Soziale Medien

»Terror wird auf TikTok gefeiert«

Tom Divon Foto: Hebrew University of Jerusalem

Herr Divon, Sie erforschen TikTok-Kulturen mit dem Schwerpunkt Antisemitismus. Was beobachten Sie?
Ich beobachte vor allem, wie antisemitische Inhalte in Memes übersetzt und auf TikTok populär werden. Memes sind ein beliebter Dialekt unter TikTok-Nutzern. Es gibt sie auch in Form von Challenges. Nutzer werden darin aufgefordert, einen bestimmten Video-Inhalt nachzuahmen. Diese können auch so manipuliert werden, dass sie zu Gewalt auffordern, wie ich es in meiner Untersuchung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf TikTok festgestellt habe.

Es sind also nicht nur tanzende Teenager …
Im Laufe der Jahre hat sich TikTok zu einem hochpolitischen Umfeld entwickelt, in dem die Nutzer ihre gesellschaftspolitische Stimme erheben. Es ist ein sehr interessanter Raum, um Antisemitismus zu untersuchen, denn TikTok belohnt seine Nutzer mit viraler Präsenz – solange man die Sprache der Plattform spricht.

Wie kann dies missbraucht werden?
In den Tagen des Gaza-Kriegs im Jahr 2021 gab es zum Beispiel die »Hit and Run«-Challenge. Palästinenser posteten Videos von sich, in denen sie wahllos Juden auf den Straßen Israels angriffen. Es gab viele, viele solcher Videos, die algorithmische Aufmerksamkeit erhielten. Bis die Moderation einsetzte, hatten diese Videos bereits Millionen Aufrufe und Reaktionen erhalten. Wieder einmal hat die Moderation von TikTok nur langsam reagiert.

Was beobachten Sie in Zeiten von Terroranschlägen?
Terroranschläge werden auf TikTok sehr schnell gefeiert. Nutzer aus den palästinensischen Gebieten teilen Videos mit Bildern der Täter, in denen sie ihre »Dschihad«-Taten zum palästinensischen »Widerstand« würdigen.

Hat TikTok überhaupt ein Interesse daran, schädliche Inhalte zu unterbinden?
Der Algorithmus fördert das, womit sich die Nutzer beschäftigen. Seit Langem wird diskutiert, ob die Förderung gewaltvoller Inhalte unsere menschliche Natur widerspiegelt oder ob es ein bewusster Versuch ist, die Feeds der Nutzer zu manipulieren. TikTok ist noch eine relativ neue Plattform. Es könnte Jahre dauern, bis eine solide Strategie für den wirksamen Umgang mit solchen Inhalten entwickelt ist. Das gibt Anlass zur Sorge und könnte verheerende Folgen haben.

Was unternimmt TikTok dagegen?
Es gab entscheidende Änderungen in Bezug auf das Gedenken an den Holocaust. TikTok hat damit begonnen, Institutionen, die über den Holocaust aufklären, bevorzugt zu zeigen. Das ist zwar ein sehr wichtiger Schritt, aber er hat seinen Preis, da er auch Hass hervorruft. Dennoch gibt es viele jüdische TikToker, die trendige Memes für ihre Arbeit gegen Antisemitismus nutzen. Sie bezeichnen sich als die inoffiziellen Hassputzer.

Mit dem Kommunikationswissenschaftler von der Hebräischen Universität Jerusalem sprach Lilly Wolter.

Interview

»Die Genozid-Rhetorik hat eine unglaubliche Sprengkraft«

Der Terrorismusforscher Peter Neumann über die Bedrohungslage für Juden nach dem Massaker von Sydney und die potenziellen Auswirkungen extremer Israel-Kritik

von Michael Thaidigsmann  16.12.2025

Wirtschaft

Hightech-Land Israel: Reiche sieht Potenzial für Kooperation

Deutschland hat eine starke Industrie, Israel viele junge Start-ups. Wie lassen sich beide Seiten noch besser zusammenbringen? Darum geht es bei der Reise der Bundeswirtschaftsministerin

 16.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

IS-Gruppen

Attentäter von Sydney sollen auf den Philippinen trainiert worden sein

Die Hintergründe

 16.12.2025

Hamburg

Mutmaßlicher Entführer: Mussten im Block-Hotel nichts zahlen

Der israelische Chef einer Sicherheitsfirma, der die Entführung der Block-Kinder organisiert haben soll, sagt im Gericht aus. Die Richterin will wissen: Wer zahlte für die Unterbringung im Luxushotel der Familie?

 16.12.2025

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Anschlag geplant? 21-Jähriger reiste legal ein

Mit einem Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem in Vorbereitungshaft genommenen Mann werden Details bekannt

 16.12.2025

Sydney

Jüdisches Ehepaar stirbt beim Versuch, einen der Angreifer zu stoppen

Boris und Sofia Gurman versuchten, das Massaker vom Bondi Beach zu verhindern, und bezahlten dafür mit ihrem Leben

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025