Polizei

Standposten und Bestreifung

Eine Polizistin vor dem Gemeindezentrum und Synagoge der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs in der Hospitalstraße in Stuttgart (2019) Foto: imago images/Jan Zawadil

Wäre die Polizei in Halle vor Ort gewesen, der Angriff auf die Synagoge und die Morde an Jana L. und Kevin S. hätten vermutlich verhindert werden können. Die Terrortat des 27-jährigen Tatverdächtigen löste sehr schnell bei den Ländern eine Verstärkung ihrer Sicherheitsmaßnahmen aus.

»Nach Halle haben wir noch am selben Tag die Maßnahmen aufgestockt und uns auch in der Breite stärker aufgestellt«, sagt ein Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Inneres. »Wir kamen von einem hohen Level und haben die sichtbare Polizeipräsenz noch einmal gestärkt.« Bis Ende Oktober wird sich daran bei den 60 jüdischen Einrichtungen der Hauptstadt nichts ändern. Im November soll dann die Lage erneut eingeschätzt werden.

massnahmen Auch in Nordrhein-Westfalen handelte das Innenministerium sofort. Nach einem Bericht des WDR verstärkte die Polizei ihre Kräfte vor den Synagogen in Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Essen, Köln, Minden, Münster, Unna und Wuppertal. Eine landesweite Regelung zur Sicherung jüdischer Einrichtungen gibt es allerdings nicht, heißt es. Über die Maßnahmen wird vor Ort entschieden.

Es gibt in NRW keine
landesweite Regelung für den
Schutz jüdischer Einrichtungen.

In Bayern war die Frage der Gefährdung jüdischer Einrichtungen sofort Thema der Regierung des Freistaats. Die bayerische Polizei beurteile laufend die Lage, wobei auch Erkenntnisse anderer Behörden wie etwa des Bundeskriminalamtes und der Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundes einfließen, heißt es im Innenministerium. »Die bayerische Polizei wird darüber hinaus auf alle jüdischen Einrichtungen in Bayern zugehen, um die Gefährdungslage aufgrund der aktuellen Ereignisse neu zu bewerten«, sagt Innenminister Joachim Herrmann.

Im Saarland hingegen unterliegen Details zu den Maßnahmen, wie vor und nach Halle jüdische Einrichtungen geschützt werden, der Geheimhaltung. Eine Sprecherin des Innenministeriums sagte, die Synagogengemeinde Saar, das Landespolizeipräsidium sowie die dazugehörige Polizeiinspektion Saarbrücken-Stadt arbeiteten eng und vertrauensvoll zusammen. Begleitend sei das Innenministerium im Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Synagogengemeinde Saar.

OBJEKTSCHUTZ Objekte der jüdischen Gemeinden werden in Sachsen grundsätzlich durch Maßnahmen des mobilen polizeilichen Objektschutzes betreut, teilt das Innenministerium mit. Dies geschehe »im Rahmen der täglichen Dienstdurchführung der Polizeireviere, der Inspektion Zentrale Dienste«, heißt es. Wie viele Beamte eingesetzt werden, sei abhängig von der täglichen polizeilichen Lage in den Polizeirevieren, der örtlichen Gegebenheit und dem täglich zur Verfügung stehenden Personal.

Unmittelbar nach den Ereignissen am 9. Oktober in Halle sind diese Maßnahmen intensiviert worden. »Auf Basis einer bundesweiten Abstimmung wurde eine verstärkte Bestreifung angeordnet und zum Teil eine ständige polizeiliche Präsenz festgelegt«, lautet die Mitteilung aus dem Innenministerium.

In Hamburg waren die Ereignisse von Halle Anlass, um noch einmal eine intensive Analyse und Bewertung der Sicherheitslage vorzunehmen.

In Hamburg waren die Ereignisse von Halle Anlass, um noch einmal eine intensive Analyse und Bewertung der Sicherheitslage vorzunehmen, antwortete die Hamburger Polizei auf Anfrage. »Wir stehen hierzu in einem ständigen bundesweiten Austausch mit anderen Sicherheitsbehörden.« Die Einsatzkräfte seien sensibilisiert und die Präsenzmaßnahmen erhöht worden. Die Polizei stehe zudem in einem engen Dialog mit der jüdischen Gemeinde.

