Israel

Sorgen und Wünsche

Regierungskonferenz mit Premier Netanjahu (l.), dem Minister für nationale Sicherheit Ben-Gvir (2.v.r.) und Umweltministerin Silman (r.) Foto: Flash 90

Noch vor der offiziellen Aufnahme ihrer Arbeit hatte sie polarisiert: die neue rechts-religiöse Koalition in Jerusalem. Am vergangenen Freitag wurde sie nun unter der Führung des Langzeit-Likud-Vorsitzenden Benjamin Netanjahu in der Knesset vereidigt. Während das Ausland dem neuen Regierungschef größtenteils gratulierte, hagelte es aus den Reihen der Opposition, von israelischen Intellektuellen, ehemaligen Politikern und Unternehmenschefs scharfe Kritik.

»Für die anstehenden Aufgaben wünsche ich Ihnen gutes Gelingen, eine glückliche Hand und viel Erfolg«, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz an Netanjahu. Israel und Deutschland verbinde eine besondere und enge Freundschaft, diese Grundlage der partnerschaftlichen Zusammenarbeit der beiden Länder werde man weiter pflegen.

Auch US-Präsident Joe Biden beteuerte, er freue sich auf die Zusammenarbeit mit Netanjahu, mit dem er seit Jahrzehnten befreundet sei, »um gemeinsam die zahlreichen Herausforderungen und Chancen anzugehen, denen sich Israel und die Region des Nahen Ostens gegenübersehen, einschließlich der Bedrohungen durch den Iran«. Die US-Regierung bemühe sich seit Beginn seiner Amtszeit um die Förderung von Frieden in der Region, resümierte der Präsident.

Kritik Den rechts-religiösen Ruck in Jerusalem erwähnte keiner der ausländischen Gratulanten. Doch im eigenen Land bereitet er vielen große Sorgen. Der ehemalige Ministerpräsident Ehud Barak sprach sich besonders kritisch aus. Dabei hatte er einst selbst als Verteidigungsminister in einer Koalition Seite an Seite mit Netanjahu gesessen.

»Diese Regierung führt vor unseren Augen einen Putsch in Israel durch, mit ihrem Rassismus, ihrer Korruption, der Kastration des Justizsystems, der Politisierung der Polizei und der Untergrabung der Befehlskette in der Armee«, sagte Ex-Premier Barak. In Anlehnung an den Prozess gegen Netanjahu fügte er hinzu, »dass diejenigen, die versuchen, sich aus Strafverfahren zu befreien, sich mit rassistischen Messianern verbündet haben, die das Judentum, den Zionismus und die Menschheit verzerren«. Netanjahu bezeichnet die Anklage gegen ihn als »Hexenjagd«.

Doch Barak ließ auch Hoffnungsschimmer in seiner Rede durchblicken, allerdings bräuchte das die Mithilfe der Bevölkerung: »Wenn die Gerichte nicht mehr in der Lage sein sollten, Israel und seine Demokratie vor der rechtsextremen Koalition zu verteidigen, müssen es die israelischen Bürger tun und eine gewaltfreie Revolte inszenieren, um sie zu Fall zu bringen«.

Immer mehr Teile der israelischen Gesellschaft drücken ihren Unmut aus.

Im Fokus der Empörung steht vor allem die Regierungsbeteiligung der umstrittenen ultrarechten Politiker Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich. Ben-Gvir, Vorsitzender der Partei Otzma Yehudit, der Minister für innere Sicherheit wurde, ist wegen Aufwiegelung zur Gewalt vorbestraft.

kontrolle Der Chef des Koalitionspartners Religiöser Zionismus, Smotrich, äußert sich offen rassistisch und anti-arabisch. Neben dem Amt des Finanzministers erhielt er zudem ein Ministeramt im Verteidigungsressort, das ihm die Kontrolle über das palästinensische Westjordanland sichert. Bei Amtsantritt ließ er wissen, er plane, »unseren Einfluss auf das Heimatland zu regulieren und zu stärken«.

Nach homophoben und rassistischen Äußerungen von Mitgliedern der ultrarechten Parteien drücken auch immer mehr Teile der israelischen Gesellschaft ihren Unmut aus, etwa die Belegschaft des Rambam-Krankenhauses in Haifa, einer Stadt, die für ihre Koexistenz bekannt ist. Dort machten Ärzte und Pfleger in einem Video auf dem Portal TikTok klar, dass sie »alle Menschen behandeln«.

Zuvor hatten zwei Mitglieder des Religiösen Zionismus die Änderung eines Antidiskriminierungsgesetzes gefordert, das es Unternehmen und Ärzten erlauben sollte, auf der Grundlage ihres religiösen Glaubens LGBTQ-Personen Dienste zu verweigern. Die Ministerin für »nationale Missionen«, Orit Struck, hatte zwar eingeschränkt, der Vorschlag solle nur greifen, »solange es genügend andere Ärzte gibt, die sich um sie kümmern«, doch das bremste die Empörung nicht aus.

Minoritäten Stattdessen kündigten mehrere israelische Firmen an, sie würden nicht mit Unternehmen oder Gruppierungen zusammenarbeiten, die Kunden aus religiösen Gründen benachteiligen. Darunter befanden sich das drittgrößte Finanz­institut des Landes, die Israel Discount Bank, und die Cybersicherheitsfirma Wiz.

Auch Netanjahu kritisierte Struck und betonte, dass Israel weder »eine Theokratie« werde noch Rechte von Minoritäten eingeschränkt würden. Die Regierung arbeite für alle Israelis. Vor der Vereidigung seines Kabinetts stellte er den offen homosexuellen neuen Knessetsprecher Amir Ohana vor. Der saß mit seinem Lebensgefährten Alon Haddad und den beiden gemeinsamen Kindern auf der Galerie und schaute stolz zu – vermutlich ein bewusster Schritt von Premier Netanjahu, um die Wogen zu glätten.

Angesichts der Ängste in der Bevölkerung, dass die Demokratie gefährdet sei, meldete sich auch der Präsident des Landes, Isaac Herzog, zu Wort: Er kommt nicht zu dem Schluss, dass das Land und seine Institutionen bedroht werden. Stattdessen forderte er seine Landsleute auf, mehr Vertrauen in die Widerstandsfähigkeit der israelischen Demokratie zu zeigen.

Australien

Polizei: Angreifer in Sydney waren Vater und Sohn 

Weitere Details des judenfeindlichen Terroranschlags werden bekannt

von Denise Sternberg  14.12.2025

Hintergrund

Der Held von Sydney

Laut australischen Medien handelt es sich um einen 43-jährigen muslimischen Vater von zwei Kindern, der einen Laden für lokale Produkte betreibt

 14.12.2025

Jerusalem

Israels Regierungschef wirft Australien Tatenlosigkeit gegen Judenhass vor

Nach einem Anschlag in Sydney fordert Netanjahu von Australien entschlosseneres Handeln gegen Judenhass. Er macht der Regierung einen schweren Vorwurf

 14.12.2025

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Terror in Sydney

Zivilist entwaffnet Angreifer und wird als »Held« gefeiert

Zwei Männer schießen auf Teilnehmer einer Chanukka-Feier in Sydney: Es gibt Tote und Verletzte. Ein Video soll nun den mutigen Einsatz eines Passanten zeigen

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert