Augsburger Friedensfest

Vorwurf Hetze: Referent für Israel-Vortrag in der Kritik

Veranstaltung im Rahmen des Augsburger Friedensfests 2016 Foto: imago/reportandum

Für Jakob Reimann ist Israel ein »Apartheidstaat«, Gaza ein »Freiluftgefängnis« und die Bedrohung, die das iranische Regime für den jüdischen Staat darstellt, eine Chimäre.

So äußert sich der freie Journalist in seinen Artikeln und auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Am 25. Juli sollte er im Rahmen des Kulturprogramms des Augsburger Hohen Friedensfests einen Vortrag halten. Das Thema: Israel.

Nach heftiger Kritik an Reimann wurde sein Vortrag jedoch wieder aus dem Programm des Friedensfestes genommen. Mit diesem Schritt wolle man »Schaden von der Friedensstadt Augsburg« abwenden, erklärte Klaus Stampfer, Sprecher der Augsburger Friedensinitiative (AFI), in einer Stellungnahme. Die AFI hatte zusammen mit weiteren Organisationen den freien Journalisten Reimann eingeladen. Dessen Vortrag solle nun »zu einem späteren Zeitpunkt« stattfinden.

Gleichzeitig verteidigte die AFI ihre Einladung Reimanns. Man betrachte ihn als einen »Kenner der israelischen Regierungspolitik« und eine »kritische Stimme« zu dem Thema, sagte der AFI-Sprecher dieser Zeitung. »Eine ernsthafte und weiterführende politische Diskussion verlangt keine gleichgeschaltete Propaganda, sondern einen konstruktiven Streit.« Reimanns Ansichten betrachte die AFI als »im Einklang mit unseren Prinzipien«.

Die Stadt Augsburg betonte in einer Stellungnahme, nicht der Veranstalter des Vortrags gewesen zu sein. »Das kulturelle Rahmenprogramm zum Friedensfest entsteht partizipativ gemeinsam mit den verschiedensten zivilgesellschaftlichen Initiativen der Stadtgesellschaft.« Die Stadt distanziere sich »ausdrücklich von Antisemitismus und Rassismus«.

kritik Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Schwaben-Augsburg hatte zuvor gegen den geplanten Vortrag von Reimann Einspruch erhoben. Die Einladung Reimanns habe zu »erheblichen Irritationen« geführt und stelle »eine ernsthafte Besorgnis dar«, schrieb die Jüdische Gemeinde in einer Stellungnahme, die dieser Zeitung vorliegt.

Die IKG rief dazu auf, Reimanns Auftritt »zu überdenken und sicherzustellen, dass Personen, die extremistische Ideologien oder antisemitische Ansichten vertreten, von solchen Veranstaltungen ausgeschlossen werden«. Das Augsburger Friedensfest solle »keinesfalls Plattformen für Hassrede oder extremistische Propaganda bieten«, so die Gemeinde.

»Das Hohe Augsburger Friedensfest führt sich mit diesem Vortrag ad absurdum.«

dig-präsident volker beck

Auch Volker Beck, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), forderte, dass die Entscheidung, Reimann auf dem Friedensfest referieren zu lassen, »korrigiert« wird. »Jakob Reimann ist in den sozialen Netzwerken für seine obsessive Hetze gegen Israel berüchtigt«, sagte Beck dieser Zeitung. »Das Hohe Augsburger Friedensfest führt sich mit diesem Vortrag ad absurdum«, zeigte sich Beck überzeugt. »Das Bekenntnis zum friedlichen Miteinander in einer vielfältigen Stadtgesellschaft der Stadt Augsburg wird entwertet.«

Die Augsburger FDP äußerte in einer Pressemitteilung »große Bedenken, dass das Hohe Friedensfest als Forum für antisemitische Äußerungen genutzt werden könnte«. Es dürfe nicht passieren, »dass im Begleitprogramm des Friedensfestes einer Person Raum gegeben wird, die in Internet-Blogs regelmäßig durch allzu pauschale Kritik am Staat Israel und dessen jüdischer Bevölkerung auffällt«, erklärte der Augsburger FDP-Stadtrat Lars Vollmar. Von der Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) verlangte die FDP, »bei der Auswahl des Programms mehr Sorgfalt an den Tag zu legen«.

Aussagen Laut eigener Aussage hat Reimann 2015 für ein Jahr als Dozent an der naturwissenschaftlichen Fakultät der An-Najah University in Nablus gearbeitet und einige Zeit in Israel gelebt. Die Kritik an ihm stützt sich auf zahlreiche Aussagen, die er in sozialen Medien und in Artikeln für Medien wie die linksextreme Tageszeitung »Junge Welt« oder die von manchen Experten dem verschwörungsideologischen Spektrum zugeordneten »NachDenkSeiten«, für die er bis Ende 2021 schrieb, getätigt hat.

