Fristverlängerung

Teheraner Taktik

Immer einen Trick in der Tasche: Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif (r.) mit John Kerry (USA) und Federica Mogherini (EU) Foto: dpa

Die Verhandlungen der Fünf-plus-eins-Staaten mit dem Iran gehen ohne erkennbare Erfolge in Wien weiter. Teheran höhlt täglich die Abkommen mit neuen Widerständen aus. Jüngster Dreh: Inspektionen militärischer Einrichtungen oder Forschungsstätten verstießen gegen die iranische »Ehre«. In die Schlagzeilen schaffte es stattdessen die Meldung, Israel habe die Hotels in Wien und Lausanne, in denen die Verhandlungen geführt werden, verwanzt. Weil die Beweise ausblieben, verschwand dieser »Skandal« allerdings schnell wieder.

Substanziell neu hingegen ist die Taktik, die Israels Premierminister Benjamin Netanjahu einschlägt: Im März, vor dem amerikanischen Kongress, lag die Betonung noch auf der iranischen Atombombe und der verbreiteten Angst vor einem weiteren Holocaust am jüdischen Volk. Die israelische Opposition, darunter der Chef der Arbeitspartei, Issac Herzog, stimmte dem Premierminister inhaltlich zwar zu, sprach jedoch im Wahlkampf von »Angstmache«.

forderung Inzwischen ist die israelische Forderung, den Iran am Bau einer Atombombe zu hindern, in den Hintergrund gerückt. Sie taucht bestenfalls als Finale am Ende von Netanjahus Reden auf. Stattdessen setzen der Premier und sein Verteidigungsminister Mosche Yaalon darauf, die USA mit deren eigenen Erkenntnissen zu konfrontieren.

Netanjahu zitiert etwa aus amerikanischen Berichten, dass im Jemen die aufständischen Houthis mit dem Iran verbündet sind. Und auch die Erkenntnisse amerikanischer und anderer Dienste, dass nach schweren Terroranschlägen oder versuchten Attentaten in Buenos Aires, in Thailand, Indien und anderswo gegen jüdische oder israelische Ziele die Spuren nach Teheran führten. Oder dass im Iran Homosexuelle an Baukränen aufgehängt, Christen und Bahais verfolgt, Andersdenkende unterdrückt werden, rückt ebenso in den Mittelpunkt der israelischen Öffentlichkeitsarbeit wie die Beweise, dass der syrische Präsident Baschar al-Assad nur mit iranischer Hilfe seine Bevölkerung mit den geächteten Fassbomben töten konnte.

Zahal hatte sogar einen hochrangigen iranischen General durch eine israelische Rakete getötet, als er mit Hisbollah-Offizieren die Grenze zu Israel auf den Golanhöhen inspizierte.

propaganda Auf die Behauptung des Iran, er arbeite nicht an einer Atombombe, verweisen israelische Stellen auf dessen eigene Propaganda. Hohe Generäle drohen etwa dem »zionistischen Regime« mit Auslöschung, immer wieder demonstrierten iranische Militärs ihre Fähigkeit, Langstreckenraketen abzuschießen. Auf YouTube zeigten sie einen Trickfilm, in dem ein US-Flugzeugträger versenkt und Tel Aviv in ein Flammenmeer verwandelt wird, wobei zwischendurch das Wort »Holocaust« als Mosaik auftaucht. Israel wirft den USA vor, dieses Propagandatrommelfeuer aus dem Iran nicht wahr- oder nicht ernst zu nehmen.

Im März hatte Verteidigungsminister Yaalon noch von »harten Beweisen« für die Entwicklung von Atomwaffen im iranischen Parchin gesprochen. Nach Aufhebung der Sanktionen könne der Iran mit dem dann zu erwartenden Geldsegen seine Forschung ausweiten. Heute wirft Yaalon den USA vor, mit einem »schlechten Abkommen« den Iran zum »nuklearen Schwellenland« aufzubauen. Während Israel den Iran als »Hauptproblem in der Region« sehe, betrachteten die USA ihn als »Teil der Lösung«, so Yaalon. Das sei die fundamentale Meinungsverschiedenheit.

wettrüsten Israelische Medien heben hervor, dass die atomaren Bestrebungen des Iran zu einem Wettrüsten in der Region führen: Auch die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten könnten sich Atomwaffen zulegen. Russland habe schon mit Saudi-Arabien einen Vertrag zur Errichtung von 16 Atomkraftwerken unterzeichnet.

Verschwunden sind derweil Spekulationen über einen israelischen Präventivschlag. Allerdings waren die teils sehr skurril: So hieß es einmal, dass Israel nach einem Atomschlag Soldaten mit Hubschraubern in den Iran schicken wolle, um dann dort »aufzuräumen«. Das wichtigste Argument gegen einen israelischen Präventivschlag würde heute ohnehin kaum mehr ziehen: Israel werde den Nahen Osten in ein »Flammenmeer« stürzen, lautete es. Das ist er auch so schon – auch ohne Israels Zutun.

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