Fußball

Vereint im Hass

Türkische Fans zeigen in Berlin den »Wolfsgruß« der rassistischen und antisemitischen »Ülkücü«-Bewegung. Foto: picture alliance/dpa

Ob Miroslav Kloses Salto, das Ohr-»Abschrauben« von Luca Toni oder der ikonische Jubel von Cristiano Ronaldo – die Freude nach einem Tor kennt viele Formen. »Begeisterung« soll laut dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auch die Handgeste von Merih Demiral im Achtelfinale gegen Österreich ausgedrückt haben. Nach seinem zweiten Treffer zeigte der 26-jährige Abwehrspieler den »Wolfsgruß« der rechtsextremen »Ülkücü«-Bewegung, auch »Graue Wölfe« genannt, und löste damit eine öffentliche Debatte über türkischen Nationalismus aus, die selbst die Bundespolitik beschäftigte.

Schließlich wurde Demiral unter türkischem Protest von der UEFA für zwei Spiele gesperrt, und Erdoğan reiste höchstpersönlich zur Viertelfinal-Niederlage gegen die Niederlande in Berlin an. Aus Solidarität mit Demiral wurde der »Wolfsgruß« 1000-fach gezeigt – im Berliner Olympia­stadion sowie beim türkischen Fanmarsch, den die Berliner Polizei deshalb vorzeitig abbrach.

Rechtsextreme oder rassistische Fanaktionen

Es war nicht der erste nationalistische Vorfall bei der Europameisterschaft 2024 in Deutschland, der Schlagzeilen machte. Seit dem ersten Spieltag sammeln sich Meldungen von rechtsextremen oder rassistischen Fanaktionen. So bekundeten kroatische Fans ihre Sympathien für die faschistische Ustascha-Bewegung des Nazi-Kollaborateurs Ante Pavelić sowie der in derselben Tradition stehenden HOS-Miliz. Im österreichischen Fanblock hing ein Banner mit dem Kampagnen-Namen »Defend Europe« der neofaschistischen »Identitären Bewegung«, und über Nationengrenzen hinweg wurde die Melodie des von Rechtsextremen mit rassistischen Aussagen untermalten Lieds »L’Amour toujours« gesungen.

Merih Demiral zeigt beim Spiel gegen Österreich den Wolfsgruß.Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Als öffentlichkeitswirksamer Wettbewerb der Nationen bieten internationale Fußballturniere eine optimale Bühne für nationalistische Inszenierungen. Kein Wunder also, dass das Stadion auch zum modernen Schlachtfeld historisch gewachsener Konflikte wird.
Trotz der langen Liste an nationalistischen Zwischenfällen bei dieser EM scheint es zu verhältnismäßig wenigen, explizit antisemitischen Aktionen gekommen zu sein.

Das mag auch daran liegen, dass sich die israelische Nationalmannschaft erneut nicht für die Endrunde eines großen Turniers qualifiziert hat. Dass antisemitisches Gedankengut bei dieser Europameisterschaft nicht präsent wäre, ist allerdings mit Blick auf die Ideologie rechtsextremer und nationalistischer Gruppen ein Trugschluss.

Antisemitische Verbrechen werden von Hooligans glorifiziert.

Der Soziologe Klaus Holz spricht im Kontext des nationalen Antisemitismus vom »Judenbild«. Während sich Nationen wie Deutschland und Frankreich spiegelbildlich zueinander verhalten und in ihrem Selbst- beziehungsweise Fremdbild wie zwei Seiten einer Medaille sind, ist es mit der Projektion »des Juden« anders. Er gilt im Kontext der nationalen Entwicklungen als grundlegend verschiedenartig, und das macht ihn zum »Dritten der Nationen«. Er ist weder deutsch noch französisch, weder Inländer noch Ausländer.

So kann »der Jude« als Baustein für die eigenen nationalen Identitätskonstruktionen genutzt werden, als notwendige Trennung zwischen national und antinational. »Der Jude« dient dazu, Identität zu konstituieren. Seine Existenz stellt allerdings auch die eigene Identität immer wieder infrage, weshalb sie stets gegen ihn verteidigt werden muss.

