Nachruf

Titan der Diplomatie

Richard Holbrooke 1941–2010 Foto: Mike Minehan

Die Nachricht vom Tod des US-Spitzendiplomaten Richard Holbrooke, der am Montag im Alter von nur 69 Jahren in Washington verstarb, war für viele ein Schock. Zu Recht gilt er – zuletzt als Afghanistan- und Pakistanbeauftragter von Außenministerin Hillary Clinton – als ein Titan der amerikanischen Diplomatie. Er diente unter allen demokratischen Präsidenten seit John F. Kennedy. Zeitweise war er auch Journalist und arbeitete als Chefredakteur der Zeitschrift Foreign Policy sowie für Newsweek.

1976 beriet er den demokratischen Kandidaten Jimmy Carter in außenpolitischen Fragen und wurde nach dessen Wahl mit einem wichtigen Posten im State Department belohnt, zuständig für Asien. Zeitweilig war Holbrooke auch als Investmentbanker an der Wall Street tätig, obwohl ihn seine Faszination für Diplomatie nie losließ. Er engagierte sich ehrenamtlich in zahlreichen internationalen Initiativen und Stiftungen.

Beziehungen Obwohl Holbrooke ursprünglich die US-Botschaft in Tokio übernehmen sollte, schickte ihn Präsident Bill Clinton 1993 nach Bonn. Von dort aus initiierte er mit Henry Kissinger, Richard von Weizsäcker, Fritz Stern und Otto Graf Lambsdorff die American Academy Berlin, deren Hauptanliegen ist, die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA zu vertiefen.

Geboren wurde Richard Holbrooke 1941 in New York als Sohn jüdischer Auswanderer. Seine Mutter, die aus Hamburg stammte, sagte einmal: »Wir dachten nie daran, Richard eine jüdische Erziehung zu geben. Die Treffen der Quäker waren interessanter.« Erst später wurde Holbrooke sich seiner jüdischen Wurzeln gewahr, besonders, als auch seine katholisch erzogene dritte Frau Kati Marton herausfand, dass ihre jüdischen Großeltern in Auschwitz ermordet worden waren.

Als ich Holbrooke Mitte der 90er-Jahre in Bonn aufsuchte, erzählte er mir sichtlich stolz, unter seinen Vorfahren seien deutsche Juden gewesen. Kurze Zeit später (er war mittlerweile im State Department für Europa zuständig) war er die Rückendeckung der Clinton-Administration für die Bemühungen um die Rückgabe gestohlenen jüdischen Eigentums, die nachrichtenlosen Konten auf Schweizer Banken und die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter. Holbrooke war auch während der folgenden Jahre eine Hilfe in den teilweise sehr zähen Entschädigungsverhandlungen mit Regierungen, Banken und Wirtschaft.

Robust Seine Meisterstunde kam aber, als er den Auftrag bekam, die Führer der Bürgerkriegsparteien in Jugoslawien zu einem Friedensabkommen zu bewegen. Er lud sie 1995 nach Dayton in Ohio ein, wo es ihm mittels intensiver und robuster Shuttle-Diplomatie gelang, das Ende der blutigen Kämpfe zu erreichen. Vier Jahre später scheiterte er nach harten Verhandlungen mit Milosevic, den Kosovo-Konflikt friedlich beizulegen, und setzte sich für einen NATO-Militäreinsatz gegen Serbien ein.

Holbrooke nahm danach zahlreiche weitere diplomatische Missionen seines Landes an. Am Ende war er für den Friedensnobelpreis und – als prominenter Unterstützer von Hillary Clintons Bewerbung für das Präsidentenamt – möglicher US-Außenminister im Gespräch. Auch wenn er nicht als harmoniesüchtig galt und viele Gesprächspartner seine hartnäckige und aufbrausende Art fürchteten, war Richard Holbrooke vielleicht der wirkungsvollste US-Diplomat der letzten Jahrzehnte. Von ihm können sich viele Nachwuchskräfte der Außenpolitik, nicht nur in Amerika, postum einiges abschauen.

Der Autor ist Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses und leitet das Europabüro der Organisation in Brüssel.

Akaba/Jerusalem

Merz zu Nahost-Reise aufgebrochen: Antrittsbesuch in Israel 

Das Renten-Drama ist überstanden, jetzt geht es für den Kanzler erstmal ins Ausland. Heute und morgen steht ein besonderer Antrittsbesuch auf seinem Programm

 06.12.2025

Wien

EBU: Boykott hat keine Folgen für Finanzierung des ESC 2026

Der Gesangswettbewerb steht unter Druck. Die Boykott-Welle hat laut der Europäischen Rundfunkunion aber keine Auswirkungen auf dessen Finanzierung. Es werden aktuell rund 35 Staaten erwartet

 05.12.2025

Offenbach

Synagoge beschmiert, Kinder durch Graffiti eingeschüchtert

Rabbiner Mendel Gurewitz: »Ich war der Meinung, dass wir hier in Offenbach mehr Toleranz zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Religionen haben als etwa in Frankfurt oder in anderen Städten.«

 05.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  05.12.2025

Washington D.C.

Trump plant Übergang in Phase II des Gaza-Abkommens

Der nächste große Schritt erfolgt dem Präsidenten zufolge schon bald. Ein »Friedensrat« soll noch vor Weihnachten präsentiert werden

 05.12.2025

Berlin

Linken-Chef empört über Merz-Reise zu Netanjahu

Jan van Aken regt sich darüber auf, dass er Bundeskanzler Ministerpräsident Netanjahu treffen wird

 05.12.2025

Köln

Trotz Kritik: Sophie von der Tann erhält Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis

»Keine Auszeichnung für Propaganda und Antisemitismus« steht während der Preisvergabe auf einem Transparent, das Demonstranten vor dem WDR-Funkhaus tragen

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann schwieg bislang zur scharfen Kritik. Doch jetzt reagiert die ARD-Journalistin auf die Vorwürfe

 04.12.2025