200 jüdische Einrichtungen gibt es in Niedersachsen, die Schutzmaßnahmen für einzelne Einrichtungen richten sich nach Angaben des Innenministeriums nach einer Bewertung des Gefahrenpotenzials im konkreten Einzelfall. Sie werden fortlaufend durch das Landeskriminalamt überprüft und bei einer Neubewertung der Lage umgehend angepasst. Juden müssten in Niedersachsen sicher und ohne Angst die Synagoge besuchen können, teilt Innenminister Boris Pistorius mit. Daher werde in einem engen Austausch mit den betroffenen jüdischen Einrichtungen geprüft, wie die Sicherheit verbessert werden kann. »Dabei geht es unter anderem darum, ob künftig grundsätzlich mehr Polizeipräsenz nötig ist und gewünscht wird.«

JOM KIPPUR In Rheinland-Pfalz unterliegen insgesamt 17 jüdische Einrichtungen ständigen polizeilichen Schutzmaßnahmen. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, dass an Jom Kippur regelmäßige Bestreifungen an den relevanten Objekten durchgeführt sowie lageabhängig bei ausgewählten Veranstaltungen eine dauerhafte polizeiliche Präsenz gezeigt werde.

»Ungeachtet von jüdischen Feiertagen wurden auch vor dem Angriff von Halle alle jüdischen Objekte, für die gemäß dieser Gefährdungsbewertung Schutzmaßnahmen galten, das ganze Jahr fortlaufend zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten durch die Polizei des Landes Brandenburg kontrolliert«, teilt das Innenministerium Brandenburg mit. »Es versteht sich, dass dabei Einrichtungen wie Synagogen oder Gemeindebüros häufiger kontrolliert wurden als beispielsweise jüdische Friedhöfe oder Gedenkorte.«

Nach dem Anschlag in Halle wurde nach bundesweiter Abstimmung der polizeiliche Schutz erhöht.

Nach dem Anschlag in Halle wurde nach bundesweiter Abstimmung der polizeiliche Schutz erhöht. »Herausragende Objekte, bei denen eine abstrakte Gefahr für Leib, Leben oder Gesundheit nicht ausgeschlossen werden kann, werden daher bis auf Weiteres durchgehend mit Standposten durch die Polizei geschützt. Dort besteht jetzt an insgesamt sechs Einrichtungen im Land ständige Polizeipräsenz.«

bundestagsdebatte Doch nicht nur die Bundesländer haben auf den Terror von Halle reagiert. Ende vergangener Woche kündigte Bundesinnenminister Horst Seehofer ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus an. Der Innenminister präsentierte in einer kurzfristig angesetzten Bundestagsdebatte zum Thema sechs Maßnahmen. So sollen jüdische Einrichtungen durch die Polizei und bauliche Vorrichtungen besser geschützt werden.

Seehofer forderte zudem mehr Mittel und Personal zur Bekämpfung von Rechtsextremismus für das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz. Unterdessen haben die Innenminister von Bund und Ländern über bundesweit einheitliche Vorkehrungen zum Schutz von Synagogen beraten.

Deutschland

»Das ist Verrat am Vaterland«

Unionsfraktionschef Jens Spahn äußert sich einmal mehr klar zur AfD

 17.11.2025

Auszeichnung

»Fair auf Israel blicken, ohne Schaum vor dem Mund«

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat den Augsburger Friedenspreis erhalten. In seiner Dankesrede warb er für einen unvoreingenommenen Blick auf den jüdischen Staat

 17.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  17.11.2025

Berlin

Bundesregierung hebt Stopp der Rüstungsexporte nach Israel wieder auf

Die Waffenruhe in Gaza hält seit mehr als fünf Wochen. Die Bundesregierung nimmt das zum Anlass, ihre massiv kritisierte Entscheidung aus dem Sommer rückgängig zu machen

von Michael Fischer  17.11.2025

USA

Kehrtwende? Trump empfiehlt Abstimmung über Epstein-Akten

Der Fall des Sexualstraftäters lässt den US-Präsidenten nicht los. Vor einer Abstimmung im Repräsentantenhaus gibt er einen überraschenden Rat an seine Partei

von Anna Ringle  17.11.2025

Extremismus

Beobachtungsstelle: Tausende christenfeindliche Straftaten in Europa

Europa gilt immer noch als christlicher Kontinent. Doch Experten warnen: Christen sind von einem Klima wachsender Intoleranz bedroht. Auch in Deutschland muss die Lage Besorgnis erregen

 17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Deutschland

Auktion von Besitztümern von NS-Opfern abgesagt

Im Online-Katalog waren unter anderem Dokumente und Post von NS-Verfolgten aus Konzentrationslagern sowie Täterpost zu finden

 16.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025