Auf den »NachDenkSeiten« veröffentliche Reimann im April 2021 einen Text über die israelischen Bestrebungen, eine iranische Atombombe auch mit gewaltsamen Sabotageakten zu verhindern. Reimann nennt dieses Vorgehen »Staatsterrorismus«. Dass der damalige iranische Präsident Hassan Rohani in diesem Zusammenhang von »nuklearem Terrorismus« sprach, findet Reimann »vollkommen zutreffend«.

Um seine Wortwahl plausibel zu machen, zieht Reimann folgende Analogie: »Wenn Al-Qaida einen Bombenanschlag auf die einzige deutsche industrielle Urananreicherungsanlage Gronau in NRW durchführen würde, würden wir natürlich von Terrorismus sprechen.«

Reimann spricht von einem »schwindelerregenden Ausmaß« der »terroristischen Energie der israelischen Führung«. Die iranische Unterstützung von Terrorgruppen wie die libanesische Hisbollah nennt Reimann dagegen »Irans einzige Rückversicherung« gegen den »westlichen Imperialismus«.

Die Gefahr, die das iranische Regime für den jüdischen Staat bedeutet, spielt Reimann herunter.

Die Gefahr, die das iranische Regime für den jüdischen Staat bedeutet, spielt Reimann herunter. Dass iranische Staatsoberhäupter wiederholt die Absicht bekundet haben, Israel zu vernichten, erwähnt er in seinem Artikel für die »NachDenkSeiten« nicht. Stattdessen behauptet er, das Regime in Teheran beabsichtige gar nicht, Atomwaffen zu erlangen.

Im März 2023 warf Reimann dem außenpolitischen Sprecher der SPD, Michael Roth, vor, dass dieser »fantasiert«. Roth hatte in einem Interview für den Deutschlandfunk gesagt, dass Israels Sicherheit durch das iranische Atomprogramm gefährdet sei.

Ankündigung In Augsburg hatte Reimann im städtischen Reichlesaal im Zeughaus über den »Rechtsruck in Israel« referieren sollen. »In der Regierung von Israels Premierminister Netanjahu sitzen nun auch Vertreter der radikalen Rechten«, hieß es im Ankündigungstext. Für Reimann war das offenbar aber schon vor der Bildung der aktuellen Regierung der Fall.

Im Juni 2022 twitterte er: »Israel ist ein Apartheidstaat, geführt von Rechtsradikalen!« Zu diesem Zeitpunkt war der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett, der eine breite Koalition unter Einschluss der arabischen Partei »Ra’am« anführte.

Über den Nahostkonflikt schreibt Reimann: »Besatzungen können niemals von Dauer sein, sondern werden irgendwann in die Luft fliegen.« Und als gegen den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, im vergangenen Jahr Ermittlungen wegen Holocaust-Relativierung aufgenommen wurden, beklagte Reimann, in Deutschland würde nur »gegen die Opfer der Opfer« ermittelt, nicht aber gegen »die Nachfahren der Täter«. Abbas hatte bei einem Staatsbesuch in Berlin von »50 Holocausts« gesprochen, die Israelis an Palästinensern verübt hätten.

Die Anfrage der Jüdischen Allgemeine zu seinen Aussagen und den Vorwürfen gegen ihn beantwortete Reimann bisher nur teilweise. Eine ausführlichere Stellungnahme kündigte er jedoch für Donnerstag an.

Kalender Die Geschichte des Augsburger Hohen Friedensfestes, das jährlich am 8. August begangen wird, geht bis ins 17. Jahrhundert zurück und 2018 wurde das Fest in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Das begleitende Kulturprogramm, dessen Inhalte dezentral organisiert werden, gehört zu den wichtigsten Ereignissen im Kalender der Stadt Augsburg. In diesem Jahr steht das Friedensfest unter dem Motto »Zusammenhalt«.

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  24.11.2025

Potsdam

BSW-Fraktionsvize tritt nach Reaktion auf AfD-Zitat zurück

Die Landtagsfraktion in Brandenburg ist nach vier Parteiaustritten in einer Krise. Nun tritt auch noch Fraktionsvize Dorst von seinem Amt zurück. Die Hintergründe

 24.11.2025

Soziale Medien

Plattform X: Israelfeindliche und antisemitische Inhalte aus Pakistan und der Türkei

Ein neues Transparenz-Feature zeigt: Angeblich von westlichen »Israelkritikern« betriebene Konten werden in Wirklichkeit aus anderen Teilen der Welt bearbeitet

 24.11.2025

Washington D.C.

Trump kündigt Einstufung der Muslimbrüder als Terrororganisation an

Der Organisation würde mit diesem Schritt der Zugang zu finanzieller Unterstützung verwehrt. Die Muslimbruderschaft wird immer wieder mit radikalen Ablegern in Verbindung gebracht

 24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025