Inhärenter Rassismus und Judenhass

Bei rechten Gruppen kommt eine Ideologie der Ungleichwertigkeit selten allein. Zu dem inhärenten Rassismus der »Ülkücü«-Bewegung gegenüber kurdischen, armenischen oder alevitischen Bevölkerungsgruppen gesellt sich auch der Judenhass.

Max Lucks, der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe, sagte der Jüdischen Allgemeinen, dass »Antisemitismus für die Grauen Wölfe nicht weniger ist als ein Grundgerüst, das auch zur offenen Hetze gegen Juden in Deutschland führt«. Der Bochumer Politiker erinnert an die Präsenz »Grauer Wölfe« auf einer anti-israelischen Demonstration vor der Gelsenkirchener Synagoge im Jahr 2021, bei der antisemitische Parolen skandiert wurden. Lucks mache es fassungslos, »dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser noch immer kein Verbot dieser antisemitischen Organisation umgesetzt hat«.

Lesen Sie auch

Auch die Symbole der Ustascha stehen für einen gewaltbereiten und mörderischen Antisemitismus. Von August 1941 bis zum April 1945 ermordete der »Unabhängige Staat Kroatien« mehr als 83.000 Menschen im Konzentrationslager Jasenovac, darunter rund 13.000 Jüdinnen und Juden.

Dieses und weitere antisemitische Verbrechen werden auch in diversen Telegram-Gruppen von Hooligans und anderen rechtsextremen Fußballfans glorifiziert. Dort werden fast täglich Bilder und Videos von Aktionen rivalisierender Fangruppen veröffentlicht und kommentiert. Getrennt in den Farben, aber vereint im Hass auf Jüdinnen und Juden.
Obwohl Antisemitismus bei dieser Europameisterschaft oberflächlich betrachtet eine untergeordnete Rolle spielt, liefern Nationalismus und damit die Aufwertung der eigenen Nation den perfekten Nährboden für Antisemitismus und die Abwertung von Jüdinnen und Juden.

Hamburg

Block-Prozess: Israelischer Firmenchef vernommen

Die Block-Kinder sollen an Silvester 2023/24 von einer israelischen Sicherheitsfirma aus der Obhut ihres Vaters entführt worden sein. Nun hat der Firmenchef bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt

von Bernhard Sprengel, Sebastian Engel  18.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  18.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten beschmieren Kanzleramt

Die Täter, ein Mann und eine Frau, befinden sich bereits wieder auf freiem Fuß

 18.11.2025

Meinung

Die Gut-Wetter Freunde Israels sind zurück! 

Die Wiederaufnahme der Waffenexporte ist richtig und notwendig. Doch das ändert nichts daran, dass die Bundesregierung das Vertrauen Israels und vieler Juden vorerst verloren hat

von Sarah Cohen-Fantl  18.11.2025

Berlin

Mehr als 500 Rechtsextremisten mit Haftbefehl gesucht

Nach knapp 40 von ihnen wird wegen Gewaltstraftaten gefahndet

 18.11.2025

Berlin

Deutsch-Israelische Gesellschaft kritisiert geplante deutsche Millionenhilfen für UNRWA

Volker Beck: »Hilfe darf nicht über einen Kanal erfolgen, der in die terroristischen Aktivitäten der Hamas verstrickt war und ist«

 18.11.2025

Deutschland

»Das ist Verrat am Vaterland«

Unionsfraktionschef Jens Spahn äußert sich einmal mehr klar zur AfD

 18.11.2025

Riad/Washington

USA liefern F-35-Kampfjets an Saudi-Arabien

Bislang wurden diese in der Region nur an den engen Verbündeten Israel abgegeben

von Christoph Meyer, Cindy Riechau, Franziska Spiecker  18.11.2025

USA

Clinton-Minister zieht sich wegen Kontakt zu Epstein zurück

Der Skandal um den verstorbenen Sexualstraftäter zieht weitere Kreise. Ein früherer Minister kündigt nun wegen seiner persönlichen Beziehung zu Epstein Konsequenzen an

 18.11.2025