Besetzung an der Alice Salomon Hochschule

Zentralrat: Präsidentin handelt »völlig unverständlich«

Das Audimax der Alice Salomon Hochschule wurde am Montag von Hamas-Unterstützern besetzt. Foto: picture alliance/dpa

Unterstützer der palästinensischen Terrororganisation Hamas haben das Audimax der Alice Salomon Hochschule (ASH) in Berlin-Hellersdorf besetzt. Dies geschah bereits am Montagmittag. Das Präsidium der Bildungseinrichtung veröffentlichte eine Erklärung, in der es sich zwar gegen Terrorismus ausspricht, zugleich aber für Organisationen Partei ergreift, die Israels Vorgehen gegen den Terror verurteilen und juristisch verfolgen. Hochschul-Präsidentin Bettina Völter bezeichnete die Besetzer trotz ihrer Sympathiebekundungen für den Terror als »friedlich«.

Der Zentralrat der Juden kritisierte die Besetzung und das Verhalten der Hochschule scharf »Was seit Beginn der Woche an der ASH in Berlin vor sich geht, ist skandalös«, erklärte dessen Präsident Josef Schuster. »Wenn eine Rektorin an ihrer Hochschule Terrorverherrlicher und Hamas-Liebhaber gewähren lässt und sie als weniger bedrohlich als unsere Polizei empfindet, ist das für mich völlig unverständlich.«

Jüdinnen und Juden sähen dies anders, so Schuster. »Mir läuft ein Schauder über den Rücken bei dem Gedanken, dass hier ausgerechnet Sozialarbeiter ausgebildet werden sollen.«

Die Aktion ist besonders brisant, weil die Hochschule nach der jüdischen Sozialreformerin Alice Salomon benannt ist, die 1937 von der Gestapo gezwungen wurde, Deutschland zu verlassen.

Ein Video des Vorfalls und vorliegende Fotos belegen: Die Besetzer forderten eine Globalisierung des Terrors, verherrlichten diesen zugleich (»Hamas, meine Lieblinge«) und malten rote Dreiecke auf Zettel. Mit diesen Dreiecken markieren Hamas-Terroristen israelische Soldaten in ihren Propaganda-Videos. Auch hängten die Besetzer ein Schild mit der Aufschrift »Zios nicht willkommen« an die Tür des Saals. Der Begriff »Zionist« wird von israelfeindlichen Aktivisten häufig als Synonym für Juden benutzt.

Trotz der Terrorpropaganda sagte die Präsidentin der Hochschule, Bettina Völter, nach der Besetzung in einem Interview, das in sozialen Medien verbreitet wurde, die »Studierenden« hätten »eine ganz friedliche Veranstaltung gemacht«. Auch die »Stimmung und Atmosphäre« war ihr zufolge friedlich. Im Gegensatz dazu habe die Anwesenheit von Polizeibeamten in voller Montur habe »bedrohlich« gewirkt, erklärte Völter.

Nicht beantwortet

Von der Jüdischen Allgemeinen übermittelte Fragen zu diesen Aussagen der Präsidentin wurden von der Pressestelle der ASH nicht beantwortet. Sie schickte lediglich einen Link zur offiziellen Erklärung des Präsidiums der Universität.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Darin heißt es: »Wir erkennen (...) an, dass antisemitische und rassistische Strukturen auch an unserer Hochschule bestehen und eine ständige Herausforderung darstellen. Ziel ist es, diesen strukturellen Herausforderungen aktiv, zuhörend und gewaltfrei zu begegnen und Räume zu schaffen, in denen eine kritische Auseinandersetzung und kontinuierliche Verbesserung möglich sind.«

Mit der Besetzer-Gruppe sei ein »intensiver Dialog« geführt worden, bevor sie die Hochschule »freiwillig und friedlich« verlassen habe. Augenzeugen zufolge riefen die Teilnehmer allerdings in diesem Moment weitere Terrorparolen. Auch will die ASH der »Gruppe« weiterhin »einen Raum zu Wissensaneignung, zum Austausch und zur kritischen Auseinandersetzung« gewähren.

»Handgreifliche Aggression«

Bevor in der Erklärung des Präsidiums auf Antisemitismus eingegangen wird, heißt es: »In der politisch aufgeladenen angespannten Auseinandersetzung mit Terror und Krieg im Nahen Osten und den Folgen für unsere Gesellschaft und unsere Hochschulkultur vervielfältigt sich die Erfahrung von Angehörigen unserer Hochschule und das allgemeine Risiko, dass als muslimisch und arabisch oder als People of Color gelesene Personen besonders schnell und voreingenommen in den Fokus von Anschuldigung, verbaler und handgreiflicher Aggression oder behördlichen Maßnahmen geraten.«

Von handgreiflicher Aggression gegen Studenten mit entsprechender Herkunft in Zusammenhang mit dem von der Terrororganisation Hamas begonnenen Krieg liegen allerdings keine Erkenntnisse vor – wohl aber über Gewalt gegen Juden und versuchte Anschläge auf jüdische Einrichtungen. Diese werden in der ASH-Erklärung jedoch nicht erwähnt.

