politik der Bundesregierung. Deutliche Kritik daran kommt aus den eigenen Reihen

 04.08.2025

Interview

»Als deutscher Außenminister muss ich Israel aus der Isolation helfen«

Bundesaußenminister Johann Wadephul war gerade zum zweiten Mal in drei Monaten in Israel. Im Interview spricht er über die Gründe des Besuchs, seine zunehmende Missbilligung des israelischen Vorgehens in Gaza sowie die Kritik, die es seit seinem Amtsantritt an ihm gegeben hat

von Joshua Schultheis  03.08.2025

Friedrich Merz

»Ich bin entsetzt über die Bilder von Evyatar David und Rom Braslavski«

Der Bundeskanzler fordert die Freilassung aller Geiseln als Voraussetzung für eine Waffenruhe

 03.08.2025

Armin Laschet

»Warum sind die Bilder der geschundenen Deutschen nicht täglich in den deutschen Medien?«

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses fordert von der deutschen Staatsspitze mehr Einsatz für die deutschen Geiseln

 03.08.2025

Deutschland

Innenministerium prüft Aufnahme von Kindern aus Israel und Gaza

Hannover und Düsseldorf wollen schutzbedürftige und traumatisierte Kinder aus Israel und dem Gazastreifen aufnehmen. Doch für das Vorhaben gibt es Hürden

 03.08.2025