Bayern

»Vertrauen zurückgewinnen«

Oberstaatsanwalt Andreas Franck über die Rolle der Justiz im Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  07.04.2022 11:37 Uhr

Andreas Franck ist Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Justiz. Foto: Pr

Oberstaatsanwalt Andreas Franck über die Rolle der Justiz im Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  07.04.2022 11:37 Uhr

Herr Franck, im Zuge des Falls Gil Ofarim wird jetzt viel über eine mögliche Vorverurteilung bei Antisemitismusvorwürfen diskutiert. Beeinflusst das Staatsanwälte?
Nein. Ermittlungsverfahren dürfen sich von solchen öffentlichen Debatten nicht beeinflussen lassen. Es gehört zum Jobprofil eines Staatsanwalts, sich ganz den Fakten zu verschreiben und nicht auf die öffentliche oder veröffentlichte Meinung zu schauen.

Wenn Ofarim tatsächlich die Vorwürfe gegen die Hotelmitarbeiter erfunden hat: Womit muss er rechnen?
Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat Gil Ofarim gemäß Pressemeldungen wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung zum Landgericht angeklagt. Im Falle einer Verurteilung sieht das Gesetz dafür Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.

Jetzt ergießt sich eine Welle von Hass und Häme über Ofarim, zum Teil auch antisemitischer Natur. Was tut die Justiz dagegen?
Polizei und Justiz sind auf etwaige Anzeigen vorbereitet. Straftäter werden verfolgt und gerade bei antisemitischer Tatmotivation auch vor Gericht gebracht.

Sie sind erster Antisemitismusbeauftragter der Justiz in Bayern. Wo liegt Ihr Hauptaugenmerk?
Ich habe drei Hauptaufgaben: Sensibilisierung, Vernetzung und die Stärkung des Vertrauens. In Schulungen und Fortbildungen für Justizangehörige halten wir die Sensibilität in diesem Bereich hoch. Gleichzeitig vernetzen wir uns – bayernweit und mittlerweile auch bundesweit. Das bewährt sich aktuell etwa bei der Frage, ob das Tragen eines Judensterns bei Corona-Demos eine strafbare Volksverhetzung darstellen kann. Das, wie auch der Austausch mit der jüdischen Gemeinschaft, soll das Vertrauen jüdischer Bürgerinnen und Bürger in die Justiz stärken beziehungsweise zurückgewinnen, wo es verloren gegangen ist.

Was sagen Sie Opfern von antisemitischen Angriffen, die nicht bei der Polizei Anzeige erstatten, weil sie das Gefühl haben, es bringt ihnen mehr Ärger als Nutzen?
Für mich ist es der Worst Case, wenn judenfeindliche Straftaten passieren und nicht verfolgt werden können, weil der oder die Geschädigte keine Anzeige erstattet. Denn auch, wenn am Ende nicht jede Ermittlung zu einer Verurteilung führt, tun Polizei und Justiz doch alles, um den Täter zu identifizieren und zu bestrafen. Deshalb mein Appell: Bitte geht zur Polizei, bitte erstattet Anzeige!

Oft wird die mangelnde personelle Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden in Deutschland kritisiert, gerade im Hinblick auf Hass-Delikte im Internet. Was müsste getan werden?
In Bayern wurde auf die steigenden Fallzahlen bereits reagiert. Die bayerische Justiz hat mit dem bundesweit ersten Hatespeech-Beauftragten und Sonderdezernaten Hatespeech bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften wichtige Schritte unternommen, um den Wildwuchs im Internet zurechtzustutzen.

Mit dem Münchner Oberstaatsanwalt und Antisemitismusbeauftragten der bayerischen Justiz sprach Michael Thaidigsmann.

Ungarn/Iran

Antisemit, Schoa-Leugner und Ex-Präsident: Mahmud Ahmadinedschad hält Vortrag an Budapester Uni

Die israelische Botschaft in Budapest verurteilt den Auftritt scharf

 08.05.2024

Meinung

Der jüdischen Veteranen gedenken

Warum wir dieses Jahr einen Riss in unseren Herzen haben, was den für unsere Gemeinden so wichtigen 8. und 9. Mai angeht

von Josef Schuster  08.05.2024

Meinung

Die Zwei-Staaten-Lösung ist eine Schimäre

Warum die Forderung nach einem unabhängigen Palästinenserstaat möglicherweise gut gemeint, aber grenzenlos naiv ist

von Jacques Abramowicz  08.05.2024

Kassel

documenta: Kein Verhaltenskodex für Künstlerische Leitung

Der Aufsichtsrat fasste Beschlüsse. Können Antisemitismus-Eklats dadurch vermieden werden?

 08.05.2024

Bundesregierung

Klein: Forderung nach Vernichtung von Staaten unter Strafe stellen

Auch in Berlin seien »unerträglicher Hass und Hetze gegen Israel« verbreitet worden, betont der Antisemitismusbeauftragte

 08.05.2024

Berlin

Zentralrat der Juden kritisiert FU Berlin nach Besetzung

Josef Schuster: Irritierend, dass die Universitätsleitung erneut kein Wort über den antisemitischen Hintergrund verliert

 07.05.2024

Brüssel

Razzia im EU-Parlament: Büro von AfD-Mann Krah durchsucht

Ein ehemaliger Mitarbeiter des Europaabgeordneten soll für China spioniert haben

von Marek Majewsky  07.05.2024

Universität

Berlins Regierender Bürgermeister meldet sich zu Israel-Hassern an der FU zu Wort

Israel-Hasser besetzen Hof der Freien Universität

 07.05.2024 Aktualisiert

Interview

Frau mit Haltung

Karoline Preisler über ihre Erfahrungen als einsame Gegendemonstrantin auf israelfeindlichen Kundgebungen

von Michael Thaidigsmann  07.05.2024