Weiter unten im Text ist dann von Äußerungen die Rede, »die das Existenzrecht Israels infrage stellen und politische Positionen unterstützen, die darauf zielen, Jüd_innen und den Staat Israel verbal oder faktisch zu vernichten«. Diese hätten keinen Platz an der Alice Salomon Hochschule, wurden allerdings während der Besetzung getätigt.

Lesen Sie auch

Amnesty und Strafgerichtshof

»Umgekehrt sehen wir und wenden uns ebenfalls entschlossen gegen das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza, in der Westbank, in Israel und anderen Staaten der Region. Dieser Leidens- und Bedrohungszustand, der ebenfalls seit vielen Jahrzehnten andauert und Menschen zutiefst traumatisiert, tötet und demütigt, muss mit internationaler Unterstützung schnellstmöglich ein Ende finden«, so die Erklärung des Präsidiums. Von Juden in Israel und deren Leid ist nicht die Rede.

Während der »menschenverachtende, verabscheuungswürdige Angriff der Hamas und ihrer Helfer_innen« vom 7. Oktober 2023 zwar verurteilt wird, stellt sich die ASH ausdrücklich hinter die Organisation Amnesty International, die Israel »Völkermord« und »Apartheid« vorwirft – und damit sogar für ein Zerwürfnis mit ihrem eigenen Ableger in Israel sorgte.

Auch unterstützt das ASH-Präsidium den Internationalen Strafgerichtshof. Dieser hatte Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dessen früheren Verteidigungsminister Joav Gallant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen ausgestellt. Israel kämpft im Gazastreifen gegen die Terroristen der Hamas, die den einzigen jüdischen Staat vernichten wollen, und am 7. Oktober 2023 das größte Massaker an Juden seit der Schoa verübt haben. Die Armee führt aber keinen Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Die Bewohner werden sogar vom Militär geschützt, das für sie Fluchtrouten und Schutzzonen einrichtet und Hilfslieferungen bereitstellt.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

»Kapitulation vor Pro-Hamas-Demonstranten«

Auf eine »weitere friedliche und diskriminierungssensible Auseinandersetzung aller Beteiligten mit den Resonanzen, die Terror und Krieg im Nahen Osten auf unsere Hochschule und unsere Stadtgesellschaft in Berlin haben« setze die Hochschule, heißt es.

Die Botschaft Israels in Berlin warf Unipräsidentin Bettina Völter vor, sie kapituliere vor Pro-Hamas-Demonstranten: »Statt entschieden gegen Antisemitismus vorzugehen, toleriert sie die Besetzung der Universität. Die Polizei, die für Sicherheit sorgen soll, bezeichnet sie als bedrohlich. Wenn das die Führung an der Alice Salomon Hochschule ist, gute Nacht!« ja

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung.

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  06.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  06.11.2025

Ostdeutschland

AfD-Regierung als »Schreckensszenario«

Zehn Monate vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wächst in den jüdischen Gemeinden die Sorge vor einem Sieg der AfD

von Joshua Schultheis  06.11.2025

9. November

Erinnerung ohne Empathie ist leer

Wenn Deutschland am Sonntag der Pogromnacht gedenkt, darf Erinnerung nicht nur rückwärtsgewandt sein. Sie muss auch die Angst der Juden von heute im Blick haben

von Tobias Kühn  06.11.2025

Karlsruhe/Aarhus

Erneut Festnahme wegen mutmaßlicher Terrorpläne gegen jüdische Ziele

In Dänemark wurde ein Afghane festgenommen, der nach Erkenntnissen des deutschen Generalbundesanwalts Waffen und Sprengstoff für Anschläge auf Einrichtungen in Deutschland beschaffen sollte

 06.11.2025

Hanau

Hakenkreuze aus Menschenblut auf Autos geschmiert

Schauerliche Entdeckung im Hanauer Stadtteil Lamboy: Das Nazi-Symbol wurde auf Autos, Briefkästen und Hauswänden entdeckt. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Hinweise

 06.11.2025

Berlin

Untersuchungsausschuss zu Fördergeld-Vergabe steht an

Wurde Förderung für Projekte gegen Antisemitismus nach politischen Wünschen der Berliner CDU vergeben? Grüne und Linke wollen die Vergabe durch Kultursenatoren nun genau durchleuchten

 06.11.2025